Kurz der Anlass: Anfang Dezember 2015 wird ein Tierschutzaktivist bei einer Pelzdemo von der Polizei ohne jeden Grund – als eindeutige Schikane – aufgefordert, seinen Ausweis zu zeigen. Er tut das nicht, wird dafür zu Boden gerungen und letztlich festgenommen. Das Video dazu findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=_wq1wolPZgQ. Ein ganzer Rattenschwanz von Gerichtsverfahren folgt. Das Wiener Landesverwaltungsgericht stellt nach einer Maßnahmenbeschwerde des VGT fest, dass die Amtshandlung der Polizei rechtswidrig war, d.h. sie hätte nicht nach dem Ausweis bzw. der Identität fragen dürfen. In Österreich – wie in (fast) allen anderen Demokratien – besteht nämlich keine Pflicht, der Polizei gegenüber ohne Grund die Identität preisgeben zu müssen.
In diesem Zusammenhang taucht, vermutlich hauptsächlich bei brav bürgerlichen Personen, die weder Erfahrungen mit der politischen Polizei haben noch außerparlamentarisch politisch aktiv sind, die Frage auf, warum man nicht einfach sein Recht auf Privatsphäre aufgibt und den Ausweis zeigt bzw. den Namen nennt. Ich habe schon sehr oft erklärt, warum nicht. Jetzt habe ich ein weiteres, ganz aktuelles Beispiel, was das für negative Konsequenzen haben kann.
Im Juni 2016 wurde eine junge Frau um 1 Uhr früh in Salzburg von einem Taxifahrer und dann der Polizei festgenommen, weil sie Pickerl gegen die Gatterjagd auf verschiedene Lampen und Ampelkästen geklebt hatte. Die Frau wurde dann von der politischen Polizei (sprich: Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) einvernommen und dabei offenbar so eingeschüchtert, dass sie nicht nur alle Fragen beantwortete, sondern auch solche Antworten gab, wie sie ihr von der Polizei nahegelegt wurden. Unter anderem sagte sie, eine andere Frau hätte auch solche Pickerl aufgeklebt, gab den Vornamen der Frau an und beschrieb sie äußerlich. Die Polizei ging dann zu ihrem staatspolizeilichen Archiv aller AktivistInnen, die je bei Demos für Tierschutz ihren Ausweis gezeigt haben. Darunter war eine Frau mit gleichem Vornamen und ähnlichem Äußeren wie beschrieben. Dass diese Frau seit mehr als 10 Jahren gar nicht mehr aktiv ist, war egal. Die Frau wurde überraschend zu Hause besucht und leugnete natürlich, da sie von diesen Pickerln und solchen Vorfällen nichts wusste. Aber die Schuldigen leugnen doch immer, nicht? Jetzt wurde sie angeklagt.
Brav bürgerliche Menschen ohne Erfahrung mit der politischen Polizei oder Gerichten meinen jetzt vielleicht, dass wenn sie wirklich unschuldig sei, dass das dann vor Gericht herauskommen werde und dann sei doch nichts passiert. Weit gefehlt! Die arme Frau muss jetzt einen Anwalt kontaktieren, der sie vor Gericht vertreten wird. Dieser Anwalt wird den Akt lesen und seine Mandantin auf den Prozess vorbereiten müssen. Dann werden er und die Angeklagte sich den Prozesstag freinehmen und nach Salzburg reisen müssen. Dort wird dann verhandelt. Sagen wir, das Gericht glaubt der Frau und sie wird freigesprochen. Kein Problem?
Mitnichten! Die Frau wird keine Entschädigung für ihre Verteidigungskosten erhalten! Allen Ernstes, das ist nach unserem Rechtssystem so vorgesehen. Der Anwalt wird bis zum Freispruch alles zusammen sicher mindestens € 6.000 gekostet haben. € 1.200 davon werden vom Staat bei Freispruch ersetzt. Bleiben ihr neben all dem Stress und dem Aufwand noch Kosten von mindestens € 4.800 übrig, auf denen sie sitzen bleibt. Völlig unschuldig!
Hätte sie nur der politischen Polizei niemals ihren Ausweis gezeigt, dann wäre sie nicht im staatspolizeilichen Archiv als Tierschutzaktivistin gelandet und sie wäre nie in dieses Verfahren einbezogen worden. Daher mein Rat an alle politisch Aktiven:
- Niemals der Polizei ohne Grund einen Ausweis zeigen!
- Niemals gegenüber der Polizei irgendwelche Fragen beantworten!
Faktum ist: die politische Polizei hat den direkten Auftrag, komplett legale, außerparlamentarisch politische Arbeit zu verhindern. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Und daher sollte man der politischen Polizei bei dieser verfassungs- und demokratiewidrigen Arbeit auf keinen Fall helfen. Keine Information für die Polizei. Alles andere schädigt nur einen selbst und andere.
Gerade wenn die Polizei mit besonderem Nachdruck die Identitätsfeststellung fordert, sollen wir stutzig werden, wenn sie keinen guten Grund dafür angibt. Und “allgemeine Identitätsfeststellung” reicht da eindeutig nicht aus. Auch ein absurder Verdacht ohne konkreten Anlass reicht nicht aus. Es ist auf jeden Fall besser seine Identität nicht preiszugeben und festgenommen zu werden als seine Identität preiszugeben und dafür weggehen zu dürfen. Es ist schon zu oft vorgekommen, dass nur der Polizei bekannte Daten in vernichtend teuren Privatklagen verwendet wurden. Freilich darf die Polizei keine Personendaten an weitergeben. Sie kann es also nicht gewesen sein …