19. März 2024

Charlotte Probst, Grande Dame der Tierschutzszene, ist gestorben

Es gibt nur wenige Menschen, die die innere Kraft haben, den Kampf um die Rechte der Tiere über Jahrzehnte hinweg zu führen. Charlotte Probst war eine von ihnen. “Tierschutz ist eine schwierige und traurige Schwerarbeit. Man wird kein froher Mensch, sieht so viel, was Menschen mit Tieren anstellen”, sagte sie einmal. Wie wahr! Doch Charlotte Probst hat durchgehalten, in gewissem Sinn ein Leben lang, jedenfalls seit den 1970er Jahren, bis sie nun am 29. Dezember 2019, wenige Tage vor ihrem 89. Geburtstag, friedlich verstorben ist.

Geboren 1931, wuchs sie in einer kleinbäuerlichen Familie auf, wo auch Tiere getötet wurden. Im Gegensatz zu vielen anderen Kindern, ließ sie sich aber dadurch ihre Tierliebe und ihren Respekt vor den Tieren nicht austreiben. Aufgrund eines Sterbefalls in der Familie durch Pflegeaufgaben gebunden, konnte sie erst mit 35 ihre Ausbildung als Volksschullehrerin abschließen und in die Praxis gehen. Dort machte sie es sich zur Aufgabe, den Kindern den Tierschutz nahe zu bringen. Das sollte später zu ihrer Berufung werden.

Im November 1987 gründete Charlotte Probst den Bundesverband der Tierbefreier in Graz. Im Nachhinein muss ich lächeln. Unsere “Animal Liberation Workshops” hat die SOKO Tierschutz allein aufgrund des Namens als staatsgefährdend eingestuft. Wie wir, verstand Charlotte Probst aber den Begriff “Tierbefreiung” im übertragenen Sinn, als eine Befreiung vom Joch der Unterdrückung durch den Menschen, und nicht als Aufruf zu Straftaten. Dennoch änderte sie im März 2006 sicherheitshalber den Namen ihres Vereins wieder, aber nicht bevor sie schon 1988 einen großen Erfolg eingefahren hatte: das Parlament fügte in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch einen neuen Paragraphen ein, § 285a, dass Tiere keine Sachen sind. Allerdings wird diese so wichtige Feststellung im folgenden Satz relativiert. Letztlich sind Tiere in Österreich seither keine Sachen, die aber wie Sachen behandelt werden. Ein für wache Geister schmerzender Widerspruch, der das Parlament heute aber in keiner Weise motiviert, die logischen Konsequenzen zu ziehen und Tiere aus dem Sachenrecht zu nehmen.

Doch Charlotte Probsts größtes Verdienst im Tierschutz ist sicherlich, das Projekt “Tierschutz im Unterricht” ins Leben gerufen zu haben. Von Anfang an war das ein Schwerpunkt ihres Vereins, der 1990 durch ein jährliches, zweiwöchiges Seminar zur Ausbildung von Pädagog_innen zu Tierschutzlehrer_innen erweitert wurde. In diesem Zusammenhang habe ich Charlotte Probst 1997 persönlich kennen gelernt.

Ich war aus England, wo ich schon Jahre davor in Wochenendworkshops in den Tierschutzunterricht an Schulen eingeführt worden war, nach Österreich zurück gekehrt und wollte auch hier Kindern den Tierschutzgedanken präsentieren. Was lag also näher, als zur Tierschutzlehrerausbildung bei Charlotte Probst an die Pädagogische Hochschule in Graz zu gehen? Zwei Wochen hindurch übten wir Schulvorträge und lernten die Fakten zur Tiernutzung in Österreich kennen. Dann begann ich für den VGT zum Tierschutzunterricht an Schulen zu gehen.

Charlotte Probst lud mich wenig später ein, ihr bei der Ausbildung von Tierschutzlehrer_innen beizustehen, was ich bis zuletzt gerne getan habe. Zwei Tage lang konnte ich jedes Jahr die Teilnehmer_innen über die neuesten Entwicklungen im Tierschutz unterrichten. Da wir ja beim VGT ständig an der Frontlinie dieser Entwicklung standen, war ich dafür prädestiniert. Charlotte Probst bedankte sich dafür, in dem sie mir jedes Mal am Ende meiner Vorträge einen Liter Kürbiskernöl schenkte – was für einen besseren Lohn könnte man sich wünschen!

Berühmt wurden die Webpelzmodeschauen von Charlotte Probst, bei denen auch Kritik an Pelztierfarmen geübt wurde. Ein Kürschner aus Graz nahm daran Anstoß und klagte die Tierschützerin auf Basis von Gesetzen zum Wettbewerb konkurrierender Unternehmen. Weil Charlotte Probst gleichzeitig Webpelze zum Verkauf angeboten und Tierpelz kritisiert hat, wurde das als Antiwerbung gegen einen Mitbewerber interpretiert, und sie verlor diesen Prozess und musste Aussagen wie “Jeder Tierpelz bedeutet Tierqual” zurücknehmen und dem Kürschner die horrende Summe von 500.000 Schilling als Schadenersatz zahlen. Meinem Eindruck nach war das eines der größten Fehlurteile in der langen Geschichte von Gerichtsprozessen zum Tierschutz.

Auch gegen die Jagd engagierte sich Charlotte Probst und war daran beteiligt, dass letztlich der Fallenfang mit Tellereisen in Österreich verboten wurde. Es gab kein Thema bei der Tiernutzung, bei dem sie nicht voll und ganz auf Seiten der Tiere stand.

Finanziert wurde die Tierschutztätigkeit ihres Vereins zumindest zu einem wesentlichen Teil durch ein Kaffeehaus ihres Mannes. Obwohl sie selbst Langzeitvegetarierin und seit vielen Jahren auch Veganerin war, konnten wir sie nicht überzeugen, dieses Lokal auf vegetarische Kost umzustellen. Dafür blieb es die zentrale Geldquelle für den Tierschutzunterricht an den Schulen.

Am 2. Oktober 2006, mit 75 Jahren, gründete Charlotte Probst die Akademie für Tier-Mensch-Beziehungen (man beachte die Reihenfolge im Namen! – sonst wird typischer Weise immer der Mensch als erstes genannt, um seine Höherwertigkeit zu unterstreichen). Dafür konnte sie einige namhafte Wissenschafter gewinnen, u.a. meinen Doktorvater und meinen Zweitbetreuer für meine Dissertation an der Uni Wien in Philosophie zu Tierrechten, Franz Wuketits und Johannes Götschl. Diese Akademie hat nicht nur die Ausbildung der Tierschutzlehrer_innen übernommen, sondern organisiert auch regelmäßig Vortragsreihen zu Tierschutz und Tierrechten.

In den letzten Jahren, im hohen Alter, hat sich Charlotte Probst zunehmend – und schweren Herzens – aus der Tierschutzarbeit zurück gezogen. Wir verdanken ihr viel. Eine soziale Bewegung, die nicht ihrer wesentlichen Protagonist_innen gedenkt, hat keine Geschichte – und keine Zukunft!

4 Gedanken zu “Charlotte Probst, Grande Dame der Tierschutzszene, ist gestorben

  1. Zutiefst betroffen erfahre ich erst jetzt, daß die von mir sehr verehrte Charlotte nicht mehr unter uns ist. Ich bin erschüttert. Hatte ic h doch innerhalb meines Seminares (1999) bei ihr eine besondere Beziehung zu ihr. Wir werden uns wiedersehen – bis dahin habe ich Dich im Herzen.

  2. Charlotte Probst war eine Pionierin auf ihrem Gebiet. Leider ist ihr Anliegen bisher nur bei wenigen Schulverwaltungen auf fruchtbaren Boden gestoßen.

  3. Vielen Dank für diesen schönen Nachruf.
    Was für eine tolle Pionierin Charlotte Probst war.
    “Eine soziale Bewegung, die nicht ihrer wesentlichen Protagonist_innen gedenkt, hat keine Geschichte – und keine Zukunft!”

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