19. März 2024

Zurück bei den Bisons

„Ihr habt ja keine Ahnung von der Natur!“, sagen die JägerInnen zu den TierschützerInnen. Ob sie schon einmal wochenlang mit dem Zelt abseits von Häusern und Straßen in der Wildnis unterwegs waren? Ich schon. 100 Tage im Jahr. Vor Bär und Wolf und anderen großen Wildtieren könne man sich nur mit dem Gewehr schützen, meinen sie. Ah ja. Dann müsste ich schon lange tot sein.


Die Südkarpaten in Rumänien sind nicht die einsamste Wildnis, zugegeben. Aber dort leben 80 % der europäischen Bärenpopulation. Dort finden wir 2500 Wölfe in einem Gebiet der Größe der Alpen zwischen Wien und Osttirol. Und dort gibt es auch Bisons. 1000 kg Kampfgewicht. Da traut sich der große weiße Jäger nur mit einem großen Schießgewehr hin.

Ich war jetzt wieder einmal einige Wochen mit dem Zelt in den Südkarpaten unterwegs. Endlich wollte ich wieder unter Wölfe, Bären und Luchse. Und Wildschweine. Ja, und Bisons. Unbewaffnet, selbstredend. Und mit dem Zelt. Ich war jetzt schon 8 Mal jeweils wochenlang mit dem Zelt in den Südkarpaten, bin über 20 Mal Bären begegnet, und Wölfen, und jetzt auch wilden Bisons. Und noch nie hat mich eines dieser Tiere bedroht.

Seit 2014 werden im Tarcu-Gebirge in den rumänischen Südkarpaten Bisons ausgewildert. 2015 habe ich sie erstmals besucht. Jetzt war ich wieder dort. Die Auswilderungspaddocks sind leer, alle Tiere sind in der Freiheit.

Die erste Nacht verbrachten wir im Schutz vor dem Regen in einem überdachten Heuhaufen neben dem ehemaligen Gehege. Was, wenn ein Bison kommt? Und schon stand ein Bulle hinter mir. Keine 3 m. Er blieb ganz ruhig, ich auch. Kuksi ließ nur ein unterdrücktes Knurren hören. Langsam wanderte das Bison davon, quer durch den Bach, und verschwand im Wald. Kann man da schlafen, wo ein Bison scheinbar ohne Menschenscheu herumgeht?

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Ja. Abends kam es noch einmal. Dann mitten in der Nacht und wieder um 8 Uhr früh. Gerade, dass es nicht auf mein Kochgeschirr gestiegen ist, das ich zum Trocknen ausgelegt hatte. Vorsichtig ging es 1 m an mir vorbei. Aber das ist wahrscheinlich eher pathologisch, ein Zooeffekt, dass es so überhaupt keine Scheu zeigt. Das Bison war männlich und sicher einige Jahre alt, kein Jungtier. Vielleicht stammte es noch aus einem Zoo und war Menschen gewöhnt.

Später sahen wir noch öfters andere Bisons. Immer verzogen sie sich rasch. Eines Abends, beim Abstieg von einem Berg, hörte ich ein Bison muhen. Ja, richtig so, wie eine Kuh. Mitten im Wald. Im Dämmerlicht konnte ich gerade noch die Konturen des Tieres durch das Blattwerk ausmachen.

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Mein Fazit: Nein, wir brauchen uns nicht zu fürchten. Auch vor Bisons nicht. Einen Respekt müssen wir natürlich haben, und uns unterwürfig verhalten. Das Macho-Gehabe des Speziesismus, der den Menschen als dominante Herrenrasse sieht, legt man lieber ab. Dafür lassen wir die Waffen zu Hause. So ist es viel friedlicher und ungefährlicher. Die JägerInnen haben keine Ahnung von der Wildnis. Wie die TierfabriksbesitzerInnen sich vor ihren Rindern, Schweinen und sogar Hühnern fürchten, so fürchten sich die JägerInnen ohne Waffen vor großen Wildtieren. Wenn man den Tieren aber mit Respekt begegnet und sich unterordnet statt groß herum zu schreien, wenn man sich als kleiner, unbedeutender Teil in die Natur eingliedert, dann fühlt man sich eins mit ihnen und in der Wildnis zu Hause.

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