5. November 2024

Operante Konditionierung entspricht Computerprogramm

Die klassische Konditionierung nach Pawlow verbindet einen Reiz mit einer Reaktion, die vom bewussten Lebewesen gar nicht bemerkt werden muss. Typisches Beispiel dafür ist beim Menschen ein unspürbar schwacher Luftstrahl, der bei einem gewissen Ton menschlichen ProbandInnen ins Aug geblasen wird, sodass sich dieses schließt. Ein paar Mal wiederholt und die Menschen schließen bei diesem Ton kurz von selbst die Augen. Pawlows Versuche mit Hunden, die bei einem Ton Leckerlis bekamen und ihnen bald darauf beim Ton allein schon der Mund wässrig wurde, sind der Klassiker.

Hunde-KonditioniererInnen meinen nun, sie würden eh nicht die klassische Konditionierung nach Pawlow, sondern die operante Konditionierung nach Skinner wählen und dann sei alles ganz anders. Hier ist das typische Beispiel die Skinner-Box. Ein hungriger Hund wird in eine reizarme Box gesteckt, in der sich eine Lampe und ein Hebel befinden. Drückt der Hund zufällig den Hebel, passiert gar nichts, solange die Lampe nicht leuchtet. Wenn aber der Hund zufällig gleichzeitig mit dem Leuchten der Lampe den Hebel drückt, wird ein Leckerli ausgegeben. Da die Skinner-Box reizarm ist, wird der Hund immer wieder zufällig den Hebel drücken, sehr bald einmal zusammen mit dem Licht und dann setzt die operante Konditionierung ein und der Hund hat gelernt, dass er beim Leuchten den Hebel drücken muss, um ein Leckerli zu bekommen.

Dieselbe operante Konditionierung wird bei der Dressur von Zirkustieren angewandt. Der Bär am Fahrrad, der Affe am Esstisch, der Elefant beim Kopfstand und die Hyäne auf den Hinterbeinen sind alle mittels operanter Konditionierung zu diesen Kunststücken gebracht worden. Dazu zerlegt man das Kunststück in einzelne kleine Teilstücke und wartet, bis das Tier bei einem Zeichen zufällig den ersten Schritt absolviert. Das wird mit Leckerli belohnt. Gelingt das, geht man den nächsten Schritt an und die Kette von Schritten, alle mit Leckerlis verstärkt, führen zum Zirkuskunststück. Es wäre mir neu, dass jemand der Ansicht ist, Zirkuskunststücke sind ein Beweis besonderer Intelligenz der Tiere. Im Gegenteil, es ist eigentlich anerkannt, dass diese Kunststücke nur erniedrigend für die Tiere sind. In Wirklichkeit leisten sie ja nichts, sondern führen nur eine Kette von Reiz-Reaktionen aus, wie Maschinen. Der Behaviorismus geht so weit zu behaupten, alle Handlungen von Tieren seien Reiz-Reaktionen. Das ist die Basis der Kantschen These, dass Tiere keine Freiheit kennen würden und daher wie Sachen zu behandeln seien. Deshalb ist das auch so in unserem Zivilrecht festgelegt. Wer Tieren Rechte verschaffen will, muss betonen, dass sie deutlich mehr können, als operant konditioniert zu werden, nämlich eigenständig zu denken und frei bzw. bewusst zu entscheiden. Zumindest in einem gewissen Rahmen.

Ich habe in meiner Zeit als Wissenschaftler sehr viele Computerprogramme geschrieben. Die operante Konditionierung ist eins zu eins mittels Computer programmierbar. Man nennt das ein „lernfähiges“ Computerprogramm. Wie in der Skinner Box nimmt das Programm blind mit Versuch und Irrtum irgendwelche Daten, die Handlungen beim Hund entsprechen, auf und bewertet die Ergebnisse. Sind sie negativ, wird diese Handlung in Zukunft vermieden, sind sie positiv, dann wird diese Handlung wiederholt. Das ist etwas grundlegend Anderes, als bewusst zu handeln und etwas zu verstehen. Das ist nämlich nicht programmierbar, dafür bedarf es mehr als eines Computerprogramms, nämlich eines Bewusstseins.

Operante Konditionierung erlebe ich täglich auch an mir. So konditionierte ich mich darauf, weil ich in meiner Wohnung immer Schlapfen anhatte, diese durch eine Schüttelbewegung des Fußes abzustreifen, bevor ich in die Straßenschuhe stieg, wenn ich die Wohnung verlassen wollte. Eines Tages ertappte ich mich dabei, die „Schlapfen-Abschüttel-Bewegung“ vor dem Anziehen der Straßenschuhe durchzuführen, ohne überhaupt Schlapfen anzuhaben. Diese Reizreaktion läuft eben einfach sinnlos ab, sozusagen als Selbstzweck. Da agiere ich wie eine Maschine. Selbiges gilt für den Griff in meine Hosentasche bevor ich das Haus verlasse, um zu checken, ob ich den Hausschlüssel mithabe. Oder das Öffnen des Visiers am Motorradhelm, damit es durch meinen Atem nicht anläuft, wenn ich bei der Ampel stehenbleibe. Alle diese Handlungen laufen sinnleer ab, wenn ich z.B. gar kein Visier am Helm habe oder keinen Schlüssel brauche. Sie mögen im täglichen Leben praktisch sein, weil sie mir das mühsame bewusste Denken ersparen, aber es muss klar sein, dass die operante Konditionierung zu Handlungen führt, deren Sinn das sie ausführende Wesen überhaupt nicht begreifen muss. Sie laufen von selbst ab. Auch im Leerlauf, wenn der entsprechende Reiz empfunden wird, ohne dass die Situation adäquat ist.

Daher sind die operante Konditionierung und das Lernen durch Verstehen etwas grundsätzlich Anderes. Das Verstehen setzt einmal voraus, ein Problem zu haben und eine Lösung zu wünschen. Dafür geht man bewusst und zielgerichtet vor, z.B. durch Nachdenken oder durch Abschauen einer Lösung von anderen, denen man mehr Erfahrung und Wissen zutraut. Wenn man dann merkt, dass diese Lösung funktioniert, hat man etwas Verstanden. Ein Beispiel wäre das Öffnen einer Tür durch Drücken der Türschnalle. Es macht einen großen Unterschied, durch blinde und planlose Versuche mit operanter Konditionierung auf die Lösung zu kommen, oder sie sich von jemandem anderen, den man beim Lösen dieses Problems des Türöffnens beobachtet, abzuschauen. Dann ist das Türöffnen wesentlich mehr als ein Zirkustrick auf einen Reiz hin. Dann ist es eine echte Intelligenzleistung und eine freie und bewusste Entscheidung. Und ich behaupte, in der Wildnis – aber auch im Straßenverkehr – wären Hunde sehr rasch tot, bevor sie sich mittels operanter Konditionierung allein dort zurecht finden würden. Ein Fehler ist da nämlich schnell ein Fehler zu viel. Da muss man sich die Lösung abschauen oder durch Nachdenken draufkommen.

8 Gedanken zu “Operante Konditionierung entspricht Computerprogramm

  1. Hallo Herr Balluch,
    ich habe mich sehr gefreut auf ihre Seite gestoßen zu sein. Das Thema Konditionierung in der Hundeerziehung beschäftigt mich oft, nicht zuletzt aus beruflichen Gründen. Ich bin Hundeverhaltenstherapeutin und betreibe eine Hundeschule mit hundepsychologischem Schwerpunkt. Parallel dazu habe ich einen Blog auf dem ich schon mehrere Artikel zum Thema veröffentlicht habe. Ich schließe mich weitgehend ihrer Analyse an und denke auch, dass systematische Konditionierung eine zunehmend kleinere Rolle in der Hundeerziehung spielen sollte. Unser heutiger Wissensstand gibt das her.
    Als Skinner vor etwa hundert Jahren begann Tauben für den Militärdienst zu dressieren war das ein enormer Fortschritt. Im Gegensatz zu vorher gab es eine Methode sich das Tier zu Willen zu machen. Die Zeiten haben sich gewandelt, heute sehen wir unsere Hunde eher als Sozialpartner. Das bildet einen Gegensatz zum Anspruch der totalen Unterordnung.
    Auch Hunde wurden für den Kriegseinsatz ausgebildet, man machte sie quasi zu Selbstmordattentätern und schickte sie mit Bomben beladen unter Panzer oder anderes Kriegsgerät. Angesichts solcher Beispiele erübrigt sich meiner Ansicht nach eine Diskussion über die Rolle des Handlungsspielraums beim systematischen Einsatz von operanter Konditionierung. Es sind die Verstärker, die das Verhalten massgeblich beeinflussen. Der Hund wird programmiert zu tun was der Mensch will.
    Systematischer und zielgerichteter Einsatz von operanter Konditionierung ist Dressur. Als natürlicher Vorgang ist es Teil des Lernverhaltens.
    Das ist das Ergebnis meiner Recherche zum Thema und ich kann schon verstehen warum der Abschied von der Methode so schwer fällt, aus der Sicht vieler Anwender hat sie sich bewährt.
    Also das mit den Schlappen ist wohl eher Routine, das beruht ja auf einer Idee von ihnen. Obwohl es mitunter echt anstrengend ist, kann und sollte man Routinen hin und wieder überdenken und im Zweifel abstreifen. Das obliegt dann ihrer Entscheidung. Bei der Konditionierung ist das anders.
    Viele Grüße
    Brigitte Mendner

  2. Dir macht es schon Spaß, eine Sache herauszugreifen, sie als Wurzel allen Übels zu sehen… meine Hunde sehe ich als denkende, fühlende Wesen. Ich nehme “gefährliche” Hunde auf, Hudne die gebissen haben.
    Meine Hunde selbst dürfen sehr viel und müssen sehr wenig “leisten”. Aber ohne gezielte operante Konditionierung bzw. Gegenkonditionieren wäre ich nicht weit gekommen. Denn diese Hundefuhren so schnell aus der Haut, dass sie nicht mehr “verstehen” konnten.

    Das Aufrufen des Bildes/Geruches ist übrogens wieder Konditionierung, ein verknüpfter Reiz. Das ist doch bitte nichts Schlimmes!

    Deinen Kreuzzug gegen die Konditionierung verstehe ich nicht, tut mir leid.

  3. ich denke, ein hund lernt nicht unsere vokabel, sondern versteht unsere emotion während dem sprechen, unsere mimik und gestik. und das unglaublich genau! wahnsinnige soziale intelligenz, die mit einem pfeifton für essen und einem für spazieren nicht zu vergleichen wäre.

  4. Tut mir Leid, aber das sehe ich nicht ganz so. Wenn ich meinen Hund frage, ob er essen will, rinnt ihm auch das Wasser im Mund zusammen, dann geht er zur Schüssel und wartet auf das Essen. Frage ich ihn ob er fortgehen will, geht er zur Türe. Ob ich jetzt einen Ton mit dem Mund produziere, oder mit einem Gerät, macht wohl keinen Unterschied. Das ist schlichtweg Sprachverständnis. Worte sind nichts weiter als nichtssagende Töne und wir Menschen “verstehen” sie auch nur, weil wir abgemacht haben, was welcher Ton bedeuten soll. Menschen die Bilder im Kopf sehen, werden vielleicht zum jeweiligen Ton das passende Bild sehen, Hunde rufen vielleicht auch noch den passenden Geruch auf. Auch Menschen kann beim Gedanken an eine Speise das Wasser im Mund zusammenlaufen. Natürlich ist das erlernt und geübt. Wir brauchen ja auch Wiederholungen, wenn wir eine fremde Sprache lernen. Unter Konditionierung verstehe ich in diesem Zusammenhang etwas anderes.

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