Sommerliche 15 Grad hat es hier, beim Parkplatz im Tal. Weit und breit kein Schnee zu sehen. Ich schnalle mir die Schi auf den Rucksack und wir wandern los. Da lacht ein junger Mann, der gerade aus einem Auto ausgestiegen ist. Er hat eine kurze Hose an. „Winter gibt’s hier keinen mehr“, meint er, „Die Schi tragen Sie umsonst.“ 20 m weiter eine Gruppe älterer Personen, die mich ebenfalls auslachen. Nur wenig später eine letzte Begegnung mit Menschen, eine Familie mit Kind. „Wo wollen Sie da Schifahren?“, fragt mich der Familienvater mitleidig. Keine 200 m weiter beginnt die durchgehende Schneedecke und ich kann mir die Schi anschnallen.
In den letzten 3 Tagen Anfang Mai 2015 waren wir wieder in den Bergen unterwegs. Mit Schi, wohlgemerkt. Und zum Glück. Ab spätestens 1400 m Höhe wäre ohne kein Weiterkommen, zumindest hier in Ostösterreich. Da oben, wohin wir uns zurück ziehen, herrscht Winter. Noch. Abgefahren bin ich dann sogar bis 1000 m. Der Lawinenwarndienst der Steiermark hat zwar mit diesem Wochenende seine Arbeit für diese Saison beendet, aber trotzdem rutschte vor uns die letzte Lawine des Jahres ins Tal, voller Erde und Schlamm. Hoffentlich bleibt er noch ein bisschen, der Winter. In der Kälte lebe ich auf. Kuksi nicht minder, er legt sich in jedes Schneefleckerl, das wir antreffen.
Zurück im Büro heizt meine Kollegin auch bei 20 Grad Außentemperatur das Zimmer auf. Ihr sei immer kalt, meint sie. Und wenn ich so um mich schaue, repräsentiert sie die Mehrheitsmeinung. Vor einigen Jahren war ich in einem Lappenmuseum in Kilpisjärvi in Finnland. Die Museumsführerin erzählte, dass sie als Kind noch in den 1970er Jahren 6 Monate pro Jahr jeden arktischen Winter bei -50 Grad Celsius als Nomadin im Zelt verbracht hat. Wir sind nicht genetisch verschieden, das müsste jedeR von uns genauso aushalten, letztlich ohne zu frieren. Wie ist das möglich?
Im New Scientist vom 18. April 2015, Seite 32, wird erklärt warum. Neben dem weißen Fett, das unsere Bäuche wabbelig macht, gibt es auch braune und sogar beige Fettzellen mit ganz anderer Funktion. Diese verbrennen Fett, wenn uns kalt ist, und wärmen uns von innen. Doch, ähnlich wie beim Sport, muss der Körper erst auf Trainingsreize hin diese Fähigkeit entwickeln. So, wie Lauftraining uns mehr Kondition bringt, und Krafttraining mehr Muskelmasse, so gibt uns ein wiederholter Kältereiz mehr Kälteresistenz, weil wir mehr braune Fettzellen aktivieren und beige Fettzellen bilden.
Dazu gab es bereits mehrere Experimente, z.B. wurden einige Menschen über längere Zeit hinweg Kälte ausgesetzt. Nach 2 Wochen hörten sie zu frieren auf und hatten sich gewöhnt. Gleichzeitig war ihr Kalorienumsatz höher und sie hatten alle anderen Vorteile von sportlicher Betätigung, wie mehr Fitness, weniger Krankheiten und ein besseres Herz-Kreislaufsystem mit weniger Diabetesrisiko. Die Autorin des New Scientist Artikels meinte als Schlussfolgerung, sie werde in Hinkunft ihre Heizung im Winter nur noch halb so hoch drehen. Ob ich meine Bürokollegin auch überzeugen kann?
Im selben New Scientist, diesmal Seite 30, wird der Kalorienverbrauch abhängig von der Lebensweise analysiert. Nomadische Gesellschaften ohne Zivilisation verbrauchen etwa 5000 Kilokalorien pro Tag und Person, wir im Westen 230.000. Sicher, mit veganer Ernährung lässt sich das reduzieren. Aber auch mit weniger Heizen. Die Erde ist endlich.
Während der Schulzeit habe ich mich jede Früh eiskalt geduscht. Es hat mich einfach erfrischt und meinem Eindruck nach für den Tag gestärkt. Dagegen habe ich heiße Bäder immer schon gehasst. Ich gehe auch mit bloßen Füssen in Sandalen, bis es Minusgrade hat. Und ich war immer schon tagelang im Winter in den Bergen unterwegs. Offenbar wurde dadurch, ohne dass ich davon wusste, mein körpereigenes System brauner und beiger Fettzellen gestärkt. Im New Scientist Test genügte es, immer wieder mit den Händen ins kalte Wasser zu greifen und in 17 Grad kühlen Räumen zu wohnen, um in nur 5 Tagen einen deutlich messbaren Effekt zu erzielen. Eine Option? Sowohl der eigene Körper, als auch die Umwelt, würden es uns danken. Und die kälteresistenteren KollegInnen im Büro ebenso, denen in geheizten Räumen viel zu heiß ist!
PS: Alle Fotos hier stammen von den letzten 3 Tagen.
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-04/klimawandel-globale-erwaermung-bedrohte-arten-sterben
“Jede sechste Spezies wird aussterben, wenn die Emission von Treibhausgasen nicht reduziert und somit die Erderwärmung weiter vorangetrieben wird.”
Dagegen ist die Kleidungsfrage wirklich ein Luxusproblem.
zusätzlich ist die luft viel besser – es riecht nach blüten, die pflanzen werden grün – sie leben auf! es wachsen die früchte und das gemüse. im gras ein schönes picknick machen, radfahren, baden gehen, barfuß im gras, bärlauch, erdbeeren, flieder duftet herrlich, salate in der sonne geniessen, etc. … so viele eindrücke! die fehlen mir im winter alle. da gibt es nur von den autoabgasen geschwängerte kalte luft vor der man sich in mäntel, unter decken, etc. verstecken muss… im winter wächst so gut wie gar nichts, und je länger der winter ist, um so weniger gibt es zu essen. alles lebt auf wenn es warm wird 😉
Das ist wieder mal ein unnötiges Polarisieren zwischen zwei Extremen, lieber Her Balluch 😉
Persönlich bin ich wie Cheetah absolut hitzerverträglich, lebe im heiß-feuchten Klima der Karibik total auf und bin auch hier am glücklichsten, wenn andere über die Hitze stöhnen. Seit ich vegan lebe, überstehe ich allerdings auch kalte Winter ohne Erkältung (ob es Zusammenhänge gibt, sei dahingestellt;), auch wenn ich den ersten Sonnenstrahlen im Frühling am liebsten entgegentanzen würde.
Trotzdem heize ich hier im Winter aus Umweltschutzgründen so wenig es geht und ziehe mir lieber drei Strickjacken übereinander an, bis mir kuschlig warm ist. Mehr als 20 Grad müssen nicht sein, in Schlafzimmern, Küchen, Fluren geht auch weniger.
Aber: Man muss da die persönliche Ebene von der globalen Perspektive trennen. Aus globaler Perspektive ist die Klimaerwärmung ein nicht wegzudiskutierende Tatsache und eine unleugbare Katastrophe mit noch unabsehbaren Folgen für den Planeten und alle seine BewohnerInnen, und jede_r sollte dagegen tun was immer in seiner/ihrer Macht steht. Auch beim Heizverhalten (oder Autofahren, Flugreisen …).
Für die Diskussion halte ich es für wenig zielführend, wenn man allein die Kälte zelebriert und die eigenen Vorlieben absolut setzt. Akzeptieren Sie doch mal, dass die Menschen verschieden sind, und nicht alle die gleichen Vorlieben, Ideale und Wohlfühltemperaturen haben wie Sie, lieber Herr Balluch, und diese mit soviel Recht vertreten wie Sie Ihre …
Ich kenne tatsächlich Menschen (und ich meine damit nicht Sie;)), die barfuß Schnee kehren (Veganer, übrigens), und dabei sagen, der Schnee wärmt so schön. Das ist aber einfach eine Sache des persönlichen Geschmacks und der körperlichen Konstitution und ich hielte es für falsch, daraus eine Lehre zu machen. Ich selbst bin jeden Sommer fitter als jeden Winter, Wärme bekommt mir und ich ertrage sie in jeder Dosis, bei Kälte muss ich sehr darauf achten, nicht krank zu werden. Das kann anderen anders gehen – aber es ist ein Fakt. Mein Körper ist so. Und den kenne ich selbst am besten.
So lange die geschätzte, liebe Kollegin sich brav eine hübsche Strickjacke überstreift und nicht darauf besteht, weiter zu heizen, um im T-Shirt arbeiten zu können, wie es leider viele heute tun, sähe ich auch keinen Anlaß für eine so persönliche Kritik. Ich selbst drehe die Heizung erst dann auf, wenn mir an der Tastatur oder beim Gitarrespielen die Finger zu klamm werden um weiterzumachen. Mit Handschuhen geht weder Schreiben noch Gitarrespielen.
Ansonsten: Es gibt ja auch sehr schöne Strickjacken. Trotzdem freue ich mich wahnsinnig auf den Sommer.
Cheetah! dito! 🙂 freue mich schon, wenn es endlich wieder warm wird 🙂 sommerliche 15C? *lach* da friere ich noch 😉
Danke für diesen beitrag! Bei mir im büro herrscht ebenfalls ein großes heizen, damit man auch im winter kurzärmlig arbeiten kann. Dass ein kurzes gewöhnen an weniger heiße luft nicht nur dem klima gut tun würde, sondern ebenfalls der gesundheit, sollte doch ein starkes argument sein!
Ich finde, das kann man nicht verallgemeinern.Lebewesen sind verschieden – manche mögen Kälte, andere Hitze. Ich spüre z.B. ganz deutlich, wie gut mir Hitze tut, ich fühle mich bei 30Grad aufwärts so richtig wohl. Mir ist es völlig unverständlich, wenn andere Leute über die Hitze stöhnen, schlapp sind, ständig mit Schweißtüchlein herumwischen und eine Unzahl an Ventilatoren und Klimaanlagen brauchen (die ja auch ziemliche Energiefresser sind!).