5. November 2024

Wenn die Jäger überschnappen: Es war einmal in der Obersteiermark …

Im Alter von 4 Jahren habe ich meine erste mehrtägige Bergtour unternommen und bin seither immer wieder unterwegs gewesen, im Mittel 100 Tage im Jahr. Natürlich sind mir dabei auch ab und zu narrische Jäger und Jägerinnen begegnet, wie z.B. einer aus dem Gebüsch sprang und herumschrie, ich solle mich nicht wundern, wenn er mich erschieße, statt dem Hirsch, den er gerade schießen will, wenn ich mich um die Uhrzeit hier aufhalte. Es war 15 Uhr und ich saß mit meiner Mutter auf einer Bank an einer Forststraße neben dem Annakreuz. Ich habe auch Jäger dabei erwischt, wie sie Markierungen von Wanderwegen entfernt haben, gefälschte Schilder „Wildschutzgebiet“ aufgestellt haben, oder generell Wanderer mit falschen Behauptungen von Wegeverboten angegangen sind. Aber was ich an diesem Wochenende in der Obersteiermark erlebt habe, schlägt wirklich dem Fass den Boden aus. So verrückt waren sie noch nie.

Ich hatte mich mit einer Gruppe von 5 Personen bei Donnersbachwald in den Niederen Tauern verabredet. Wir wollten ins Gebirge wandern, einmal übernachten und dann wieder absteigen. Kaum hatten wir den Wald auf einer Forststraße betreten, erschien auch schon der erste Jäger in einem SUV. Was wir da machen würden und wohin wir gehen wollen. Also ich finde eine Konversation beim Wandern schon ok, aber wenn mir wer so provokant Löcher in den Bauch fragt, werde ich rasch grantig. „Wir wandern einfach wohin es uns verschlägt“, antwortete ich, „und wohin sind Sie unterwegs?“ Das missfiel ihm, diese Rückfrage. „Ihr werdet schon sehen!“, rief er, und brauste davon.

Kurz darauf erschien er mit einem zweiten Jäger am Beifahrersitz, seinem Jagdherren aus Deutschland. Was wir hier verloren hätten, wurde der Mann unwirscher. Das sei Privatbesitz. Naja, Privatbesitz hin oder her, in Österreich herrscht Wegefreiheit im Wald. Aber warum streiten, die Berge sind groß genug für alle. Wir drehten um und gingen von der Forststraße direkt in den Wald hinein bergan. Man würde doch erwarten, dass die Sache damit erledigt wäre, aber weit gefehlt.

Der SUV fuhr, nun mit insgesamt 3 Jägern beladen, auf der Forststraße um uns herum und blieb über uns stehen. Die 3 kamen durch den Wald direkt auf uns zu. Wir hätten hier nichts verloren, das sei ein Jagdgebiet, wir würden den Privatbesitz nicht respektieren. Drüben würden in einem Gatter Hirsche gezüchtet und die sollten wir nicht verschrecken, bald würde die Jagd beginnen. Abgesehen davon sei es verboten, wild durch den Wald zu gehen, wir müssten sofort auf die Forststraße zurück.

Bei so viel Frechheit platzte mir der Kragen und ich blieb nicht gerade freundlich. Das Forstgesetz kennen diese Jäger wohl nicht. Dort steht im § 33 (1) dass in Österreich „Jedermann“ zu jeder Zeit an jedem Ort den Wald „zu Erholungszwecken“ betreten darf, egal ob Forststraße oder nicht:

Paragraph33Forstgesetz

Die Ausnahmen sind klar geregelt, dazu gehören Aufforstungen mit Bäumen unter 3 m Höhe und das Zelten im Wald. Die drei bestanden noch immer darauf, dass wir umkehren müssten, und abgesehen davon würden wir das Zelten im Wald planen, und das sei verboten. „Wiederschauen“, winkte ich freundlich, und wir gingen einfach weiter. Die drei blieben hinter uns, fotografierten uns ständig, und meinten wir sollten sofort stehen bleiben. Taten wir aber nicht. Die drei verschwanden schließlich und wir gingen auf der Forststraße weiter.

Nun kamen 4 Jäger im selben Auto angefahren und stiegen aus. Einer behauptete, er sei ein Forstaufseher hier und er wolle unsere Ausweise sehen. Wieder wurden wir aus nächster Nähe gefilmt und fotografiert, man wollte uns nicht weitergehen lassen. Besonders gut achten die dort ja nicht auf ihren Forst.

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Dieses Foto zeigt den Wald direkt in der Nähe der hier beschriebenen Vorfälle. Ein Schildbürgerstreich: der gesamte Berghang wird im Kahlschlag abgeholzt, nur um dann Lawinenverbauungen statt dem Bannwald errichten zu müssen. Am besten aus dem Holz der eben geschlagenen Bäume. Der ganze Wald dort war eine hässliche Fichtenmonokultur. Bei der Zucht von 300 Hirschen bleibt kein Jungwuchs übrig, keine andere Baumart als Fichte kommt auf. Aber Hauptsache der Gast aus Deutschland – einer der Jäger – kann viele kapitale Hirsche schießen! Und dafür müssen alle Wanderer aus dem Wald vertrieben werden.

Ich fragte den guten Forstaufseher, ob er das Forstgesetz kenne. Wir würden eine Verwaltungsübertretung begehen, meinte er. „Welchen Paragraphen?“, fragte ich zurück. Er war schmähstad. Wir gingen weiter, er begann wieder zu schreien, wir müssten uns ausweisen. Er konnte uns aber nicht sagen, was für ein Gesetz wir übertreten würden.

Ich sagte, wir gingen in das Bergland über der Baumgrenze und dort würden wir zelten. Na mehr brauchst Du nicht, da flippten sie völlig aus. Das sei illegal, verboten, ein schweres Verbrechen. „Hallo, hallo, meine Herren“, antwortete ich sachlich, „in der Steiermark gibt es ein Gesetz für die Wegefreiheit im Bergland, dessen § 3 festlegt, dass das Ödland frei betreten werden darf“:

Paragraph3WegefreiheitÖdlandSteiermark

Nirgends steht dort, dass das Zelten im Ödland verboten ist. Und was nicht verboten ist, das ist erlaubt. Ein juristischer Text zu diesem Gesetz in der Steiermark wird expliziter:

ParagraphWegerechtÖdlandAllgemeinKlein

Danach ist das Zelten im Ödland ganz klar erlaubt. Doch die 4 Jäger wollten davon nichts wissen. Es wurde klar, dass wir so nicht weiter kommen würden, Gesetzestexte sind denen egal, entweder sie kennen sie nicht oder sie leugnen ihre Existenz, um ihre Privatinteressen durchzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie uns bereits 1 1/2 Stunden lang bedrängt und verfolgt. Also mussten wir mehr oder weniger flüchten, einen steilen Hang hinunter und durch ein Moor, sodass sie nicht folgen konnten und auch mit dem Auto nicht nachkamen. Danach haben wir sie nicht mehr gesehen und unsere Wanderung samt wunderschönem Zeltplatz fortgeführt.

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Die Moral von der Geschicht: einschüchtern lassen darf man sich nicht. Wir haben eine Wegefreiheit in Österreich, und die muss man offenbar immer wieder gegen den Willen der Jägerschaft durchsetzen. Ich werde auf jeden Fall Anzeige wegen Nötigung und wegen Amtsmissbrauch erstatten. Es darf nicht toleriert werden, dass Jäger derart mit friedlichen Wanderern umgehen.

12 Gedanken zu “Wenn die Jäger überschnappen: Es war einmal in der Obersteiermark …

  1. Ich hatte gestern 20.8.23 auch eine ähnliche verabscheuungswürdige Begegnung mit einem vermeintlichen berechtigten Wald- u. Schwammerlkontrolleur, Name: Klema Florian, (hatte einen Bikerucksack in dem Eierschwammerl waren). Dieser schrie herum, dass ich in meinem Bundesland (OÖ KfzKennzeichen) bleiben soll. Ich musste meinen “Ertrag” an ihn abgeben. Diese dermaßen überzogene Reaktion ist beschämend u. mit Worten nicht auszudrücken. Ja, das ist auch in Österreich möglich zu erleben.

  2. Servus Martin!

    Ist der Hammer! Bin gerade beim Recherchieren, weil ich kürzlich eine mehr als grantige Waldbesitzerin kennenlernen dürfte.

    Dein Artikel spricht Bände – danke dafür!

    Have fun
    Horst

  3. Hallo Martin,habe dich grad im Fernsehen gesehen. Klasse!! Darf ich fragen,woher du kommst? Habe ich da Liezen,Steiermark verstanden? Würde mich interessieren. Herzliche tierfreundliche Vegane Grüße Nicole plus family

  4. Also ich fänds eigentlich auch ok mal im Wald zu zelten. Ich versteh nicht warum das so tabu ist. Das wär sogar ein wichtiges Erlebnis das in jeder
    Kindheit gemacht gehört. Also ich habs acht als Junger und fands super. Die Angst in der Nacht und die Geräusche.. Das aufeachen in der Natur und dann wieder der Wechsel beim rauskommen in die Zivilisation. Das war super. Wäre bewusstseinsbildend und gehört erlaubt. Gibt eh zu viel Beton im Leben.

  5. Dieser Herr Baron aus Deutschland hat auch gleich einmal alle Schranken von rot-weiß
    auf blau weiß umfärben lassen dann soll er doch in Bayern bleiben

  6. lieber herr balluch,

    wir sind immer wieder erstaunt über ihr ausdauer und mut, weiter gegen diesen tier- und naturverbrecher zu kämfen. wir bewundern sie, dass sie nach so vielen attacken von jägern und politikern, noch so viel energie haben, sich für die armen tiere so stark zu engagieren.

    schade, dass viele menschen SIE nicht als beipiel folgen.
    unsere unterstützung und bewunderung haben sie.

    wir stehen voll hinter ihnen und auf diesem wege wünschen wir ihnen viel erfolg.
    BITTE GEBEN SIE NICHT AUF ohne sie wären die armen tiere hilflos!!!!!

    danke danke

    liebe grüße

    o.hruby, j.saudino

  7. Hallo Martin,
    gut, dass du das öffentlich machst. Die Niederen Tauern dürften ein kritisches Gebiet sein… Wir wurden vor einigen Wochen von einem geschotterten Platz neben der Bundesstraße bei St. Johann am Tauern von drei etwa 18-jährigen Bauernburschen vertrieben, die meinten, eine Tafel mit der Aufschrift “Befristetes forstliches Sperrgebiet” (ohne Befristung und hinter unserem Auto) sei ein Halteverbot und ein Hinweis auf Privatbestitz. Was soll man dazu sagen?
    Es ginge ja auch anders. Ich war heuer eine Woche in Kärnten im Gebiet um die Saualpe unterwegs und wurde dort von mehreren Jägern durchwegs freundlich gefragt, was ich unternehme und genauso freundlich gebeten, bestimmte Wege nicht zu betreten, da dort jemand ansitzt. So stelle ich mir ein gutes Auskommen vor!

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