28. März 2024

ÖVP verhindert Entschärfung des Mafiaparagraphen 278a

Spätestens durch den Tierschutzprozess wurde klar, dass dieser Paragraph zu weit gefasst ist, um wirklich nur solche Organisationen zu meinen, die landläufig auch als kriminell gesehen werden. Nach dem momentanen Gesetz wird man bereits Mitglied, indem man jemandem in irgendeiner Form hilft, egal wie, von dem man ernstlich für möglich halten müsste, er sei aus einer kriminellen Organisation. Zusätzlich zeichnet sich die kriminelle Organisation nach dem Gesetz dadurch aus, keine Organisation in herkömmlichem Sinn zu sein: weder muss man sich gegenseitig kennen, noch muss man selbst Straftaten ausführen oder auch nur von jemandem wissen, der Straftaten ausgeführt hat.

Am Tag des Freispruchs im Tierschutzprozess, dem 2. Mai 2011, wurde ich im Justizministerium empfangen und man versprach mir eine Reform des Gesetzes anzugehen, die eine nochmalige Anwendung auf Tierschutzorganisationen oder, allgemeiner, NGOs ausschließen werde. Zunächst wolle man aber ein wissenschaftliches Gutachten erarbeiten lassen. Nach Vorschlägen dieses Gutachtens, so die Ministerin, werde bis Ende 2012 eine Entschärfung vorgenommen.

Am 23. Jänner 2013 zeigte man mir das Gutachten von Universitätsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf von der Juridischen Fakultät der Uni Wien und es enthielt eine Reihe von konkreten Änderungsmöglichkeiten, siehe https://martinballuch.com/?p=2153. Es wurde angekündigt, die Reform bis Mitte 2013 durchzuziehen. Der Justizausschuss wurde damit befasst, aber von dort war bald zu hören, dass der ÖVP-Bauernbund und die Polizei keine Änderung wollen würden. Am 19. Juni 2013 kam es schließlich zur entscheidenden Sitzung. 2 Tage vorher war mir angekündigt worden, dass es eine Einigung geben würde. Doch am Tag der Abstimmung verweigerte die ÖVP den Kompromiss. Man wolle auf Bauernbund und Pelzindustrie Rücksicht nehmen und sicherstellen, dass Aktionen radikaler TierschützerInnen strafbar seien, auch wenn sie nach dem Strafgesetzbuch keine Straftaten sind. Das entpuppt sich nun als das  Hauptproblem der Tierindustrie: da die TierschützerInnen keine Straftaten ausführen, ist ihnen mit herkömmlichen Mitteln der Kriminalisierung nicht beizukommen. Sie nehmen aber dennoch mit öffentlichem Druck Einfluss auf die Wirtschaft, und müssten daher gestoppt werden, koste es was es wolle.

Diese Aussagen zusammen mit dem neuen OLG-Urteil zur Berufung im Tierschutzprozess lassen die Alarmglocken klingeln. Nach dem OLG sind legale Tierschutzkampagnen bereits Nötigung, wenn sie „sittenwidrige“ Ziele wie einen Pelzausstieg verfolgen und zu diesem Behufe androhen, die KundInnen der jeweiligen Firma zu informieren. Mit § 278a sollen auch in Zukunft TierschützerInnen in Schach gehalten werden. In Kombination ergibt sich nun endlich die Basis, die gesamte Tierschutzszene als kriminelle Organisation zu verfolgen: sie würden mittels der Straftat der Nötigung, d.h. mit legalen Kampagnen, Einfluss auf die Wirtschaft nehmen, und das seit langer Zeit und mit mehr als 10 Personen. Weiteres ist nicht mehr nötig, um die AktivistInnen umfassend zu bespitzeln und für Jahre einzusperren.

Es ist erschütternd, wie verbissen die Tierindustrie unvermindert die Verfolgung von TierschutzaktivistInnen betreibt, ungehemmt und immer offener. Mittlerweile macht man sich gar nicht mehr die Mühe so zu tun, als wären tatsächlich Straftaten die Bedrohung. Vielmehr gibt man unumwunden zu, dass genau dieses Fehlen der Straftaten das Problem der Tierindustrie ist, und der Grund, weshalb sie § 278a unverändert beibehalten will.

http://derstandard.at/1371169984555/Mafia-Paragraf-Reparatur-laut-SPOe-und-Gruenen-an-OeVP-gescheitert

4 Gedanken zu “ÖVP verhindert Entschärfung des Mafiaparagraphen 278a

  1. Es ist wahrscheinlich möglich, oder jedenfalls nicht unmöglich, dass “der Gesetzgeber” nicht so richtig versteht, dass eine mögliche Tat nicht unbedingt auch wahrscheinlich geschehen muss. Jedenfalls ist es unwahrscheinlich, dass jede mögliche Handlung auch ausgeführt wird. Bisher dachte ich es gelte die Unschuldsvermutung, was bedeutet, dass eine Schuld nachgewiesen werden muss und nicht eine Unschuld bewiesen. Schließlich ist es möglich, dass sich die Polizei oder das Gericht irrt, selbst dann wenn es der Polizei oder dem Gericht unwahrscheinlich erscheinen mag. Wahrscheinlich irren sie sich sogar manchmal, möglicherweise sogar sehr oft.

  2. Diese Formulierung mit “es für möglich halten” (daß ein anderer widerrechtlich handelt,) gibt es generell im Srafrecht.
    Die Justiz kann damit JEDEN verurteilen!
    Das ist nicht nur willkürlich, sondern auch saudämlich. Denn für “möglich” halte ich alles. Und zwar ernstlich-schlicht deshalb, weil ich es nie ausschließen kann. Ich schätze meistens unsere Exekutive, halte es nicht für wahrscheinlich-aber für “möglich”, daß einer davon mich morgen in die Fresse haut. Und ich kann auch niemals den Gegenbeweis antreten, es für unmöglich gehalten zu haben. Da nichts unmöglich ist, kann man mir das IMMER zur Last legen. Ich bin auch kein Exekutivbeamter, daß ich ständig überlege, ob jemand vielleicht unrecht handeln KÖNNTE. Und ich bin auch nicht die Mama, desjenigen, der VIELLEICHT unrechtmäßig handeln KÖNNTE, sodaß ich mich als (mit-)verantwortlich für dessen nachfolgende Handlungen betrachten müßte. Auch nicht ideal und beweisbar, aber etwas intelligenter, wäre die Formulierung “für wahrscheinlich” gehalten. Wenn ich jemandem ein Auto verkaufe, ist es auch “möglich”, daß er damit absichtlich in eine Menschenmenge fährt. Ich muß es für “möglich” halten, oder kann ich es ausschließen? Wenn ich es für “wahrscheinlich” halte, und es ihm dennoch verkaufe-dann könnte ich eine Strafverfolgung verstehen. Aber für “möglich” ? Was soll das? Ich verkaufe jemandem eine riesige Zange (Beisszangl) . Wäre es nicht diskriminierend, das zu unterlassen, weil ich für möglich halte, daß der damit einen Einbruch begeht? Und-kann ich für die Veröffentlichung dieser Meinung nun belangt werden? MÖGLICH-daher erkläre ich hiermit, daß ich selbstverständlich voll und ganz hinter dem österreichischen Rechtssystem stehe.

  3. … Der Justizausschuss wurde damit befasst, aber von dort war bald zu hören, dass der ÖVP-Bauernbund und die Polizei keine Änderung wollen würden.

    Machen in Österreich Polizei und Bauernbund die Gesetze? Haben die die Macht im Staat übernommen? Das wäre dann aber doch wohl eine neue Form des Austro-Faschismus. Wozu haben wir ein Parlament?

    … Man wolle auf Bauernbund und Pelzindustrie Rücksicht nehmen und sicherstellen, dass Aktionen radikaler TierschützerInnen strafbar seien, auch wenn sie nach dem Strafgesetzbuch keine Straftaten sind.

    Wenn etwas “strafbar ist das nicht strafbar ist” bedeutet dass, dann nicht: hier agieren Menschen die selbst nicht bereit sind sich an das Strafgesetzbuch zu halten? Sie machen ihre eigenen Gesetze gegen den demokratischen Rechtsstaat? Damit sie Geld verdienen können? Würde das nicht gerade bedeuten dass sie Kandidaten für diesen § 278a sind? Passt doch alles.

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