Im 18. Jahrhundert nannte es sich „ökonomische Aufklärung“. In Preußen zog man gegen die Sommerweide der Kühe zu Felde. Die Weide sei eine Seuchenfalle, die Wiesen würden verwüstet, es würde Zeit, dass die Kultur über die Natur siege. Das Tier sei wie ein Mensch ohne „Seelenkraft“, also wie ein geistig verwirrter Mensch, auch in der Gefangenschaft glücklich. Die Freiheit an sich habe für das Tier keinen Wert (1772). Die Preußische Akademie der Wissenschaften konstatierte 1787: die Sommerstallfütterung, d.h. die ganzjährige Anbindehaltung von Kühen, ist die wichtigste Revolution in der Landwirtschaft. 1799 wurden vom „Vater der deutschen Landwirtschaft“, Albrecht Thaer, Kühe explizit als „Maschinen“ bezeichnet, die Futter in Milch verwandeln. Man müsse also Maßnahmen setzen, die diesen Prozess modern und effizient gestalten. Der Schritt zur Industrialisierung auch der tierlichen Landwirtschaft war getan.
Der neue Maßstab wurde die Rentabilität: je mehr Milch pro Kuh, desto profitabler. Kühe mit geringerer Milchleistung wurden ausgesondert. Es ging nicht mehr um Langlebigkeit, sondern um kurzzeitige Höchstleistung. Bekam eine Kuh im 18. Jahrhundert noch mit 3 Jahren ihr erstes Kind, so konnte das bald auf weniger als 2 Jahre reduziert werden. Die LandwirtInnen zogen mit. Es klang so positiv: mehr Milch aus den neuen Turbokühen bedeutet mehr Gewinn. Doch diese Rechnung war zu kurz gedacht: mit mehr Milch am Markt verfällt auch der Milchpreis. Diejenigen, die ihre alten Kühe behalten und auf der Weide lassen wollten, gerieten in finanzielle Schwierigkeiten, plötzlich erhielten sie für die gleiche Menge Milch viel weniger Geld. Also mussten sie ebenfalls mitmachen und das Rad der zunehmenden Industrialisierung begann sich zu drehen.
Bis 1948 legten die Hühner noch 180 Eier pro Jahr. Entsprechend teuer war das Produkt am Markt, entsprechend verzehrten die Menschen jährlich nur 35 Eier pro Kopf. 1955 wurde der Käfig propagiert. Hygienisch sauber, energieeffizient, platzsparend und vor allem wenig arbeitsintensiv. Ein Mann kann sich um 100.000 Hennen „kümmern“. Gleichzeitig erreichte man bis 1963 eine Legeleistung von 240 Eiern pro Huhn und Jahr, in der Branche als großartigen Erfolg gefeiert. Es kam wie es kommen musste: Preisverfall des Ei’s, Anstieg des Billigeikonsums und der Bankrott aller kleineren Betriebe, die nicht auf die Legebatterie setzen wollten oder konnten. Zusätzlich wurde die gesamte Sparte von den wenigen Firmen weltweit abhängig, die jene Hybridhennen „produzieren“, aus denen dann in den Brütereien die Turbohennen mit maximaler Eileistung schlüpfen. Die multinationalen Konzerne etablierten ihre weltumspannende Macht.
Ein Teufelskreis des Kapitalismus. Selbst beim besten Willen konnten sich die LandwirtInnen der Entwicklung nicht entziehen. Obwohl aus den brancheneigenen Zeitschriften dieser Zeit keinerlei ethische Zweifel zu entnehmen sind. Auf die erste Tierschutzkritik in den 1970ern reagierte man entsprechend aggressiv. Hier würden sich inkompetente Stadtmenschen in Bereiche einmischen, von denen sie nichts verstehen. Bis heute sehen die meisten LandwirtInnen in der Tierproduktion TierschützerInnen als ihre Feindbilder.
Erst der organisierte Tierschutz der letzten beiden Jahrzehnte hat sich gegen diese Entwicklung gestemmt. Wir müssen abkommen von der Profitmaximierung in der Tierhaltung und den Billigprodukten im Supermarkt. Doch das bedeutet gegen ein mächtiges System anzutreten, das sich jetzt auch noch in Freihandelsabkommen, wie TTIP, global organisiert. In diesem Sinn arbeiten kritische LandwirtInnen und Tierschutzaktive zumindest in dieselbe Richtung: weg von der Industrialisierung, zurück zum kleinstrukturierten Regionalerzeugnis, bessere Tierhaltung um einen höheren Preis. Vielleicht wird es für kritische LandwirtInnen deshalb Zeit, die Fronten zu wechseln. Warum einen Bauernbund in die Landwirtschaftskammer als Vertretung wählen, der nur die Agrarindustrie fördert und sogar TTIP explizit begrüßt! Das ist für alle Beteiligten die schlechteste Option, von den LandwirtInnen selbst, bis zu den betroffenen „Nutztieren“.
Ich glaube, Kritik an den Verhältnissen hab es schon früher? Ich denke an Magnus Schwantje, bin mir aber nicht sicher, in wie weit er im Bereich “Nutztierhaltung” aktiv war.
[http://www.magnus-schwantje-archiv.de/]
Interessanter Artikel, zu sehen, wie Tiere zu Nutztieren wurden, genauer, systematisch zur Ware wurden.
Die Landwirte tun mir am wenigsten leid. Verdienen sie doch ihren Lebensunterhalt mit der Ausbeutung von Tieren. Auch im kleinstrukturierten Regionalerzeugnis wird Profitmaximierung angestrebt. Es geht nicht um die Kuh und deren Bedürfnisse sondern um die maximale Milchleistung und Profitmaximierung. Auch im Kleinbetrieb müsste die Kuh durchgehend geschwängert und vom Kalb getrennt werden. Deren tristes kurzes Leben in kleinen Boxen, falls sie männlich sind, wäre im idyllischen Kleinbetrieb genauso grausam. Alleine dieser Akt widerspricht jedem natürlichen Gefühl und Instinkt, wird aber bsp. den Kühen ständig abverlangt.
Natürlich muss berücksichtigt werden, dass Bauern quasi nur im Auftrag der Bevölkerung sprich Nachfrage handeln. Aus diesem Grund sehe ich auch schwarz für kleinstrukturierte Regionalerzeugnisse. Dadurch könnte niemals die immense Nachfrage an Tierprodukten, die momentan leider noch vorherrscht, gedeckt werden. Würde man alle Produkte bsp. im Lebensmittelsektor, die irgendwelche Bestandteile eines Tieres enthalten, aus dem Geschäft verbannen, bliebe nicht mehr viel übrig.