Der Europäische Bison ist das größte Säugetier dieses Kontinents. Wo soll ein Wesen mit bis zu 1000 kg Körpermasse auf diesem vollgestopften Kontinent noch frei leben können? 1927 wurde der letzte seiner Art im Kaukasus von einem Jäger erschossen. Gerade einmal 54 Tiere gab es damals noch in verschiedenen Zoos. Dort wurde er gezüchtet und schließlich knapp 30 Jahre nach seinem Aussterben wieder ausgesetzt. Heute gibt es mehr als 3000 Bisons in Europa in Freiheit. Seit 2014 wird auch in den Südkarpaten, im Tarcu Gebirge, einem 60.000 Hektar umfassenden Natura 2000 Reservat, eine Auswilderung einiger Dutzend dieser Tiere angegangen. Ich habe mir das Projekt persönlich angesehen.
Von Armenis geht es etwa 17 km auf einer schlechten Forststraße den Fluß „Alb“ entlang tief in das Gebirge hinein. Auf dem Weg gibt es nur einen Ort, an dem in 2 Häusern Menschen leben und verschiedene Nutzpflanzen anbauen und Obstbäume ernten. Nirgendwo habe ich markierte Wanderwege gefunden oder auch nur eine Karte, auf der man das Gebiet betrachten könnte. Dafür laufen große forstwirtschaftliche Operationen dort, ständig rollen mächtige LKWs voller dicker Buchenstämme ins Tal.
Die Bisons leben momentan in einem 100 Hektar großen Areal, umgeben von einem Elektrozaun. Eines der Tiere ist bei der Ankunft entkommen und zieht bereits frei durch die Umgebung. Wir sind ihm etwa 4 km vom Bisongehege entfernt begegnet. Den gefangenen Tieren wird noch immer Futter angeboten, neben Heu auch eine Art Müsli. Am Tag grasen sie auf Lichtungen, die Nacht verbrachten sie keine 50 m neben unserem Zelt. Mein Hundefreund Kuksi blieb völlig ruhig und bellte sie nicht an. Im Winter sind sie viel öfter im Wald zu finden. Demnächst sollen die Gehegetüren geöffnet werden.
Die umliegende Gegend ist wunderschön. Uralte Buchenwälder mit Tannen und Fichten. Rehe, Hirsche und Wildschweine ziehen durch die Gegend, eine Wildkamera nahm auch mehrmals eine Wildkatze und einen Bären in unmittelbarer Nähe der Bisons auf. Im Winter kam ein Wolfsrudel, um sich die neuen MitbewohnerInnen ihres Reviers wohl näher anzuschauen. Als Wildnisbesucher bin ich begeistert über diese Erweiterung der Wildtierpopulationen, man kann ein bisschen in den ursprünglichen Lebensraum, wie ihn unsere VorfahrInnen über tausende von Jahren erlebt haben, hineinschnuppern. Das Artenschutzherz freut sich in mir. Wie aber ist das Projekt vom Standpunkt des Tierschutzes zu sehen?
Die Nachzucht von Tieren, auch wenn sie noch so selten sind und sogar tatsächlich ausgewildert werden, ist jedenfalls ethisch problematisch. Wir nehmen diesen Wesen ihre Autonomie und halten sie gefangen. Den aussterbenden UreinwohnerInnen von Tasmanien wurde so etwas auch nicht angetan, weil sie Menschen sind. Warum dann Tieren? Geht das Recht der betroffenen Individuen auf Freiheit nicht vor?
Für diejenigen Tiere, die aber bereits in Zoos leben, ist dieser Schritt in die Freiheit eine große Chance. Kein Zoo kann ihnen auch nur ansatzweise eine so reiche Lebenswelt bieten, wie sie sich ihnen im Tarcu Gebirge zeigt. Dagegen ist die Anreise unter Sedierung ein Klacks. Abgesehen davon werden sie nun nicht mehr zahlenden Schaulustigen als Ausstellungsobjekt vorgeführt.
Momentan sind die Bisons noch im Schutz eines Elektrozauns. Ist der Stress der Wildnis nicht Tierleid, das ihnen durch ein großes aber sicheres Gehege erspart würde? Selbst die Zusammenführung hat schon ein Opfer gefordert: das erste, im Gehege geborene Kalb wurde von einem der Bisons getötet. Mittlerweile gibt es ein zweites Kalb, erst wenige Wochen alt, das sich nun mit der Hilfe seiner Mutter durchsetzen muss. Ist es Tierquälerei diese Tiergruppe dem wilden Wolfsrudel auszusetzen, oder dem vorbeiziehenden Bären?
Wer rein utilitaristisch denkt, müsste diese Frage vielleicht bejahen. Ich aber meine, die Autonomie ist das höchste Gut. Diese Wesen haben ein Recht auf unabhängige Selbstorganisation. Und dass sie das selber wollen, scheint mir der Ausbruch dieses einen Bisons zu zeigen. Er zog Freiheit und Autonomie dem Schutz des Gehegezauns und den weiteren Fütterungen vor, schließlich muss er gewusst haben, dass ihn so etwas erwartet, war er doch sein ganzes Leben davor in Gefangenschaft. Ich freue mich also mit dieser Bisongemeinschaft, wenn in wenigen Tagen das Tor zur völligen Freiheit mit all ihren Gefahren endgültig geöffnet wird.
Hallo, danke für den berührenden und abenteuerlichen Bericht aud dem Norden Rumäniens.
Ich war selbst in Transsilvanien und will wieder mal hin, da es noch so viel Natur gibt.
Zum obigen Artikel eine Frage: Sind diese Tiere ident mit folgenden Zuchtieren, ich hoffe nicht.
“Hans Kilger, ein leidenschaftlicher Connaisseur, der Fleisch von höchster Güte zu schätzen weiß und im Herzen ein Landwirt ist, hat vor einigen Jahren im rumänischen Siebenbürgen eine Bisonzucht gestartet. Heute zählt die Herde stolze 500 Tiere, die 365 Tage im Jahr auf ausgedehnten 2.500 Hektar Weideland grasen. Gesunde Weiden, die noch nie ein Pestizid gesehen haben. Geschlachtet wird stressfrei und weidmännisch auf der Weide. Im nahen EU-Schlachthof wird das Fleisch geviertelt, geprüft und anschließend in eigenen Kühltransportern in die Kilger’sche Fleischerei nach Eibiswald in der Steiermark gebracht. Hier nimmt sie Fleischermeister Hermann Kassler entgegen. ” Quelle steht unten bei Website, jene ist also nicht meine persönlich!
Also laut Wilderness Society, die dieses Aussetzen betreibt, stammen die Tiere aus verschiedenen Zoos und nicht von einer Nutztierzucht.