Ich war gerade draußen im Wald in den Bergen. Frische Luft, die Weite der Landschaft, Bewegung, Körpergefühl. Und dann schaue ich auf das Bild oben, ein Mutterschwein während der Schwangerschaft im sogenannten Kastenstand. Die Größe dieser Kastenstände lässt sich im Gesetz ablesen: 65 cm breit und 190 cm lang. Für ein Muttertier von deutlich über 100 kg! Wie im Bild ersichtlich, ist dieser Käfig gerade einmal körpergroß. Das Schwein kann sich nicht einmal umdrehen und keinen einzigen Schritt gehen. Und wenn es sich niederlegen will, dann ist es zwischen den Gitterstäben eingequetscht.
Das alles lässt sich so leicht sagen. Aber was es in Wirklichkeit für das gefangene Tier bedeutet, ist kaum zu fassen. Ich schließe meine Augen. Ein körpergroßer Käfig, die Gitterstäbe sind auf allen Seiten gleichzeitig zu spüren. Keinen einzigen Schritt gehen! Und zwar tagaus tagein, jeden Tag, jede Woche, jedes Monat, das ganze Leben.
Wenn ich das auf mich einwirken lasse, frage ich mich, was es eigentlich Schlimmeres gibt. Was kann einem im Leben widerfahren, das es an Furchtbarkeit mit dieser völlig hoffnungslosen Situation aufnimmt? Nichts, glaube ich. Gar nichts. Dazu kommt, dass uns die Evolution nicht auf so eine Gefangenschaft vorbereitet hat. Wir können mit einem Gewaltakt umgehen, mit dem Verlust ganz enger Partner:innen oder Freund:innen. Aber nie in unserer evolutionären Geschichte waren wir Tiere so eingesperrt. Nie war es von Vorteil, wenn ein Tier mit einer derartigen Situation leichter fertig wird, sodass es diese Voraussetzung an seine Kinder weitergegeben hätte.
Nein, die Ausrede, das seien ja nur Tiere, höre ich mir gar nicht an. Warum sollte ein Schwein weniger leiden, wenn es derart eingesperrt ist? Ein Schwein hat genau dasselbe Bedürfnis nach Bewegung wie ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger.
Bis 2012 war das lebenslange Einsperren der Mutterschweine in solchen Käfigen die Norm, also nicht nur erlaubt, sondern ganz normal und überall verbreitet. Dann trat eine EU-Richtlinie in Kraft, die die Zeit im Kastenstand auf die Hälfte des Lebens reduzierte. Noch immer unendlich grauenvoll: die Hälfte des Lebens, und zwar jeweils Wochen hintereinander, im körpergroßen Käfig eingesperrt! Wir vom VGT wollten das nicht hinnehmen und haben deshalb schon 2011 eine Kampagne für ein Verbot dieser Kastenstände in Österreich durchgeführt. Wir waren bedingt erfolgreich. Einerseits dürfen die Mutterschweine pro Geburtszyklus (etwa 140 Tage) jetzt “nur mehr” 10 Tage um die Befruchtung und “die kritischen Tage” (also etwa 6) um die Geburt im Kastenstand gehalten werden. Andererseits gilt das für jene Betriebe, die dafür umbauen müssen, erst ab 2033! Das sind jedenfalls nur mehr 16 von 140 Tagen im Kastenstand, also 11,4 % des Lebens. Ein gewisser Lichtblick, keine Frage, aber eine zivilisierte Gesellschaft sperrt niemanden in körpergroße Käfige ein, auch nicht für 1 Sekunde.
Erschreckend war, mit was für einer Vehemenz unser Kampagnenziel, den Kastenstand abzuschaffen, bekämpft worden ist. Die findige Tierindustrie erfand für den Kastenstand den Euphemismus “Ferkelschutzkorb”. Also einen körpergroßen Käfig, in dem Muttertiere auf lange Zeit eingesperrt sind, einen Schutzkorb zu nennen, ist schon einmal eine bodenlose Frechheit. Das “Ferkelschutz” kommt daher, dass die Schweineindustrie behauptet hat, nicht eingesperrte Mütter würden ihre Ferkel erdrücken. Selbst der damalige SPÖ-Clubchef Josef Cap hat mir gegenüber diese grauenhaften Kastenstände als “Ferkelschutzkörbe” verteidigt und war strikt gegen jedes Verbot. Und die ÖVP hat natürlich, in guter tierfeindlicher Tradition, blockiert, wo sie nur konnte. Und als sie nicht mehr konnte, weil die Bevölkerung ungeduldig wurde, hat sie sich eine Übergangsfrist von 21 (!) Jahren, also bis 2033, für Neubauten ausbedungen.
Einer der vehementen Gegner unserer Forderung, einer also, der keinerlei Einschränkung dieser Kastenstandhaltung wollte, war ein gewisser ÖVP-Funktionär. Er demonstrierte sogar dagegen, dass die Mutterschweine vor diesen Kastenständen geschützt werden. Und er kam selbst aus einem solchen Betrieb, einer Schweinefabrik, in der die Schweine in Kastenständen gehalten werden.
Wir konnten seine Schweinefabrik vor Kurzem aufdecken. Versteckte Kameras haben über Monate hinweg gefilmt, was in diesem Betrieb vor sich gegangen ist. Die Aufnahmen – mehrere Terabyte von Daten – zeigen u.a. diesen Mann, wie er seine Schweine tritt. Das muss man sich vorstellen! Nicht nur, dass die Tiere im körpergroßen Käfig eingesperrt sind, der Mensch geht an den gefangenen Tieren vorbei, und statt dass ihm das Herz schwer wird, tritt er die Tiere! Tritt er die gefangenen Mütter! Hier ein Bild davon:
Ist diese Brutalität schon erschütternd genug, so übersteigt die folgende Aufdeckung meine Vorstellungskraft. Die monatelangen Aufnahmen zeigen, dass der Betreiber dieser Schweinefabrik die Mutterschweine lebenslang ununterbrochen 24/7 in den Kastenständen hält. Wie zur Steinzeit im Tierschutz, wie vor 2012! Entgegen aller – eh schon so schlechten – Tierschutzbestimmungen!
Mir stockt der Atem, wenn ich mir das Leid dieser Tiere vorstelle. Es sträubt sich alles in mir, diese Vorstellung zuzulassen. Was für ein absolut furchtbares Los! Der Vollspaltenboden ist schon schlimm genug, aber lebenslang im körpergroßen Kastenstand, dieser Gedanke ist wirklich nicht mehr zu ertragen.
Dazu kommt, dass dieser Mann, der also die Mutterschweine 24/7 im Kastenstand hält und sie auch noch einfach so tritt, sich sehr engagiert hat, um das Kastenstandverbot zu verhindern. Er hat den scheußlichen Euphemismus “Ferkelschutzkorb” mitgetragen, um die Öffentlichkeit zu verwirren und das Leid der Muttertiere zu verschleiern. Und was schließlich dem Fass den Boden ausschlägt: “trotzdem” er die Mutterschweine 24/7 in Kastenstände (aka Ferkelschutzkörbe) einsperrt, sterben bei ihm die Ferkel wie am Fließband. Die Mistkübel vor der Tür quellen über mit toten Ferkeln! Er gibt zu, dass 500 (!) Ferkel bei ihm pro Jahr sterben, aber die Dunkelziffer könnte deutlich höher sein.
Heute versuchen wir ein Verbot des Vollspaltenbodens zu erreichen. Auch heute blockiert die ÖVP, blockieren ihre Funktionär:innen, pöbeln uns Betreiber:innen von Schweinefabriken an. Wir wüssten nicht, wie toll der Vollspaltenboden für die Schweine sei. Und man könne ihn nicht abschaffen, sonst wäre die Welt im Zusammenbruch. Jetzt wissen wir, was wir von solchen Typen zu halten haben. Für die sind Schweine einfach Biomaschinen ohne jedes Gefühl.
Die Staatsanwaltschaft hat jedenfalls Ermittlungen gegen den Besitzer der Schweinefabrik eingeleitet. Sie hat auch alle Filmaufnahmen von uns bekommen. Aber wie immer, wenn es um Tiere geht, wird denjenigen, die sie misshandeln, nicht viel passieren, fürchte ich. Ob ich noch erleben darf, dass das einmal anders wird?
Ich finde das auch erschreckend. Ein Mensch der fähig ist, Tiere so leiden zu lassen, ist ein Sadist, oder ein Psychopath. Ein geistig gesunder Mensch kann meiner Meinung nach diesen Anblick nicht ertragen. Würde man solche Menschen auch nur wenige Minuten in derartige Körper große Gefängnisse stecken, würden sie wahrscheinlich Klaustrophobie bekommen und für ihr ganzes Leben gezeichnet sein. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso wir Menschen alle Tiere einsperren wollen. Was ist so schön daran, Gefangene zu betrachten? Denn diese armen Tiere sind Gefangene, die nichts verbrochen haben. Für alle die es nicht kennen, möchte zeigen, wozu Schweine fähig sind. Sie sind lustige Tiere, die auch Spaß haben wollen und sogar mit Freude malen. Auf https://pigcasso.myshopify.com/ sind Bilder zu sehen, die von einem Schwein gemalt wurden und auf https://www.youtube.com/watch?v=1pvwlhEUqFk&t=10s sieht man es, wie es fröhlich und glücklich lebt. Leider gibt es keine Partei, die sich wirklich ernsthaft für Tierschutz einsetzt. Nämlich wirklich in erster Linie, oder nur für den Tierschutz. Gäbe es sie, könnte man vielleicht leichter die derzeit vorhandenen Parteien unter Druck setzen, sich um das Wohl der Tiere zu kümmern. Denn dann könnte man politische Werbung machen und Wähler abspenstig machen. Davor haben die Politiker am meisten Angst. Sie wollen schließlich ihre Pfründe nicht verlieren. Politiker sind dazu da, die Interessen der Gesellschaft zu vertreten und nicht ihre eigene Klientel, die absahnen will. Ich bin davon überzeugt, dass vielen Menschen das Schnitzel im Hals stecken bleibt, wenn sie diese grausamen Bilder sehen. Zum Glück gibt es schon viele Alternativen, weil die Konsumenten mit diesem Horror nicht mitmachen wollen. So serviert z. B. sogar das Restaurant Figlmüller vegane Schnitzel und Burgerking hat sein erstes rein veganes Restaurant in Deutschland eröffnet. Irgendwann wird die Werbung für vegane Speisen zur Antiwerbung für Tierqualspeisen werden.
Lieber Herr Balluch, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Arbeit.
Es muss schwer sein, diese Arbeit weiterhin zu machen, nach all den Jahren, nach alldem, was Sie erlebt haben, dem Verfahren usw. Umso mehr wiegt Ihr Einsatz. Danke.
Ihre Recherche öffnet mir wirklich die Augen, auch wenn es so schwer zu ertragen ist, dass tatsächlich Tiere heute in unserer Gesellschaft so gehalten werden. Vielleicht daher auch der Impuls, möglichst rasch zu verdrängen, weil es für fühlende Menschen kaum auszuhalten ist.
Hoffentlich erreichen diese aufgedeckten Fakten möglichst viele Menschen und bewirken etwas in ihnen.