Ich bin seit jeher total begeistert davon, in Wäldern zu wandern und mit dem Zelt zu übernachten, in denen es auch Bären gibt. 15 Jahre lang bin ich dafür extra in die rumänischen und polnischen Karpaten gereist. Noch heuer will ich es in Slowenien probieren. Dieses Buch hat mich überzeugt.
950 Bären soll es in Slowenien geben, steht in diesem Werk aus dem Frederking & Thaler Verlag, erschienen 2019, von 3 österreichischen Autor_innen, von denen zwei bei mir um die Ecke in der Obersteiermark wohnen. Wenn das stimmt, ist das eine ungeheuerliche Populationsdichte. Slowenien ist gerade einmal so groß wie Niederösterreich, mit ähnlich vielen Einwohner_innen. Eine ähnliche Kultur, ähnliche Bevölkerungsdichte – warum ist das dann bei uns nicht möglich? Die Antwort lautet leider, dass sich die Jägerschaft in Österreich nicht an Gesetze hält und dabei so gut politisch vernetzt ist, dass sie nicht von der Polizei verfolgt wird. Im Jahr 2009 trieb sich der Bär Roẑnik im Stadtpark von Lubljana herum, wurde von den slowenischen Behörden ohne Verletzung vertrieben und wanderte nach Österreich. Innerhalb von 2 Tagen war er tot. Erschossen mutmaßlich von einem Jäger und Fleischhauer, in dessen Auto man seine Haare gefunden hat. Im Jahr 2017 erlitt der Bär Rudolf ein ähnliches Schicksal.
Dabei war um 2000 herum im niederösterreichisch-steirischen Grenzgebiet eine veritable Bärenpopulation vorhanden. 2 Mal ging ein Bär zu Mittag durch das Dorf in meiner Nähe, 1 Mal sah ich einen Bären auf 1200 m bei mir am Hochschwab in einem See schwimmen. 31 Jungtiere sollen bis 2007 hier geboren worden sein, doch alle verschwanden nacheinander – und endeten ausgestopft in den Kellern der Jägerschaft. Eine sehr tragische Geschichte, die der zweiten Ausrottung der Bären in Österreich.
Doch zurück zur Erfolgsgeschichte der Bären in Slowenien. Für Menschen, die sich für unsere mitteleuropäische Bärenpopulation interessieren, ist dieses Buch ein Muss. Ich habe ehrlich noch nie so viele so gute Fotos von wild lebenden Bären gesehen! Großartig, amüsant, imposant – in jedem Fall beeindruckend. Auch die Informationen zu den Bären in diesem Buch sind sehr wertvoll. So lernen wir, dass seit 1966 kein Mensch mehr von einem Bären in Slowenien getötet worden ist. Und wer meint, auch einer sei bereits zu viel, sollte das Interview mit dem Sohn des Opfers lesen, der überhaupt keinen Groll gegen die Bären hegt. Sein Vater ist damals im Winter versehentlich durch die Schneedecke in die Winterhöhle einer Bärin eingebrochen. Unfälle passieren, meint der Sohn, der zu dieser Zeit 9 Jahre alt war.
Interessant ist auch das Faktum, dass diese 950 Bären erstaunlich wenig Schaden anrichten, jedenfalls deutlich weniger, als in Regionen mit viel weniger Bären. Die Begründung: Eine etablierte Bärenpopulation hat sich an ihre Naturregion angepasst und kann sich leicht selbst versorgen. Gleichzeitig sind die Menschen dort auf die Präsenz von Bären eingestellt und schützen ihre Nutztiere und Bienenstöcke. Es ist also möglich, mit so vielen Bären im dicht besiedelten Mitteleuropa zusammen zu leben. Keine Ausrede mehr!
Oja, eine gibt es, und die wird auch im Buch erwähnt. Die Almen! Natürlich gibt es auch in Slowenien welche, allerdings nur im alpinen Teil, wo deutlich weniger Bären leben. Im Süden gibt es nur Waldberge, wie in Österreich im Wienerwald oder zwischen Hochschwab und Ötscher. Und hier werden die Autor_innen verhalten kritisch. Deutliche, klare Worte finden sie dazu nicht, nennen aber die biologische Vielfalt auf Almen eine “gebetsmühlenartig wiederholte” Rechtfertigung. Dann zitieren sie den Biologen Erich Weigand vom Nationalpark Kalkalpen: “Der Ursprung der Artenvielfalt liegt eben nicht in der Kulturlandschaft, sondern rührt vom möglichst wilden, naturbelassenen Umland” her. Und dann sagen sie: “Mit den großen Raubtieren lässt sich vielleicht nicht mehr jede Alm bewirtschaften, aber führt das automatisch in den touristischen Ruin? Oder fürchten wir uns einfach vor so viel wiedererstarkter Wildnis?”
In Slowenien boomt der Bärentourismus. Man kann Fotohütten mieten und auf Fotosafari gehen, oder auch an einer der vielen Futterstellen Bären beobachten. Insgesamt überwiegen die Einnahmen durch Bärentourismus bereits bei weitem die Schäden, die sie anrichten. Aber auch die Jagd ist leider wieder erlaubt. Jährlich werden Quoten von 10-20 % festgelegt. Die Abschüsse verkauft man für gut € 3000 pro Bär an Trophäenjäger_innen aus Deutschland und Österreich. Sofort wird klar, warum bei uns die Bären sterben müssen: die Jägerschaft will sich die € 3000 ersparen!
“Seit vielen Jahren habe ich das große Privileg, in unberührter Natur mit wilden Bären zusammenleben zu dürfen”, so Reno Sommerhalder im Nachwort. “Es gibt keine Worte, die angemessen beschreiben könnten, wie sich das anfühlt. Man muss den regelmäßigen Aufenthalt in der Wildnis selbst erleben”. Genau so ist es.