Heute ist der 24. Dezember, und ich habe trotzdem nur Tierschutzpolitik im Kopf. Naja, nach dieser so langen und intensiven Kampagne für ein Kastenstandverbot brauche ich einige Zeit, um wieder „runter zu kommen“. Vor wenigen Tagen habe ich noch damit gerechnet, über die Feiertage voll weiter Aktionen organisieren und durchführen zu müssen, wäre alles nach Plan gegangen, säße ich gerade in einem Büro eines Politikers und würde es besetzen. So aber ist der Weihnachtsfrieden eingekehrt – nur mein hoher Adrenalinspiegel muss sich erst beruhigen.
Vor wenigen Tagen kam ein neues Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs heraus (G 74/11-10, V 63/11-10, 1. Dezember 2011). Es geht dabei um unser Wildtierverbot im Zirkus, das wir 2002 erkämpft haben und das 2005 in Kraft getreten ist. Das ist ein sehr umfassendes Verbot, es schließt alle Tiere aus der Nutzung in einem Zirkus aus, die keine Nutztiere oder Haustiere sind. Bis auf Pferde und Kamele sind davon im Wesentlichen alle traditionellen Zirkustiere betroffen, d.h. vor Missbrauch geschützt. Mit diesem Verbot beschritten wir in Österreich Neuland, wir waren die weltweit ersten. Unsere Nachbarländer wie z.B. die Schweiz und Deutschland haben noch immer Löwen, Tiger, Bären und Elefanten in Zirkussen, ohne Aussicht auf eine Änderung.
Und genau um diese Präzedenzwirkung zu verhindern hat die internationale Zirkusassoziation mit allem Nachdruck versucht, unser Wildtierverbot zu kippen. Man rief den für die Dienstleistungsfreiheit zuständigen EU-Kommissar an und dieser begann tatsächlich ein Verfahren gegen Österreich einzuleiten. Er war der Ansicht, ein volles Verbot ginge zu weit, man könne vielleicht bessere Haltungsbedingungen vorschreiben, aber nicht die Dienstleistungsfreiheit als eine der vier Grundsäulen der EU so stark einschränken.
Das erleben wir immer wieder im Tierschutz, ein Verbot zu erreichen ist noch nicht einmal die halbe Miete. Danach müssen wir sicherstellen, dass es kontrolliert und umgesetzt wird, und dann kommt meistens noch eine höchstgerichtliche Klage gegen das Gesetz, weil es angeblich die menschlichen Freiheiten und Rechte zu weit einschränke, und diese gingen schließlich vor.
Das Verfahren des EU-Kommissars konnten wir durch eine von uns geführte internationale Kampagne abfangen, wir hatten eine Kampagnenwebseite in 27 Sprachen und mobilisierten 10.000e Menschen aus allen EU-Ländern. Dann gab es einen zweiten Versuch auf EU-Ebene, das österreichische Wildtierverbot zu beseitigen, diesmal via EU-Ombudsmann. Doch auch diesen Angriff konnten wir parieren. Und jetzt kam der dritte Versuch.
Mitte 2011 diskutierte das englische Parlament ein analoges Wildtierverbot im Zirkus wie in Österreich. Man wollte aber vor der Entscheidung wissen, ob das österreichische Verbot in Gefahr ist, von Höchstgerichten verworfen zu werden, und fragte dazu bei der internationalen Zirkusassoziation an. Diese war daraufhin so alarmiert, dass sie noch einen dritten und letzten Versuch startete, unser Verbot auszuhebeln. Der deutsche Zirkus Krone behauptete, er wolle mit seinen Wildtieren nach Österreich hinein und könne das aber nicht. Dadurch seien seine Rechte nach Artikeln 5, 6, und 7 Staatsgrundgesetz von 1867 verletzt. Deshalb müsse das Verbot aufgehoben werden.
Wie in solchen Verfahren üblich musste der Verfassungsgerichtshof eine Abwägung treffen. Wie wichtig ist das Interesse der Gesellschaft an Tierschutz, könnte dieses Interesse durch eine abgeschwächte Form des Verbots auch befriedigt werden und wie sehr wird im Vergleich dazu in die Rechte des Tierzirkus eingegriffen? Als Antwort dazu fand der Verfassungsgerichtshof erstaunlich deutliche Worte. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sei ein großer Wertewandel im Tierschutz eingetreten, es sei daher durchaus vertretbar auch althergebrachte Traditionen vollständig zu verbieten, die früher vollkommen sozialadäquat waren, aber heute als tierquälerisch gesehen werden. Näheres zum Erkenntnis findet man hier:
https://vgt.at/presse/news/2011/news20111222m_1.php
Dieses Erkenntnis ist von zentraler Bedeutung und gliedert sich in eine bereits bestehende Reihe solcher Erkenntnisse ein (Verbot von Hunden und Katzen in Zoohandlungen VfSlg. 17.731/2005 und Verbot von elektrischen Dressurgeräten für Jagdhunde VfSlg. 18.150/2007), die eine Richtung vorgeben. Was auch immer die Tierschutz- und Tierrechtsbewegung in den letzten Jahrzehnten konkret erreicht oder nicht erreicht hat, eines ist ihr gelungen: Tierschutz in einer zentralen Weise im Wertespektrum der Gesellschaft zu etablieren und das bisherige Mensch-Tier Verhältnis als eines zwischen Eigentümer und Eigentum in Frage zu stellen. Seit 1988 sind Tiere keine Sachen mehr in Österreich (§285a ABGB, wenn auch bislang ohne praktische Konsequenzen). Seit damals hat sich aber noch viel mehr getan. Martin Luther King hat auf die Frage, was die wichtigsten drei Tätigkeiten einer sozialen Bewegung sind, geantwortet, es ist am wichtigsten, dass möglichst viele Menschen überhaupt aktiv sind, weniger konkret auf welche Weise und wofür. Diese Einsicht findet hier ihre Bestätigung. Es ist die Aufgabe der Tierschutzbewegung als sozialer Bewegung permanent Tierschutzprobleme zu thematisieren und das althergebrachte Missverhältnis in Frage zu stellen. Je breiter das gelingt, desto wichtiger wird Tierschutz als Wert, desto mehr Menschen richten ihr Wahlverhalten nach Tierschutzthemen aus, desto weiter darf das Tierschutzrecht die menschlichen Rechte auf Tiernutzung einschränken und desto früher wird sich ein neues Mensch-Tier Verhältnis etablieren, das auch nichtmenschlichen Tieren eine Befreiung von ihrem Sklavendasein bringt.
Dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ist daher ein wichtiger Meilenstein und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind!
Vielen Dank für diesen unermüdlichen und beispielslosen Einsatz für den Tierschutz!
Auch ich möchte mich bedanken – ich könnte das bei euch jeden Tag machen und es wär net zuviel 😉
Danke für den Einsatz und die Bemühungen unsere Welt für alle (!!!) immer ein Stückchen besser zu machen!
Danke und weiterhin alles Gute!!
ich kann es nachempfinden dass du auch am 24.12 nicht abschalten kannst und willst.
Albert Schweitzer hat es auf den punkt gebracht:
“Wer in den Abgrund von Qual, welche die Menschen über die Tiere bringen, hineingeblickt hat, der sieht kein Licht mehr; es liegt wie ein Schatten über allem, und er kann sich nicht mehr unbefangen freuen.”
ich kann nur sagen RESPEKT für deinen einsatz!
ich kann meiner bewunderung und dankbarkeit für deinen und euren einsatz nicht genug ausdruck verleihen!
mach weiter so!
lg Susi
Diese Entscheidung des VfGH ist Balsam auf der Seele. Es wäre ein Drama gewesen wenn dieser hart erkämpfte Erfolg wieder gekippt worden wäre.
Lieber Martin, lieber Kucksi,
auch von mir danke für euren unermüdlichen Einsatz für die Tiere und wunderschöne Weihnachtsfeiertage! Ich hoffe euer Christkind war brav! 🙂 Aber immerhin hat es ja ein Kastenstandverbot, eine Bestätigung des Wildtierverbotes und – wie mir geflüstert wurde btw. ein gänsestopfleberfreies Amazon gebracht. Also feiert schön, ihr zwei!
lieber martin balluch und mitstreiter für das wohl von menschlichen und nichtmenschlichen tieren:
ich danke Euch für Euren unermüdlichen einsatz, gratuliere zu allem gegen ungeheure widerstände erreichtem und wünsche Euch friedliche Feiertage und einen schönen übergang ins Neue jahr!