Als ich heute die Nachricht von Heli Dunglers gestrigem Tod erhielt, musste ich mich entsetzt setzen. Schon wieder ein Tierschützer um die 50 (in seinem Fall: 56), der überraschend stirbt! Zuerst ging Michl Schwestka von uns, der Obmann der Internationalen Vegetarischen Initiative, dann Herta Supper, Birgit Mütherich, Georg Rennert, Hubert Hirscher, Andrea Stanzl, Claudia Cerny, Elisabeth Kleinfercher, Sabine Kückelmann, Julia Wannenmacher und jetzt Heli Dungler.
Heli Dungler war ein echtes Urgestein der modernen Tierschutzbewegung in Österreich. Wir hätten uns schon im Dezember 1984 bei der Besetzung der Hainburger Au treffen können, von der er mir später erzählt hat, dabei gewesen zu sein. Vielleicht haben wir uns auch gesehen, erinnern könnte ich mich nicht. Doch diese Besetzung hat uns beide geprägt und zum Tierschutz geführt. In den späten 1980er Jahren war Heli Dungler ein aus heutiger Sicht radikaler Tierschützer, keine Frage. Daran wollte er später nicht mehr erinnert werden, auch wenn ich das Wort „radikal“ hier überhaupt nicht negativ verwende. Radikal heißt eigentlich an die Wurzeln des Problems gehen, während beim Begriff „militant“ die Anwendung von Gewalt mitschwingt. Gewalttätig war Heli Dungler aber überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Er war immer durch und durch friedfertig und gewaltfrei.
Die Vier Pfoten wurden von ihm 1988 als, meinem Eindruck nach, eine Gruppe „junger Wilder“ im Tierschutz gegründet, die endlich die Aktionsformen des gewaltfreien Zivilen Ungehorsams auch im Tierschutz anwenden wollten. Und es gelang. Nicht nur, dass die Vier Pfoten rasch bekannt wurden, sie konnten auch für die Ausbeutung der Tiere ein breites Bewusstsein schaffen. Da gab es die Besetzung einer Pelzfarm, bei der der Farmer mit dem Gewehr über die Köpfe der Aktivist_innen schoss und einem deutschen TV-Team eine Leuchtrakete verpasste. Und da war die große Aktion in Padubice, in der Tschechoslowakei, wo damals ein sehr brutales Military Hindernisrennen für Pferde stattfand, bei dem regelmäßig einige Tiere verunglückten. Die Aktivist_innen unter Helis Leitung ketteten sich an die Hindernisse und wollten so das Rennen verhindern, doch die Polizei und auch einige Besucher_innen des Events übten unglaubliche Gewalt gegen die Tierschützer_innen aus, sodass das Rennen stattfinden konnte. Sehr viel friedlicher ging es bei einer Blockade der ÖVP-Zentrale in Wien zu, als Heli zusammen mit vielen Aktivist_innen einen Tiertransporter in den Eingang stellte und sich mittels Stahlrohren rundherum kettete. Der Polizei gelang es nicht, diese Blockade zu lösen.
Die Vier Pfoten begannen auch Anfang der 1990er Jahre mit Jagdstörungsaktionen, vor allem bei Treibjagden auf ausgesetzte Zuchtfasane. Ich war damals in England in der Redaktion der Zeitschrift HOWL, die von derartigen Aktionen weltweit berichtete, und wurde regelmäßig aus Österreich mit entsprechenden Storys von Helis Vier Pfoten versorgt.
Ja, bis dann die Vier Pfoten eines Tages so groß wurden, dass sie ihren Aktivismus von einem PR-Management abhängig zu machen begannen. Das war eine Grundsatzentscheidung von Heli Dungler, die den weiteren Weg vorzeichnen sollte. Schluss mit der Zeit der „jungen Wilden“. Es kam zum Umbruch bei den Vier Pfoten, viele Aktivist_innen gingen weg und gründeten eigene Vereine, Heli wollte seinen Verein, den er in eine Stiftung umwandelte, etablieren und den Zug durch die Instanzen antreten. Der VGT dagegen blieb dem Aktivismus und den konfrontativen Kampagnen treu.
Dennoch sind sich die beiden Vereine nicht in die Haare geraten. Warum auch? Heli Dungler war ein vernünftiger und pragmatischer Mensch. Die SOKO Tierschutz sollte in der Tierschutzcausa später feststellen, dass es „im Geheimen“ zwischen den Vier Pfoten und dem VGT eine Zusammenarbeit gegeben hatte, insbesondere bei unserer erfolgreichen gemeinsamen Kampagne für ein Verbot der Haltung von Kaninchen in Käfigen im Jahr 2007. Eine geschickte Strategie: der VGT mit lautem Tamtam auf der Straße, die Vier Pfoten seriös und etabliert im Verhandlungssaal. Sie ging auf. Für Heli Dungler hatte definitiv der Tierschutz die höchste Priorität, weshalb er schon sehr früh zum Vegetarier konvertiert war. Und er half dem VGT Anfang der 2000er Jahre sogar mit vielen Tipps zum Fundraising! Völlig selbstlos, wenn man bedenkt, dass die beiden Vereine denselben Personenpool um Spenden baten.
Aber die Meilensteine von Helis Engagement sind sicher die großen internationalen Projekte für Bären in Europa, Löwen in Südafrika und Orang Utans in Borneo. Da hat er sein ganzes Herzblut hinein gesteckt und wirklich Großartiges erreicht! Die Vier Pfoten sind damit zu einem der großen internationalen Player im Tierschutz geworden – von den kleinen radikalen Anfängen 20 Jahre davor!
Als die Tierschutzcausa über uns hereinbrach, und eine mächtige Clique im Staat praktisch die gesamte Tierschutzszene, allen voran den VGT, kriminalisieren wollte, reagierte Heli solidarisch. Obwohl er – während wir gerade aus der U-Haft kamen – die silberne Ehrennadel der Republik Österreich erhielt, ganz offensichtlich um einen Keil zwischen uns zu treiben und die Braven um Heli Dungler von den Schlimmen um mich zu trennen, half er uns weiterhin, indem er z.B. einen Appell an die Justizministerin unterschrieb, dass sie endlich die Verfolgung von uns einstellen solle. Das rechne ich ihm hoch an. Heli Dungler hatte Rückgrat. Bei all den Würdigungen, die ihm der Staat letztlich zuteil werden ließ, so auch 2013 und 2018, blieb er unbestechlich auf Seiten der Tiere. Ich bin mir sicher, er hätte lieber mehr gesetzliche Fortschritte im Tierschutz gesehen, als solche Ehrungen zu empfangen. Die Politik ist aber leider ein sehr scheinheiliges Metier, in dem man rasch salbungsvolle Worte findet, aber dann für die Schwachen und Ausgebeuteten keine Taten setzt, weil sie Geld kosten und die Wirtschaft beeinträchtigen könnten.
Zwischen dem VGT, dem Wiener Tierschutzverein und Heli Dungler bei den Vier Pfoten blieb die Zusammenarbeit über die Jahrzehnte aufrecht. Bis heute führen die drei Organisationen gemeinsam die Kontrollstelle für artgemäße Nutztierhaltung. Und bei vielen Themen, wie Pelz oder Fiaker, aber auch in der Fair Ferkel Koalition gegen die betäubungslose Kastration, trat man gemeinsam auf. Helis überraschender Tod reißt da eine große Lücke auf. Ich bin mir nicht sicher, wie es jetzt weitergehen wird.
Heli Dungler hat wie kaum ein anderer die moderne Tierschutzbewegung der 1980er Jahre bis heute geprägt. Er hat den Aktivismus mit Zivilem Ungehorsam auch bei Tierschutzthemen eingeführt und das Spiel mit den Medien perfekt zu beherrschen gelernt. Er hat praktisch im Alleingang die Vier Pfoten zu einer Institution gemacht und dabei ist er immer bescheiden im Hintergrund geblieben und hat sich nie laut in Szene gesetzt. Eine Seltenheit in der Politik.
Es mag viele Differenzen zwischen uns gegeben haben, aber den Respekt voreinander haben wir nie verloren. Ich hatte immer die größte Hochachtung vor ihm. Sein Tod beendet 3 Jahrzehnte mehr oder weniger gemeinsamer Tierschutzarbeit.
RIP, lieber Heli.
Lieber Martin, wie du aus Erfahrung weißt, ist die Tierschutzarbeit sehr anstrengend und verursacht enormen Stress. Nach vielen Jahren dieser Tätigkeit sind diese Personen erschöpft und ausgelaugt, was im Fall von Heli Dungler sicher auch zutrifft. Es tut mir außerordentlich leid, und er wird uns, den Tieren und der ganzen Welt fehlen!
Christa Kaufmann
Lieber Martin Balluch,auch du bist ein grossartiger Mensch,hast deine Stimme immer für den Tierschutz eingesetzt!!!
Und die Politiker haben dir nur Steine in den Weg gelegt ,einfach nur respektlos!!!
Bitte mach weiter und alles Gute und pass auf dich auf!!!
Lieber Martin, du hast Recht. Statistisch gesehen, gehen zu viele von uns. Mein Beileid! Marion