5. November 2024

Zu den Videos aus 20 österreichischen Schlachthöfen

Die Aufnahmen sind schockierend. Ich bin ja einiges gewöhnt, aber da kann ich nicht mehr hinschauen. Diese unfassbare Brutalität, mit der diese Menschen auf die Tiere einschlagen, die da zum Ort ihres gewaltsamen Todes gedrängt werden. Sie riechen das nahe Ende, das Blut, die Angst bei ihren Leidensgenossen vor ihnen. Ich darf mir das nicht zu realistisch vorstellen, sonst verzweifle ich an der Welt. Und das ist tägliche Realität in Österreich? Natürlich haben wir es irgendwie gewusst, aber wir sind Meister des Verdrängens.

Vor 15 Jahren etwa hielten wir eine Demonstration vor einem Schlachthof in Oberösterreich ab. Es war Samstag, kein Schlachthofbetrieb, alles still. Der Besitzer kam dennoch vorbei, war sehr aufgebracht, sah seinen Berufsstand beschmutzt und wollte uns zeigen, wie schön doch alles in seinem Schlachthaus nicht so ist. Ich folgte der Einladung.

Drin war es überall blitzblank geputzt. Mit Entsetzen und großen Steinen im Magen folgte ich dem Schlachthofbesitzer, wie er ohne jede Regung von Mitgefühl über den Schlachtprozess sprach. Hier kommen die Schweine an, dort werden sie zusammengepfercht, dann geht es durch diesen Gang. Kein Schwein zu sehen, keines zu riechen, keine Spur. Und dennoch lag dieses Grauen in der Luft, das sich hier unter der Woche jeden Tag abspielen musste. Diese Verzweiflung, die Todesangst, die Panik. Ich schloss die Augen und sah die Tiere vor mir.

Dann wies er auf eine Art Aufzug hin und sagte, das sei nun das wirklich Modernste hier, eine Gaskammer. Eine was? Irgendwie höre ich nur noch mit halbem Ohr zu. Eine Gaskammer. Also, naja, lacht er dann, nicht eine Gaskammer wie bei den Nazis, sondern ein Aufzug, in den die Tiere gesteckt werden und der dann hinunter ins Gas fährt. Dort werden sie betäubt. Ich blicke in ein dunkles Loch. Völlig schmerzlos, sagt er noch. Das geht ruck zuck und dann ist alles vorbei. Schließlich fallen sie dann aus der Kammer, werden an den Beinen aufgezogen und angestochen. Ja, angestochen sagte er. Wie ein Nadelstich klang das. Nur im Fall der Schweine rinnt das Blut im Schwall aus ihrem Hals, fließt ihr Leben davon. Ich hoffe, sie wachen dabei nicht auf.

Mein Schlachthofführer war bereits beim Verarbeitungsbereich. Dort legte er sich so richtig ins Zeug und schilderte all diese wohldurchdachten Verarbeitungsschritte, doch ich hörte nicht mehr zu. Meine Gedanken waren in der Gaskammer stecken geblieben. Ich betrachtete ihre Wände, befühlte das kalte, brutale Metall. Das ist der letzte Blick von hunderten, ja tausenden von Tieren, bevor sie sterben. Dieses Metall sehen sie, nachdem sie kurz, für einen kleinen Moment, am Weg von der Tierfabrik zum Schlachthof ein einziges Mal wenigstens die Sonne gesehen haben. Das Leben, das ihnen nicht gegönnt war.

Draußen im Freien dann brauche ich lange, um mich zu erholen. Was für ein Kontrast, die wunderschöne Natur hier heraußen, und diese Hölle da drin. Lange noch verfolgten mich die Schreie der Schweine, die ich in meinem Geiste gehört hatte, als ich die Wände der Gaskammer berührte.

Und jetzt kann ich dieselbe Szenen auf den Videos sehen. Das schrille Schreien der Schweine, das Aufbäumen, die Verzweiflung. Jaja, das geht ruck zuck. Oder eben nicht. Aber auch der Weg in die Gaskammer ist das absolute Grauen. Da sind Männer zu sehen, die ständig mit aller Gewalt auf die Tiere einschlagen, da wirft jemand seine brennende Zigarette auf den Rücken dieser armen Wesen, da ist kein Mitleid, nicht ein Funken, zu merken. Da ist nur Gewalt, Teilnahmslosigkeit, Brutalität. Ob bei Schweinen, Rindern oder Puten.

Hat jemand erwartet, dass sich diese Tiere freiwillig und gerne schlachten lassen, wie in Douglas Adams’ Restaurant am Ende des Universums? Nein, wir in Österreich bringen gut 85 Millionen Tiere pro Jahr im Akkord in unseren Schlachthöfen um, also 233.000 pro Tag, 9700 pro Stunde, 161 pro Minute oder fast 3 pro Sekunde. Wie soll das ohne rohe Gewalt funktionieren?

Aber das Tierschutzgesetz! Darf man denn das? Man darf. Wenn ein Tier Widerstand leistet, darf man ihm einen Elektroschock geben. Leistet es anhaltenden Widerstand, dann wird der Elektroschocker zur Dauerfolter. Man kann es auf den Bildern sehen, in die Augen, in den After, aufs Genital. Keine Grauslichkeit ist diesen Menschen zu viel. Was für Monster!

Aber was haben wir erwartet, wenn wir Menschen einen Job zumuten, der sie dazu verpflichtet, ständig und mit möglichst großer Geschwindigkeit Tiere zu töten? Wie sollen sie das machen, vielleicht zärtlich und geduldig? Wie können sie bei einer solchen Arbeit nicht abstumpfen? Wer kann täglich töten und dabei Mitgefühl empfinden? Das geht nicht. Das ist unmöglich.

Mit unserem unbändigen Fleischkonsum in unserer Gesellschaft haben wir die Weichen für diesen Horror gestellt. Jetzt ist das an die Öffentlichkeit gekommen. Kurz erwacht das kollektive Verantwortungsgefühl. Kurz gibt’s einen Entsetzensschrei. Und dann kommen News von den nächsten Gräueltaten in Syrien oder irgendwo, und die Sache wird wieder vergessen. Im Verdrängen des Grauens, das wir anrichten, waren wir schon immer ziemlich gut.

Aber für mich gilt das nicht. Ich hatte diese Bilder im Kopf, bevor ich sie gesehen habe. Und sie sind unauslöschlich eingebrannt. Nichts ist leichter in unserer Gesellschaft mittlerweile, als Tierprodukte zu vermeiden. Ein erster Schritt, aber ein notwendiger Schritt. So kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen. So darf es nicht weitergehen. Es ist Zeit, aufzustehen.

3 Gedanken zu “Zu den Videos aus 20 österreichischen Schlachthöfen

  1. Mich würde interessieren, ob es seit dem Schlachthofskandal 2015 überhaupt möglich ist, Personen in Schlachthöfe einzuschleusen, die Kameras installieren. Ich vermute, dass dies durch Bewegungssensoren unmöglich gemacht wurde, dass betriebsfremde Personen überhaupt in den Schlachtbereich gelangen können. Ich vermute, dass dies nur über Vertrauenspersonen in Form von Mitarbeitern eventuell möglich wäre. (Stichwort Spitzel). Ich bin eher skeptisch, dass sich in Schlachthöfen seit 2015 etwas im Schlachtprozess verbessert hat. Wenn der Schlachtbereich technisch so abgesichert ist, dass es unmöglich ist, eine Kamera zu installieren, wird man nie mehr erfahren was in den Schlachthäusern heute wirklich passiert. Als Außenstehender ist es schwierig das beurteilen zu können.

  2. Ja, Danke !!!! für mich gilt das nicht !
    Ja auch für mich nicht, ich kann diese Gedanken nicht loswerden, jeden Tag …immer wieder kommen sie, die Bilder… ich ertrag sie nicht ….

    Bitte!!!! weiter machen , weiter aufzeigen, … aufschreien !!! niemand tut das …
    Die wenigsten können das sehen,.. aber Fleisch essen, das können sie doch….

    Danke VGT, Danke vor allem Martin Balluch !!!

  3. Schön wäre es wenn sich endlich einmal “Fleisch aus der Retorte”
    (= KEIN Klonfleisch (von der Bedeutung her)) in der Massenproduktion durchsetzen würde.
    Allerdings muss erst der “Fettgeschmack” verbessert werden, damit es nach dem “typischen Fleisch” schmeckt.
    Traurig ist nur, dass sich laut Umfragen viele (zumindest ohne genauere Erklärung bzw. Aufklärung) dabei zu “edel” wären “künstliches Fleisch” zu essen und lieber weiterhin das “glückliche Schwein vom Bauernhof” oder gleich Tiere aus Massenbetrieben konsumieren wollen (und somit Massenmord fördern).
    Ich bin überzeugt, dass “Fleisch aus der Retorte” entwicklungsmäßig viel weiter wäre, wenn das wirtschaftliche Interesse dahinter größer wäre.
    Siehe dazu: https://www.youtube.com/watch?v=OaSLFbF1E7E, http://www.zeit.de/wissen/2015-04/in-vitro-fleisch-worte-von-morgen

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