Mit meinem Studium an der Uni Wien habe ich auch mit der Organisation von Veranstaltungen und Seminaren zu Ethik und Politik, mit besonderem Bezug zur Tierethik, die damals ökologische Ethik hieß, begonnen. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Diskussion. Ein Kommilitone von mir verkündete dort voller Überzeugung, dass er jede rationale Ethik ablehne. Gut könne nur eine religiöse Ethik sein, die echte Werte liefere, während eine rationale Ethik immer nur den Egoismus fördere.
Damals wie heute bin ich über diese Ansicht erstaunt. Eine rationale Ethik ist genau das Gegenteil von egoistisch. Mein willkürliches, subjektives, egoistisches Wertesystem einfach umzusetzen ist gerade nicht rational. Für eine rationale Ethik muss ich Begründungen liefern. Und diese Begründungen müssen die Form eines sogenannten Syllogismus haben, nach aristotelischer Logik:
Prämisse 1: Ich stelle fest, dass Wesen W1 die Eigenschaft A hat.
Prämisse 2: Ich postuliere, dass die Eigenschaft A den Wert B liefert.
Konklusion: Wesen W1 hat den Wert B.
Dieses so scheinbar simple Konzept hat zahlreiche Implikationen von großer Tragweite. Da ist zunächst das unmittelbar daraus folgende Prinzip der Universalisierbarkeit. Die Rationalität zwingt mich dazu, allen Wesen W, die die Eigenschaft A haben, den Wert B zu geben. Egoistisch wäre zu sagen, ich habe Eigenschaft A und bin deshalb wichtiger als andere. Will ich rational sein, muss ich diese Wichtigkeit auch auf alle andern Wesen ausweiten, die die gleiche Eigenschaft haben.
Ein Beispiel: Ich postuliere, dass wer einen Doktortitel hat, mehr Geld verdienen soll, weil seine/ihre Arbeit mehr wert ist. Ich stelle fest, dass ich einen Doktortitel habe und fordere daher ein höheres Gehalt. Die rationale Ethik zwingt mich jetzt dazu, auch für alle anderen, die Doktortitel haben, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Egoistisch wäre, sie nur für mich zu fordern, rational ist, sie für alle zu fordern.
Eine zweite wesentliche Komponente einer rationalen Ethik ist ihre logische Konsistenz. Ein logisches System erlaubt keinen Widerspruch, weil sich zeigen lässt, dass unter der Annahme eines Widerspruchs alles beweisbar wird. Eine rationale Ethik muss also widerspruchsfrei bleiben.
Drittens zwingt mich die rationale Ethik dazu, Werte durch obige Syllogismen zu begründen. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass ich keine Wertedifferenz annehmen darf, wenn ich dafür keinen Unterschied in gewissen Eigenschaften angeben kann. Wenn ich also von 2 Wesen oder Entitäten zunächst einmal gar nichts weiß, dann kann ich nicht das eine höher als das andere bewerten. Im Falle unseres Beispiels der Doktortitel, darf ich die beiden, ohne zu wissen, ob sie sich in Sachen Doktortiteln unterscheiden, nicht ungleich behandeln. Eine ungleiche Behandlung muss also zumindest auf faktisch nachweisbaren Unterschieden beruhen.
Darüber hinaus muss man mit Rationalität weitere Anforderungen verbinden. Eine davon ist, dass die Begründungen für Werte einen inhaltlichen Zusammenhang haben müssen. So ist der naturalistische Fehlschluss vom Sein zum Sollen irrational, weil es sich dabei um verschiedene logische Kategorien handelt. Mein Lieblingsbeispiel: Die Begründung, es sei ethisch richtig, wenn der Mensch Fleisch isst, weil es für Menschen natürlich wäre, Fleisch zu essen, ist irrational. Und zur Rationalität gehört schließlich auch, sich im Faktischen nur auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu beziehen. Mit diesen Annahmen folgt, wie ich argumentiert habe, https://martinballuch.com/?p=2150, der ethische Imperativ, prima facie die Autonomie aller Lebewesen mit Bewusstsein zu respektieren.
Der große Vorteil einer rationalen Ethik ist ihre universale Anwendbarkeit, weil das Subjekt ja austauschbar wird. Man erkennt bei einer rationalen Ethik auch, wie die essenziellen Aspekte der Ethik begründet werden und kann sie daher auch leichter kritisieren. Nur auf Basis einer rationalen Ethik ist überhaupt eine ethische Diskussion möglich. Nicht umsonst ist daher der Anspruch bei Gerichtsverfahren – der praktischen Umsetzung einer Gesellschaftsethik – den Regeln des logischen Schließens zu folgen und nur wissenschaftliche Erkenntnisse als Begründungsgrundlage der Urteile zuzulassen.
ps
was ich noch Wichtiges vergessen habe zu sagen: er selbst ruft zur zivilen Ungehorsamkeit auf, weil sie ein Buch darüber geschrieben haben, dass die Demokratie ohne solche NGOs nicht überleben könnte. Auf die Frage ob der Dalai Lama zivilungehorsam ist, konnte er mir keine Antwort geben. Oder Atomwaffengegner wie Albert Einstein und Bertrand Russel. So, jetzt ist aber Schluss
@Balluch
Hallo Herr Balluch
ok jetzt mal ganz Klartext.
ja, ich erkenne das als eine Peinlichkeit mehr in meinem Leben an und will mich da auch nicht rausreden. Mit einem Astrophysiker und Philosophen legt man sich als halb Laie, oder vielleicht nicht mal das, nicht an, sonst kommt eben sowas heraus. Ich habe in der tat Schwierigkeiten logische Texte zu verstehen und mache trotzdem manchmal den Mund zu weit auf. Ich war heute an der Uni, Philosophie (Einführung in die theoretische Philosophie), und wir haben den Aristotelischen Sylogismus durchgemacht, wo mir bewusst wurde, dass man sich aus Laienbüchern nur ein sehr oberflächliches Bild machen kann, was eben manchmal nicht für Diskussionen ausreicht.
Es tut mir leid, ich war zu impulsiv und unwissend, aber wie Sie es so schön nannten “abenteuerlich” bin ich alle mal. Deshalb bin ich auch Vielen so sympathisch.
Und zum zweiten Punkt muss ich Ihnen auch Recht geben. Soviel Ehrlichkeit muss schon sein, wenn man bei der Wahrheit bleiben will.
Meine Probleme mit dem VGT sind wirklich anderer Natur. Um ehrlich zu sein vorfolge ich Ihren Blog gar nicht. Ich bin nur darauf gestossen weil ein Freund von mir Sie vergöttert, und weil ich eben auch Bemühungen zeige Vegan zu leben und mich für Philosophie interessiere, meinte er, dass es mich interessieren würde. Er hat mir 3 Ihrer Blogeingeträge in Facebook auf die Wand gespostet, wo ich mir eben diesen rausgepickt habe. Mein genaues Problem ist jetzt eigentlich, das mein Freund wirklich ein Balluchfanatiker ist. Und er selbst wird dann fanatisch was Diskussionen anbelangt. Er ist zwar sehr kritisch und intelligent, aber in seinem Wunsch eben eine “rationale Tierethik” zu entwickeln, oder besser gesagt, seinen Veganismus wissenschaftlich zu untermauern und begründen, kommt ein grosser “abenteuerlicher” Radikalismus dabei raus. Er ist übrigens Physiker und kein Philosoph. Über Evolutionsargumente und Steinzeitmenschen hin zum errechneten Bedarf an Nahrung über “der Mensch sollte von Natur aus nur Früchte essen”, Blutchemie und Vitamine schlucken usw. sind wirklich viele “abenteuerliche” Sachen dabei die schon fast etwas von der Vernunft abgewichen sind.
Sie sind sein “Vorbild”, und obwohl diskutieren mit ihm immer schon schwierig war, seitdem er sie entdeckt hat, ist er auch der Meinung jeden und alles Überzeugen zu müssen das Vegan die einzige Ernährung sein sollte. Was mich an seinem “Radikalismus” so stört ist, dass der freie Wille der anderen Menschen dabei nicht respektiert wird. Gut, ist jetzt eine andere Frage ob der freie Wille jetzt Tiermord, -haltung, -züchtung etc. rechtfertigt, aber eine gewisse Toleranz muss doch gegeben sein, zwingen kann mich doch keiner oder ist Veganismus wirklich so anti-alles? Wie sehen Sie das mit dem freien Willen?
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube das Sie Menschen gut begeistern können, und manche sogar zuviel!
Das war jetzt nicht alles was ich sagen könnte, aber da dieses Statement am Thema vorbei geht will ich es nicht noch mehr in die Länge ziehen. Ich hoffe Sie nehmen meine Entschuldigung an und verstehen wieso ich eine gewisse Abneigung gegen den VGT habe (weil ich diesen eben nur durch meinen guten und geehrten, aber leider etwas radikalen, Freund kennengelernt habe). Ich hoff er leist das nicht hehe 🙂
MfG
Nein, Adriano, ich denke, hier liegt kein Widerspruch vor. Allenfalls um diese (tatsächlich fiktiven) Gesetze aufzufinden, zu erforschen und erläutern – so wie man Vorgänge in der Natur erforscht, und anschließend kleinen Kindern oder auch mir den Blitz und Donner erklären muss – würden weiterhin JuristInnen gebraucht, aber wenn das einmal geschehen ist, könnten sie einpacken und sich einen anderen Beruf suchen. Um ein übervereinfachendes Beispiel zu wählen: Tutenchamum musste man ja auch nur einmal ausbuddeln, und nun ist er da. Man kann ihn weiter zwar weiter erforschen, aber man muss ihn nicht neu oder nochmal finden. Ebenso wenig wie irgendeine mathematische Formel, die schon da ist. So wäre es auch mit der rationalen Ethik, wenn es sie gäbe.
Und um den derart vorfindlichen und vorgestellten Gesetzen einer rationalen Ethik Geltung zu verschaffen, bräuchte es zusätzlich lediglich die Exekutive. Eben weil Menschen irrational sind und auch das Gute, das sie wissen, nicht tun (das wußte schon Luther – und deshalb sind so viele Menschen wider besseres Wissen immer noch omnivor).
Die tatsächliche Aufgabe der JuristInnen in der realen Welt ist es jedoch gerade, Gesetze aufzustellen und zu begründen, eben weil es keine rationale Ethik gibt, aus der sie ganz von selbst hervorgehen und wie Ostereier im Gras darauf warten entdeckt zu werden. Ich denke, darin würden ihr auch andere Juristen oder ernsthafte Philosophen zustimmen.
Dein vermeintlicher Widerspruch entsteht durch einen Lesefehler: Wenn es eine solche rationale Ethik gäbe, die irgendwo im Weltall herumfliegt, dann müßte man die sich aus ihr entstehenden Gesetze ja gerade nicht begründen, dann wären sie einfach da und ergäben sich von selbst, und jeder wüßte, was er zu tun hat, was gut und böse ist und warum, und es bräuchte nur eine Exekutive, um die Devianz einzuschränken!
Und nein, natürlich gibt es keine rationale Begründung dafür, warum ein Mann mehr, weniger oder ebenso viel wie eine Frau wert sein soll, oder ein Mensch mehr als ein Tier, oder warum ein Mensch einen anderen nicht versklaven soll. Auf dem Boden der fiktiven „rationalen“ Ethik kann ich nur so argumentieren, dass es für die Frage nach dem Wert keinen Maßstab gibt, und solange ich nicht weiß, ob der Rhesusaffe nicht doch am Ende mehr wert ist als mein Töchterchen, ich auch keinen Tierexperiment am Rhesusaffen zustimmen darf, wenn ich nicht gleichfalls mein Töchterchen dafür preisgäbe, weil es ja nicht auszuschließen ist, dass menschliches und nichtmenschliches Leben gleichviel wert ist, oder letzteres sogar mehr. So einfach ist das. Für das konkrete Handeln ende ich damit beim gleichen Ratschluss wie der werte Herr Administrator, nur konstruiere ich daraus keine rationale Ethik oder irgendwelche freifliegenden Werte, weil es die nicht gibt.
«Ihr Fazit: wenn es eine solche rationale Ethik gäbe, wäre ihr Berufsstand von Anfang an überflüssig gewesen! Dann müßte man sich nicht bemühen, Gesetze zu formulieren und zu begründen (und an die sich verändernden Gegebenheiten anzupassen; siehe zB Veränderungen in der Aufassung der Rechtsstellung von Sklave, Frau oder Tier).»
Julia, liegt hier nicht ein Selbstwiderspruch vor?
Erstens wäre ihr Berufsstand insofern nicht überflüssig, als man der rationalen Ethik ja in der Praxis zum Durchbruch verhelfen muss (das geschieht nicht automatisch, denn Menschen sind meist sehr irrational – s. http://giordano-bruno-stiftung.ch/rationalitaet/, und für die Anwendung auf die Ethik: http://giordano-bruno-stiftung.ch/ethik-politik/).
Und zweitens – hier der Selbstwiderspruch – wäre es unmöglich, ein Gesetz zu *begründen*, wenn es nicht rational stichhaltige und (im Gegensatz dazu) irrationale, also unzulässige “Begründungen” gäbe. Und die stichhaltigen Begründungen von Gesetzen werden zusammen nichts anderes darstellen als eben die rationale Ethik!
Wer dies ablehnt, muss z.B. anerkennen, dass es etwa zur Frage nach der Rechtsstellung von “Sklaven”, Frauen oder nicht-menschlichen Tieren keine vernünftigen und unvernünftigen Antworten/Begründungen gibt und daher auch prinzipiell keinen Fortschritt geben kann. Es gibt dann einfach unterschiedliche Formen der Behandlung z.B. von Tieren – aber keine kann mit vernünftiger Begründung als besser als irgendeine andere erwiesen werden. Ist das deine Position?
Heute plauderte ich mit einer Juristin, die im Codex Hammurabi las, und ich fragte sie erstaunt,, ob sie etwa auch Rechtsgeschichte betreibe?, oder warum sich eine Juristin von heute mit einem Gesetzeswerk von vor 2700 Jahren befaßt? Und sie lachte und meinte, nein, sie befasse sich nicht mit Rechtsgeschichte, sondern mit aktuellem EU-Recht. Da sei der Codex Hammurabi durchaus wichtig, denn er verfolge einen ähnlichen Zweck wie das übergeordnete EU-Recht und habe außerordentlich lange Bestand und Geltung gehabt – vermutlich weit länger als das vom EU-Recht der Fall sein werde. Im Prolog werde interessanterweise auf die theologisch-moralische Grundlage verwiesen, die die Rechtmäßigkeit des Gesetzeskorpus begründet. Für das EU-Recht sei es unmöglich, eine vergleichbare, für alle Staaten gültige Begründung zu finden.
Ich fragte sie, was sie denn von einer rationalen Ethik und ihrer Begründbarkeit halte, und sie fing schallend an zu lachen. Ihr Fazit: wenn es eine solche rationale Ethik gäbe, wäre ihr Berufsstand von Anfang an überflüssig gewesen! Dann müßte man sich nicht bemühen, Gesetze zu formulieren und zu begründen (und an die sich verändernden Gegebenheiten anzupassen; siehe zB Veränderungen in der Aufassung der Rechtsstellung von Sklave, Frau oder Tier). Dann würde es genpgen, wenn man diese allgemeingültige Ethik und Rechtssätze ein für allemal aufspürt, aufschreibt und einhält. Und jeder wüßte, was Gut und Böse, Recht und Unrecht ist.
Fein wäre das, meinte sie, als sich wieder eingekriegt hatte und aufhören konnte zu lachen.
Eine schlüssige Begründung, warum es keine allgemein gültige, rationale Ethik geben kann. Mit dem Rechenschieber kommt man da eben nicht weiter, und die Naturwissenschaft scheitert (wie so oft).
(Wenn der geschätzte Administrator mir jetzt Probleme mit meinem Mathelehrer gehabt zu haben bescheinigt, wäre das zwar möglicherweise historisch richtig, trüge aber nichts zur DIskussion meines bzw. des Arguments der Juristin bei!)
@AnonymerAnonym
Hallo,
ich bin echt beeindruckt, was Ihnen alles gelungen ist, aus meinem Text herauszulesen.
Zunächst allerdings: Ihr Beispiel von logischem Syllogismus ist keines. Der logische Schluss ist:
Prämisse 1: es gilt A
Prämisse 2: aus A folgt B
Schluss: es gilt B
Ihr Beispiel entspricht dem nicht. Aber selbst wenn könnte niemand aus “manche Menschen essen Menschen” ableiten, dass alle Menschen das tun sollen. Abenteuerlich, wie Ihnen das gelingt, so etwas zu glauben.
In diesem speziellen Blogeintrag habe ich absolut NICHTS dazu gesagt, was Eigenschaft A oder Wert B sind. Ich wurde überhaupt nicht konkret, sondern habe nur ganz allgemein dafür argumentiert, die Ethik rational anzugehen. Wenn Ihnen das bereits zu radikal ist, beeindruckend!
In anderen Beiträgen, die auch in diesem Eintrag verlinkt sind, argumentiere ich, dass es keine absoluten Werte gibt, sondern alle Werte nur relativ zu einem subjektiven Bezugspunkt sind. Ihnen gelingt es, das als “Wertabsolutismus” zu sehen. Beeindruckend.
Ich will Ihnen ja nichts unterstellen, aber vielleicht würde es sich empfehlen an dieser Stelle zu fragen, warum Sie mit einer derartigen Besessenheit etwas in meinem Text lesen wollen, was überhaupt nicht dort steht. Die Vermutung liegt nahe, dass Sie ganz andere Probleme mit dem VGT haben, und sich das hier nur durch die Hintertür und das Unbewusste wieder hereinschleicht.
Hallo Herr Balluch und Mitleser
Ich verstehe Ihren rationalen Zwang nicht und mir will ihr Induktionsprinzip nicht ganz einleuchten. Eine Ethik mit dem Dreisatz-Sylogismus zu begründen ist mehr als fahrlässig. Was wäre wenn ich folgendes behaupten würde:
P1 “Manche Menschen essen Fleisch”
P2 “Ein Mensch besteht aus Fleisch”
K “Manche Menschen essen Menschen” (Kannibalismus)
Dieses Argument ist gültig, weil es rational ist die Konklusion für wahr zu halten weil die Prämisen wahr sind und weil es empirisch beobachtbar ist. Aber:
Wo ist jetzt hier der rationale Zwang, dass alle (manche) Fleischesser auch Menschenfleisch essen müssen? Wie wollen sie dieses Argument universalisieren und dabei realistisch und rational bleiben?
Sie machen nichts anderes als ihren Wunsch auf Gleichstellung aller Lebewesen zu universalisieren, indem sie in ihren Beispielen die Werte A und B selbst realisieren ohne irgendeinen nötigen und zwingenden Grund. Das sind genauso frei gewählte Werte und Normen die nicht zwingend für alle Menschen Geltung haben. Sie sprechen hier von Wertabsolutismus und vergessen dabei, dass es genauso rational ist vom Wertrelativismus zu sprechen.
Genau deswegen distanziere ich mich vom VGT, weil ihr mit euren selbstgebastelten Theorien immer mehr ins radikale hinein rückt und dabei vergesst dass Wertabsolutismus (Wie ihn die Religionen haben) viel menschenfeindlicher und versklavender ist als der Wertrelativismus.
Zu meiner Person: Ich versuche selbst vegan (oder eher vegetarisch) zu leben und schätze Ihre Bemühungen, allerdings habe ich das Gefühl, dass ihr immer mehr feindlicher und aggressiver vorgeht als, dass es an Anstand und Mass sinnvoll wäre.
MfG
Es erscheint mir ein Problem Ethik zu diskutieren, ohne erkenntnistheoretische Grundlagen zu klären. Das Problem ist ja grundsätzlich in jedem Konstrukt Beliebigkeit, so lange ich keine solide Grundlage dafür finde.
Ich finde in unserem Dasein keinen absoluten Bewertungsmaßstab. (Alles besitzt nur immer in Hinsicht auf irgendweche anderen Dinge unterschiedliche Bedeutungen.) Dem entsprechend kann ich auch keine Werte als grundlegendend, unabhängig, unumstößlich und allgemeinverbindlich anerkennen. Ich kann einfach keine Grundlage für solch eine absolute Bewertung identifizieren. Leider sind unanzweifelbare Grundlagen eben nicht gerade üppig. Daher bin ich inzwischen zu einer wesentlich banaleren Haltung gelangt:
Ich bin noch keinem Lebewesen begegnet, dass nicht versucht hätte es sich möglichst angenehm einzurichten. (Manche finden es angenehmer sich aufzuopfern, da sie sonst ein schlechtes Gewissen hätten. Andere fühlen sich wohler klassisch rücksichtslos egoistisch zu sein, da sie andernfalls Angst haben zu kurz zu kommen. Die meisten bewegen sich irgendwo zwischen diesen Extremen.)
Aus meiner Sicht ist jeder Weg egoistisch. Also eben auch Altruismus. Altruismus kann ich ja nur bevorzugen, wenn ich der Auffassung bin, dass er die “bessere” Wahl ist. Wenn ich mich dann allerdings altruistisch verhalte, dann ist das keine selbstlose Tat mehr, sondern ich entspreche in meinen Handlungen meinen Überzeugungen und befriedige auf diese Weise mein Bedürfnis konsistent mit meinen Wertempfindungen zu handeln. Weil dabei nicht die Realität der Konsequenzen zählt, sondern allein meine Wahrnehmung/Empfindung, fühle ich mich auch wohl anderen zu schaden, so lange ich glauben kann, dass ich ihnen “Gutes” täte. Andererseits kann ich dann auch darunter leiden anderen “Gutes” zu tun, wenn ich den fälschlichen Eindruck habe ihnen mit meinen Aktionen zu schaden.
Da ich niemals eine völlig zuverlässige Erkenntnis über die Welt haben kann, halte ich Konsequenzialismus für eine ebenso unerreichbare Idee wie Altruismus.
Den Vorteil eine rationale Ethik zu versuchen, sehe ich in dem Anspruch sich einer sachlichen Kritik aussetzen zu wollen. Das ist bei einer theologisch begründeten Ethik nicht vorstellbar, da sie nicht mal den Anspruch stellt rational sinnvoll oder ableitbar zu sein. Auch ein gut gemeintes Dogma ist ein Dogma, das nicht hinterfragt oder abgewandelt werden kann.
Das ist wohl einfach eine Frage des sprachlichen Ausdrucks. Wenn man einem “Wesen” einen Wert zuordnet (Was heisst das? Dass es gut ist, dass das Wesen existiert, und dass es schlecht wäre, wenn es nicht existierte? Oder dass es gut ist, dass es weiterexistiert, wenn es existiert? Oder dass es gut ist, wenn die Interessen des Wesens erfüllt sind? Oder wenn es glücklich ist? …), dann könnte man auch sagen: Wir ordnen allen Objekten einen Wert zu, welche die Eigenschaft haben, ein Wesen zu sein, und insofern ist diese Eigenschaft, was Wert hat.
Hallo,
mir erschließt sich nicht, wieso es logischer bzw. rationaler sein sollte, einen Wert einer Eigenschaft zuzuschreiben als direkt einen Wert dem Wesen zuzuordnen!? Schon klar, dass die Universalisierbarkeit dabei verloren geht und die Zuordnung von Werten zu Wesen dann beliebig wird, aber mir scheint die Zuordnung von Werten zu Eigenschaften nicht weniger beliebig.
Grüße
Warum genau ist der Egoismus irrational?
Auch wenn du perfekt altruistisch handelst, verfolgst du ja deine Werte/Ziele – sie haben dann einfach einen altruistischen Gehalt. Die Frage lautet also: Warum sind eigene handlungswirksame Werte/Ziele mit egoistischem Gehalt irrationaler als eigene handlungswirksame Werte/Ziele mit altruistischem Gehalt?
Nicht zuletzt: Wenn der Nicht-Egoismus eine Bedingung rationaler Ethik ist, dann scheint zu folgen, dass Deontologien, die gewisse altruistische Handlungen für “supererogatorisch” halten, irrational sind. Wann immer ich z.B. 100 Euro für Dinge ausgebe, die ich nicht unbedingt brauche, obwohl ich das Geld an Organisationen spenden könnte, die damit nachweislich viel Tierleid verhindern (s. http://www.effectiveanimalactivism.org), handle ich ja egoistisch. Das heisst: Rational folgt ein umfassender Altruismus, der auf eine Form des Utilitarismus hinauszulaufen scheint. Siehe auch: http://giordano-bruno-stiftung.ch/blog/triage-entscheidungsokonomie-im-alltag/ Es gibt keinen rational-ethisch relevanten Unterschied zwischen uns und einem Feldarzt auf einem Schlachtfeld. In beiden Fällen ist es gleichermassen egoistisch und ethisch irrational, plötzlich ein Comicbuch zu lesen, stattt mit maximaler Effizienz zu helfen.