29. März 2024

Zu Besuch beim VGT-Basher Rindermastbetrieb Salchenegger

Ich bin ja nicht auf Facebook und deshalb entgeht mir das meiste VGT-Bashing der sogenannten “Wutbauern”, wie kürzlich Bobo-Bauernstar Christian Bachler und eben auch Siegfried Salchenegger, beide aus dem oberen Murtal in der Obersteiermark. Das letzte derartige Video von Salchenegger wurde mir gezeigt und dazu gesagt, er würde den VGT auf seinen Hof zum Gespräch laden. Also ich spreche mit (fast) jedem, der dazu bereit ist. Abgesehen davon hat sich das VGT-Bashing auf ein Video bezogen, das gar nicht vom VGT gestammt hat. Ein Grund mehr vom Hochschwab, wo ich wohne, zum Zirbitzkogel zu wechseln. Dort liegt der große Salcheneggerhof seit mindestens der vierten Generation, siehe Bild oben.

Der Zirbitzkogel ist ein beliebter Wanderberg, ich war auch schon mit Tourenschi oben. Siegfried Salchenegger begrüßt mich äußerst freundlich, erklärt aber gleich auf meine Frage, dass er selbst nicht wandere. Wirklich seltsam empfinde ich das, in so einer schönen Gegend zu wohnen, mit so einem tollen Blick bis zu den Karawanken und in die Niederen Tauern, am Fuße des Zirbitzkogels, aber nie zu wandern? Diese Einstellung treffe ich bei Bergbauern und -bäuerinnen erstaunlich oft an.

Doch mein erstes Interesse gilt der Tierhaltung am Salcheneggerhof. Früher war es eine Milchwirtschaft, erklärt mir “Siggi” Siegfried, der mir gleich das Du-Wort anbietet. Sogar eine Biologische. Dann wechselte er zu einer Rindermast mit Mutterkuhhaltung. Aber auch das wurde geändert. Heute sammelt er alle 3 Monate mit Ausnahme des Winters jene wenige Wochen alten Kälber aus Milchbetrieben ein, die ansonsten per Tiertransport auf die lange Reise in den Süden verschickt worden wären. Er lehnt derartige Transporte rundweg ab, sagt er, und hält daher die Reform des Tiertransportgesetzes, die das Mindestalter für diese Transporte von 2 auf lediglich 3 Wochen erhöht, für bei weitem nicht ausreichend. Oho, denke ich mir, wir haben mehr gemeinsam, als anfänglich gedacht. Die ganz neu erstandenen Kälber zeigte er mir gleich. Sie konnten auf eine Wiese und in den Stall auf Stroh:

Am Hof waren zum Zeitpunkt meines Besuchs 69 Mastrinder verschiedenen Alters, die meisten kastrierte männliche Tiere aus Milchbetrieben, also Ochsen, und einige wenige weibliche. Sie werden 24 Monate lang gemästet, bevor es zum lokalen Schlachthof geht. Den Rindern steht ein Laufstall mit Tretmistsystem zur Verfügung. Dabei liegt das Stroh auf einer Schräge und der Kot wird langsam nach unten auf den Gang getreten, wo man ihn leicht entfernen kann, während man oben nachstreut. Das Ganze sieht so aus:

Die Tiere können das ganze Jahr über auf einen Vorhof ins Freie. In der wärmeren Jahreszeit, die hier auf 1100 m Höhe dennoch lange dauert, weil der Hof der Sonne zugewandt ist und südlich des Zentralalpenhauptkamms liegt, stehen ihnen wirklich große Weideflächen zu. Das Bild ganz oben zeigt die höhergelegene Alm rechts über dem Betrieb, neben dem Hof selbst standen einige der Tiere auf dieser Weide:

Erst wenn man genau hinschaut, sieht man die Rinder neben dem Stallgebäude und dem alten Bauernhof. Unterm Strich eine sehr gute Mastrinderhaltung, vielleicht mit der Kritik, dass die Kälber früh von der Mutter getrennt werden. Allerdings ist das nicht Siggis Schuld, wenn man so will, weil diese Trennung auf den Milchbetrieben der Umgebung passiert. Er sammelt nur die Kälber ein, um sie zu mästen. Im Übrigen auch mit Getreide, das am Hof geerntet wird.

Über die Einschätzung zur industrialisierten Tierhaltung waren wir uns einig. Auch er lehnt den Vollspaltenboden in der Schweinehaltung ab. Doch die Tierhaltung ist nur ein kleiner Teil des Salchenegger Betriebs. Immerhin gehören 137 ha dazu, davon 80 ha Wald und neben den Weiden auch Ackerflächen. Den Wald würde er nicht bewirtschaften, weil er das nicht notwendig habe, sagt Siggi. Dennoch werden jedes Jahr einige Stämme für den Eigenbedarf geschlagen. Soweit ich gesehen habe, ist der Wald im Wesentlichen eine Fichtenmonokultur. Das sei schon vor ihm so gewesen, erklärte mir Siggi, und als natürlichen Jungwuchs würden sich wieder nur Fichten einstellen, weil hier überall Fichten stehen und die sich eben vermehren. Auf meine Frage, ob er nicht aktiv z.B. Tannen pflanzen könnte, meinte er, die würden bei ihm erfrieren. Also das nehme ich ihm nicht ab. Bei mir auf über 1000 m Seehöhe nordseitig, am Alpenhauptkamm, also mit sehr viel Schnee, wachsen die Tannen wunderbar. Eine hinter meinem Haus hat über 1,2 m Stammdurchmesser. Tannen sehe ich bei mir locker bis 1400 m, da ginge also einiges.

Aber den Wald oder die Natur in eine Art Urzustand wie vor der menschlichen Nutzung zurück zu versetzen, ist Siggis Anliegen nicht. Er lehnt sogar meine Idee einer Gemeinwohlstiftung ab, die Wald kaufen und außer Nutzung stellen will, nach dem Motto “Zum Urwald zurück”. Irgendwie erinnert mich das an meinen Großvater, der Zeit seines Lebens Wasserkraftwerke gebaut hat und in seinen letzten Lebensjahren jeden kleinen Bach betrauert hat, der noch keine Turbine antreibt. Das sei sinnlos vergeudete Energie, meinte er. Sinnlos, weil nicht vom Menschen genutzt. Vielleicht ist das die Folge davon, dass man nicht wandert? Dann kennt man dieses Gefühl des Aufgehens in der Natur nicht, das einem vermittelt nur Gast zu sein, mit dem Auftrag, ja dem Gebot, sich unterzuordnen und nicht zu dominieren. Mit unserem Nutzungsanspruch haben wir Menschen schon genug zerstört, auf dieser Welt.

Im Gespräch zeigte sich dann, dass die gesamte Familie Salchenegger eine Jägerfamilie ist. Ihre 137 ha sind sogar eine Eigenjagd, die Mutter Jagdaufseherin. Abschüsse werden an 2 Jagdgäste pro Jahr verpachtet. Aber Salcheneggers sind dem typischen Trophäenjäger bzw. der Trophäenjägerin gegenüber erfreulich kritisch eingestellt. Man jagt bei ihnen keine Beutegreifer und keine Vögel. Dachse und Füchse werden liebevoll beobachtet. Das ist wirklich bemerkenswert. Die Gatterjagd, die Wintergatter und das Aussetzen von Zuchttieren zur Jagd lehnt die Familie ab, ja den gesamten Trophäenkult. Sehr gut. Weniger einig waren wir aber bei der Sicht auf Wolf und Fischotter.

Da ist er wahrscheinlich wieder, der gänzlich andere Naturzugang von uns beiden. Wer nutzen will, sieht im Wolf nur einen Schaden. Siggi meinte sogar, er würde seine Kälber nicht auf die Alm lassen, weil am Zirbitzkogel immer wieder ein Wolf vorbei käme. Den Rindern oben ist aber bisher noch nichts passiert. Ganz im Gegensatz zur Fischzucht, die die Salcheneggers auch betreiben. Da habe der Fischotter zugeschlagen und deshalb hätte ihn Siggi auch gerne entfernt. Meinem Verständnis nach dagegen haben Wolf und Fischotter Vorrang. Sie sind Beutegreifer, die für unsere Naturökosysteme sehr wichtig sind, und sie haben auch ein Recht auf Leben. Wer Nutztiere halten will, muss sie eben effektiv vor diesen Tieren schützen. Statt diesem Schutz die Beutegreifer auszurotten, ist meinem Naturverständnis und meiner Ansicht von Tierschutz nach keine Option.

Und dann wollte Siggi wissen, ob ich als Veganer und der VGT als veganfreundlicher Verein nicht die Tierhaltung komplett ablehne? Wie könne ich da seine Tierhaltung loben? Meine Antwort ist einfach: ich sehe den VGT als Anwalt der sogenannten Nutztiere, wie eine Art Gewerkschaft. Unser Ziel ist, möglichst viel für diese Tiere herauszuholen. Und das kann ich eigentlich nur, wenn ich sie selbst nicht nutze, ansonsten kollidieren mein persönlicher Nutzungswunsch und das Interesse der Tiere, das ich aber rückhaltlos vertreten soll. In diesem Sinn würde ich den Salcheneggers nicht ihre Tierhaltung ausreden wollen, solange es noch Menschen gibt, die Rindfleisch essen. Da ist dieser Betrieb nämlich ein wertvoller Verbündeter, der zeigt, dass es viel besser geht, als auf Vollspaltenboden oder gar in Anbindehaltung. Würde der Betrieb seine Tierhaltung aufgeben, wäre das zum Schaden der Rinder, weil ja gleichviel Rindfleisch konsumiert wird, das dann aus schlechterer Haltung käme. Wenn ich irgendwem etwas ausreden wollte, dann nur den Konsument:innen das Rindfleisch.

Alles in allem war dieses mehrstündige Treffen für mich sehr wertvoll. Und ich hoffe, dass auch Siggi Salchenegger in Zukunft weniger derb den VGT bashen wird. Wir halten das schon aus, aber bitte mit gut begründeten Argumenten, die auch wirklich unsere Einstellung oder unsere Handlungen betreffen. Vielleicht fange ich jetzt als “Wuttierschützer” auch einmal an, so Kurzvideos zu verbreiten. Es gäbe viel zu kritisieren.

6 Gedanken zu “Zu Besuch beim VGT-Basher Rindermastbetrieb Salchenegger

  1. Ich bitte um Antwort zu meiner Frage: 2/3 der landwirtschaftlich genutzten Flächen auf der Erde sind Dauergrünland und 1/3 der Fläche sind Ackerland. Ähnlich wird dieses Verhältnis auch bei uns sein. Es ist bekannt, dass nach Ansicht von Herrn DDr. Balluch Menschen kein Fleisch von Rindern essen sollen. Unter dieser Ansicht würde es somit keine Rinder geben. Meine Frage lautet, was Eigentümer nach Ansicht von Herrn DDr. Balluch mit ihren Grünlandflächen konkret machen sollen, wenn Rinder unerwünscht sind, die das Gras verwerten könnten. Vielen Dank für eine ausführliche Antwort.

    1. @Anonym

      Was, genau, ist Dauergrünland? Gehen wir von Österreich aus. Ich lebe auf 1020 m Seehöhe nordseitig. Bei mir gibt es Wälder und von Rinderhalter:innen genutzte Grünlandflächen. Diese Flächen sind aber unter der Baumgrenze und könnten daher Wald sein. Oder man baut z.B. Erdäpfel an, oder Karotten, oder pflanzt Apfelbäume und Ribiselstauden. Das ist alles bei mir leicht möglich, aber es ginge sicher viel mehr. In der Ramsau wachsen auf 1600 m sogar Kiwis.

      Wenn das Areal über der Baumgrenze gemeint ist, also das in den Wegerechtsgesetzen als “Ödland” bezeichnete Areal, dann frage ich mich, was Menschen da oben verloren haben. Den Wildtieren muss auch irgendein Bereich bleiben, und wenn wir ihnen im Tal schon wenig gönnen, dann wenigstens das Areal über der Baumgrenze. Man muss nicht alles nutzen, was es an Bodenfläche gibt. Man kanns auch einfach den Wildtieren überlassen.

      Falls Sie meinen, diese Großgrundbesitzer:innen von Ödlandflächen über der Baumgrenze zahlen aber eine (übrigens total lächerliche) Grundsteuer und “müssen” daher das Gebiet irgendwie nutzen, weil sie sonst einen Verlust machen, dann sage ich: verkaufen. Bitte verkauft diese Ödlandgründe an naturverbundene Menschen, die sie den Wildtieren überlassen. Die Stiftung “Zum Urwald Zurück”, siehe “zumurwaldzurueck.at”, wurde nur deshalb gegründet. Sie kauft Natur und stellt sie immerwährend außer jeglicher Nutzung. Das wäre die beste Lösung.

  2. Auch wenn wir bei vielen Dingen nicht einer Meinung sind, habe ich mich sehr über diesen Termin gefreut! Danke auch für den kritischen, aber ingesamt positiven Bericht.
    Nur eine Kleinigkeit: Ich gehe gerne wandern, nur nicht bei mir im Revier. Da nennt sich das Arbeit 😉
    Bis zum nächsten Mal!
    lg
    Salchenegger Siggi

    1. @Siggi
      Na dann gehen wir einmal wandern, dafür lade ich zu mir. Es gibt keine Stunde von mir entfernt einen sehr schönen Altbestand an Wald mit einer Rotbuchenwaldgrenze. Und etwas weiter weg einen echten Urwald. Vielleicht könnten wir dabei über die Nutzung oder Nichtnutzung von Wäldern sprechen!
      Die Einladung steht!
      LG, Balluch Martin

  3. Danke für diesen tollen Beitrag! Man sieht, wenn man miteinander und nicht übereinander redet können erstaunliche Gemeinsamkeiten zutage treten, auf denen man dann aufbauen kann. Vielleicht kannst du Siggi ja mal zu einer schönen Wanderung einladen, bei der es eben nicht ums Abschießen von Tieren geht, sondern einfach um das Gefühl als Gast in der Natur zu genießen.

    Und vielleicht versteht Siggi irgendwann, dass ein intaktes Ökosystem auch für das Tier Mensch überlebenswichtig ist. Naturschutz ist also auch Menschenschutz.

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