Der Kampf für Menschenrechte ist ein stetiger Kampf, ständig sind unsere Grundrechte einer Erosion ausgesetzt. Würden wir der Polizei und insbesondere den Ämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung das Feld überlassen, hätten wir in wenigen Jahren keine verfassungsgeschützten bürgerlichen Freiheiten mehr.
Ein Beispiel dafür ist die gebetsmühlenartige Wiederholung der Frage seitens der Polizei bei fast jeder Demo oder Aktion im Tierschutz: „Haben Sie eine Genehmigung?“ Nein, sehr geehrte Damen und Herren BeamtInnen, wir haben keine behördliche Genehmigung für die Ausübung unserer Grundrechte, weil diese von solchen Genehmigungen nicht abhängen dürfen. Das wäre ja ein Rückschritt zum Silvesterpatent 1851, in dem es von der kaiserlichen Güte abhing, ob man sich versammeln darf. Wenn ich gegen die Behörde demonstrieren will, muss mir dieselbe Behörde erst meine Demo bewilligen? Vom Kampf um das bewilligungsfreie Demorecht habe ich bereits berichtet, siehe https://martinballuch.com/?p=1624. In der Steiermark gilt seitdem, dass die Demos zwar einer Bewilligung unterliegen, diese aber automatisch erteilt werden muss.
Ein ähnliches Thema ist das Recht, seine Identität nicht preisgeben zu müssen, wenn man keiner Verwaltungsübertretung oder Straftat ernsthaft verdächtig ist. Zu diesem Konflikt gab es letzte Woche ja wieder einmal ein Verfahren am UVS in Innsbruck, siehe https://martinballuch.com/?p=2359.
Oder die Übertretung der Straßenverkehrsordnung im Rahmen von einer politischen Versammlung, die der Behörde gemeldet und von ihr nicht untersagt wurde. Bei solchen Versammlungen, kurz Demos, kann es notwendig sein z.B. gegen die Einbahn zu fahren oder ein Auto auf dem Gehsteig abzustellen. Regelmäßig bekommen wir deshalb Anzeigen von PolizeibeamtInnen oder Parksheriffs, und regelmäßig müssen wir dagegen berufen und bekommen Recht gesprochen – außer im Chaos der täglichen Demo werden die Fristen versäumt. Warum ist die Behörde eigentlich nicht über die Gesetzeslage informiert, warum muss man erst teure Verfahren führen, um zu seinem Recht zu kommen?
Gestern trudelte ein weiteres positives Urteil dieser Art vom UVS Wien bei uns ein. Dabei ging es um das Verteilen von Flugblättern politischen Inhalts ohne Bewilligung der Behörde. Man versuche einmal, Flugblätter einfach so zu verteilen, insbesondere, wenn es gegen die Wirtschaft (z.B. pelzkritische Flugblätter vor Kleider Bauer) oder gegen eine Regierungspartei (in diesem Fall die ÖVP wegen deren tierfeindlicher Politik) geht. Wie das sprichwörtliche Amen im Gebet tauchen bald unsere GesetzeshüterInnen auf, legen den Kopf auf die Seite und sagen: „Haben Sie eine Genehmigung?“. Bei Verneinung folgt die schroffe Aufforderung: „Ausweis!“. Wird auch das verweigert, wie es unser gutes Recht ist, muss man mit einer Festnahme rechnen. Und ewig grüßt das Murmeltier.
Und wieder einmal wurde gegen ein solches Vorgehen und die entsprechende Anzeige wegen Benutzung der Straße zu verkehrsfremden Zwecken, diesmal beim Erntedankfest Anfang September 2012 am Heldenplatz in Wien, eine Berufung zum UVS eingelegt. Das Urteil ist erfreulich: der Strafbescheid wurde aufgehoben. Dabei hatte es sich um ein Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion nach unserem Einspruch gehandelt, also sogar diese Behörde kennt die Rechtslage nicht, obwohl sie doch mit dem Schutz unserer Menschenrechte betraut ist, dachte ich naiv.
Kurz zusammengefasst besagt das Urteil, das ich im Folgenden auszugsweise wiedergebe: Es unterliegt keiner Genehmigungspflicht, Flugblätter politischen Inhalts (im Gegensatz zu wirtschaftlicher Werbung) auf der Straße zu verteilen, sofern nicht dabei der Fließverkehr behindert oder die Aufmerksamkeit von LenkerInnen vorbeifahrender Fahrzeuge beeinträchtigt wird, weil in diesem Fall das Recht auf freie Meinungsäußerung schwerer wiegt als die Straßenverkehrsordnung.
ZB. Erkenntnis des VwGH (Verwaltungsgerichtshofs) vom 28.4.93 könnte hilfreich sein. Passt auf eine A4-Seite:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vwgh&Dokumentnummer=JWT_1992020204_19930428X00&ResultFunctionToken=025e6f7d-1687-421b-a7e4-
2a67af9ce713&Position=1&Entscheidungsart=Erkenntnis&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=&VonDatu
m=04.02.1992&BisDatum=28.04.1993&Norm=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=
Ein weiteres Beispiel für die (gewollte?) Unkenntnis der Behörden. Man versucht dadurch Bürger einzuschüchtern und sie an der Ausübung demokratischer Grundrechte einzuschränken.
Es wäre schön, wenn es das Urteil auch zum Ausdrucken gäbe, damit man das bei Bedarf vorzeigen kann.