Die folgende Selbstanzeige wurde mir zugeschickt:
An Staatsanwalt Wolfgang Handler
LG Wr. Neustadt
Wie aus dem beigelegten Brief ersichtlich, habe ich von meinem demokratischen Recht Gebrauch gemacht und meiner persönlichen Meinung zu einer bestimmten Angelegenheit Ausdruck verliehen.
Vor ein paar Jahren wäre das noch kein Thema gewesen. Es war bisher, soweit ich das beobachten konnte, selbstverständlich, dass österreichische Staatsbürger ihre Meinung frei äußern durften, sofern diese nicht unter das Wiederbetätigungsgesetz fiel, beziehungsweise andere Menschen bedrohte oder diskriminierte.
Es war auch, soweit ich das beobachten konnte und in meiner langjährigen Tätigkeit für die Menschenrechte selbst erleben durfte (es gibt einen dicken Akt über mich, sie werden ihn sicher irgendwo in ihren Archiven finden), selbstverständlich, dass man seine Meinung, wie in der Europäischen Menschenrechtskonvention in Artikel 10 und 11 definiert, sowohl privat wie auch öffentlich kundtun konnte, also verbreiten durfte. Man durfte diese Verbreitung nicht nur ankündigen, man durfte sogar ankündigen, dass man diese Meinung solange öffentlich kundtun würde, bis sich eine Änderung des kritisierten Tatbestandes einstellen würde.
Selbstverständlich kann es in einem Land, das Menschenrechtsverletzungen begeht, durch das Aufzeigen dieser Menschenrechtsverletzungen durch Bürger eines anderen Landes und durch den Protest gegen diese Menschenrechtsverletzungen zu Einbußen im Tourismus kommen. Deshalb muss aber so ein (selbstverständlich friedlicher) Protest in jeder Demokratie erlaubt und möglich sein und es darf auch so ein Protest in einem demokratischen Land nicht mit der absurden Behauptung einer „Nötigung“ strafrechtlich verfolgt werden.
Seit einiger Zeit beobachte ich, wie in Europa ein Lobbyismus um sich greift, der auf EU-Ebene das demokratische Prinzip ad absurdum führt (falls Sie vorhaben, mich wegen dieser Meinungsäußerung anzuklagen, verweise ich auf einige der Reden des EU-Parlamentariers Nigel Farage). Ebenfalls ergibt sich für mich der Eindruck, dass auch in Österreich der Lobbyismus immer weitere Kreise fest in seiner Hand zu halten scheint. Anders ist das, was unter dem Begriff „Tierschützerprozess“ bekannt geworden ist, meiner Ansicht nach nicht zu erklären.
Wie in den Zeitungen zu lesen war, hatte die Justiz völlig unbescholtene Staatsbürger (Mitglieder eines Tierschutzvereins) ohne jeden Beweis einer kriminellen Handlung (ich beziehe mich hier auf die Filmdokumentation über diesen Prozess) ins Gefängnis geworfen, anschließend in der Manier eines totalitären Staates versucht, aus dem Nichts strafbare Handlungen zu konstruieren (ich verweise hier auf die Filmdokumentation über den Prozess, diese Meinung entspringt also nicht meiner Fantasie, sondern ergibt sich zwingend aus der Dokumentation), um diese unbescholtenen Staatsbürger zu zermürben (für diesen Eindruck spricht die lange Untersuchungshaft, obwohl das Gericht längst alle „Beweise“ in Händen hätte halten müssen, war ja sogar eine „Under-Cover“ Agentin im Einsatz), ihre Existenz zu zerstören (dass die Kosten eines derart langen Prozesses einen Durchschnittsverdiener in den finanziellen Ruin treibt, muss nicht näher erklärt werden) und sie an weiteren demokratischen Meinungsäußerungen und Handlungen zu hindern (wer eingesperrt ist, kann nicht mehr politisch tätig sein).
All dies ergibt sich meines Erachtens zwingend sowohl aus den Anklagepunkten wie auch aus der Prozessführung.
Dass im „Tierschützerprozess“ versucht wurde, sogar die Freiheit der Kunst in einer m.E. seit dem Dritten Reich beispiellosen Art zu demontieren, hat mich wirklich zu tiefst erschüttert. Ich berufe mich bei dieser Feststellung wieder auf die Filmdokumentation über diesen Prozess und der dort vorgelesenen Prozessmitschrift:
Einen Künstler vor Gericht ernsthaft zu fragen, ob seine Kunst „aggressiv“ sei, um daraus, also aus der Beschaffenheit seiner Kunst (die Kunst ist in einer Demokratie frei und unantastbar!), eine argumentative Brücke zu kriminellen Handlungen zu schlagen, die in keinem Zusammenhang mit seiner Person stehen (es gab keinen einzigen Beweis), aber um jeden Preis ihm zugeschrieben werden sollen, ist einer Demokratie unwürdig und man findet so ein Vorgehen der Justiz nur in totalitären Regimen.
Sollte in Österreich unter dem schillernden Mantel der Demokratie tatsächlich bereits ein totalitäres System aus Lobbyisten stecken? Das ist keine Feststellung, ich erlaube mir, mich mit dieser Frage an das Gericht zu wenden.
Werden dem Moloch Geld de facto die Bürger- und Menschenrechte untergeordnet (weil die freie Meinungsäußerung ev. zu Umsatzeinbußen bei einem bestimmten Unternehmen führen könnte?) und wird man für seine freie Meinungsäußerung neuerdings gerichtlich verfolgt?
In diesem Fall müssen Sie, sehr geehrter Herr Staatsanwalt, nicht nur die Tierschützer anklagen, sondern ebenso jene, denen neben dem Tierschutz auch der Schutz der Menschenrechte und der demokratischen Staatsformen ein Anliegen ist. Dazu zähle ich mich und in diesem Sinne verstehe ich meine Meinungsäußerung in diesem wie auch im beiliegenden Brief.
Selbstverständlich kann es durch die Weigerung einzelner Konsumenten, in einem bestimmten Geschäft einzukaufen, zu Umsatzeinbußen kommen, das ist aber das normale Risiko jedes Unternehmers: Wenn das Sortiment nicht den Kundenwünschen entspricht, dann bedingt dies in einer freien Marktwirtschaft zwangsläufig Umsatzeinbußen.
Das Argument „Umsatzeinbußen“ jedoch dafür zu missbrauchen, um freie Meinungsäußerung zu kriminalisieren, ist ebenfalls ein Vorgehen, das man in einem totalitären Staat anzutreffen erwarten könnte, niemals aber in einer Demokratie.
Ich bin in einem demokratischen Österreich aufgewachsen und ich will weiter in einem demokratischen Österreich leben. Deshalb werde ich hier und jetzt und auch in Zukunft meine Meinung frei äußern und meine Ansichten auch öffentlich vertreten und verbreiten:
Ich rufe hiermit alle Staatsbürger Österreichs dazu auf, keine Produkte zu kaufen, die aus Tierquälerei entstanden sind. Außerdem rufe ich auch alle Staatsbürger auf, keine genmanipulierten Lebensmittel zu kaufen und/oder zu verzehren. Mir ist bewusst, dass beide Aufrufe zu Umsatzeinbußen in verschiedenen Unternehmen führen können. Des Weiteren rufe ich alles Staatsbürger Österreichs auf, ihren kritischen Verstand zu gebrauchen. Es ist mir bewusst, dass gerade dieser letzte Aufruf in vielen Unternehmen zu Umsatzeinbußen führen kann.
In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort
Verbleibe ich hochachtungsvoll
Alice Berg
Beilage: “Drohbrief” an Kleider Bauer
Bezug nehmend auf die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere Artikel 9, 10 und 11, gebe ich hier meiner Meinung Ausdruck, dass ich Pelzhandel als Tierquälerei ansehe.
Selbstverständlich kann ich, wieder unter Berufung auf die Europäische Menschenrechtskonvention, insb. Artikel 10 und 11, diese, meine Meinung, nicht nur Ihnen, sondern jedem anderen Menschen kundtun, und selbstverständlich liegt es im Ermessen jedes Einzelnen, ob er sich dieser Meinung anschließen möchte oder nicht.
Als Konsument und freier Bürger eines demokratischen Staates ist es meine rechtmäßige und alleinige Entscheidung, in welchen Geschäften und aus welchen Gründen ich einkaufen oder nicht einkaufen möchte.
Auch diese, meine Entscheidung, ist als meine rechtmäßige freie Meinungsäußerung anzusehen und kann von mir ebenfalls ganz nach meinem Ermessen wem immer ich es will mitgeteilt oder nicht mitgeteilt werden.
Es kann sich jeder Einzelne frei entscheiden, ob er sich meiner Meinung anschließt.
In Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, insb. Artikel 11, obliegt es meinem Ermessen, ob ich diese, meine persönliche Meinung, in privatem Rahmen oder im Rahmen einer öffentlichen Versammlung ausspreche.
Auf dieser rechtlichen Grundlage teile ich Ihnen hiermit mit, dass ich den Pelzhandel als Tierquälerei ansehe, und dass ich, sofern sie weiterhin Pelze in Ihrem Sortiment anbieten, von meinem Recht Gebrauch machen werde, bei Ihnen nicht mehr einzukaufen und andere Personen entsprechend öffentlich und privat zu informieren.
Es ist mir natürlich klar, dass dem Unternehmen daraus Umsatzeinbußen entstehen werden, aber das ist das normale Risiko eines Unternehmens, dass es Umsatzeinbußen erleidet, wenn sein Sortiment den Kunden nicht gefällt.
MfG,
Alice Berg
Großes Bravo, ein klares Statement!
Ich habe mich bereits im Jänner an Eybl gewand per Email und als Eybl Kunde kundgetan, dass ich keine weiteren Einkäufe mehr tätigen werde, solange Pelzverbrämungen benutzt werden. Weiters habe ich auch angeführt mein persönliches Umfeld von dieser Tatsache natürlich zu informieren.
Es kam eine Antwort in der zu entnehmen war, dass es Kunden gibt, die auf Pelz stehen und deshalb diese Teile weiterhin verkauft werden. Laut Auskunft werde der Bestand aber verringert und roundtable Gespräche eingeleitet um Kundenbedürfnisse auszuloten und die Thematik gemeinsam zu besprechen.
auf den Punkt gebracht – danke im Namen aller Sprachlosen!
cool! 🙂
Go, Alice, go!