17. November 2024

Zur Doku „Aus Liebe zum Tier“ im ZDF

Grundsätzlich bin ich ja froh, wenn die Tierschutz- und Tierrechtsbewegung als politisches Phänomen in der Gesellschaft auch unabhängig vom Tierleid als Konflikt unter Menschen thematisiert wird. Es gibt diesen Konflikt und er ist für die Öffentlichkeit interessant. Und eine Diskussion darüber hilft vielleicht, einer Lösung näher zu kommen. Aber aus dem Covertext dieser Doku des ZDF war bereits zu sehen, dass das so fair nicht ablaufen wird. Sogenannte „radikale TierschützerInnen“ kamen zwar zu Wort, aber zur Objektivität fehlten mir eine ganze Reihe wesentlicher Punkte.

Da wurde z.B. der Fall von SHAC-UK, also der Kampagne gegen das weltgrößte kommerzielle Tierversuchslabor in England, dargestellt, ohne allerdings die Fakten aufzulisten. Hier wurden nämlich Menschen zu bis zu 11 Jahren Gefängnis verurteilt, ohne nach herkömmlicher Gesetzeslage auch nur irgendein Verbrechen begangen zu haben. Die Straftatbestände mussten für diese Verurteilung erst erfunden werden. Die Politik beschloss, dass Kampagnen mit lauten Demonstrationen dann nicht mehr erlaubt sein sollen, wenn sie den Profit großer Konzerne einschränken. Ja, die Verurteilten freuten sich laut und öffentlich, wenn es Sachbeschädigungen gegen Konzerne gab. Aber, nein, mehr als diese Freude konnte ihnen nie nachgewiesen werden. Konkret ging es nur um laute und emotionale Demonstrationen. Zusammen wurde das zu so etwas wie „Verschwörung zur Erpressung“ aufgebauscht und drakonisch verurteilt. Haben unbedarfte SeherInnen der Doku des ZDF diesen Eindruck vom englischen Fall erhalten? Das darf bezweifelt werden.

De facto hat man in England das Versammlungsrecht gegen Firmen so eingeschränkt, dass AktivistInnen nur wegen friedlicher Demos zu 5 Jahren Haft verurteilt wurden, wenn diese Teil einer großen Kampagne waren. Die Anzahl normaler Tierschutzdemos in England ist in der Folge fast auf Null gesunken. Soll das eine faire und demokratische Lösung dieses Konflikts um Tierrechte sein? Sicher nicht. Diese drakonische Repression gegen den Tierschutz wurde mit keinem Wort in der ZDF-Sendung erwähnt! Genausowenig hat man irgendetwas von der österreichischen Tierschutzcausa erfahren, obwohl diese doch näher liegt als die Geschehnisse in England, zeitlich wie räumlich. Die SendungsmacherInnen werden schon wissen warum.

2000 Straftaten soll es zum Tierschutz in Deutschland in den letzten 10 Jahren gegeben haben. Dabei wird verschwiegen, dass in Deutschland das simple Filmen in einer Tierfabrik als Hausfriedensbruch bereits eine Straftat ist. Wenn man solche Bagatelldelikte summiert, sagt diese Statistik überhaupt nichts! Wie bedrohlich für die Sicherheit der Gesellschaft sollen solche „Straftaten“ denn sein? Und das ist es doch, was uns diese Statistik suggerieren will, die große Gefahr für den Rechtsstaat (wenn nicht bald staatlicherseits hart durchgegriffen wird). In Österreich rudert man zum Glück in die Gegenrichtung, hierzulande wurde der „militante“ Tierschutz aus dem Verfassungsbericht genommen. Wurde auch Zeit! Wäre das nicht einer Erwähnung in dieser Doku wert gewesen?

Aber auch die Art, wie das Affenversuchslabor in Tübingen präsentiert wurde, oder Tierexperimentator Wolf Singer, ließ einiges an Fairness zu wünschen übrig. Nicht eine einzige kritische Frage! Da wird gesagt, dass Affen nun einmal ein Hirn wie Menschen hätten, und dass man sie deshalb zu Hirnversuchen heranziehen müsse. Aha, aber wenn sie ein Hirn wie Menschen haben, steht diesem Hirn dann nicht ein ähnlicher Schutz wie jenem der Menschen zu? Darf man Wesen zu Tierversuchen missbrauchen, die ein ähnliches Hirn wie Menschen haben? Wo blieb diese doch so offensichtliche Frage?

Die Tierversuchskampagnen in Deutschland wurden als Bedrohung der Forschung hingestellt. Aber retten sie nicht auch unschuldige Wesen vor Folter und Tod? Wie sehen die gezeigten ForscherInnen die Frage der Gerechtigkeit? Ist ihnen Gerechtigkeit wichtig? Und wenn ja, wie gerecht den Versuchsaffen gegenüber ist ihr Verhalten denn genau? Wo bleibt da Ethik und Gerechtigkeit?

Die Gretchenfrage: Sagen wir, eine Demokratie entscheidet mit Mehrheit, dass eine gewisse Minderheit von Menschen für invasive und tödliche Hirnforschung verwendet werden darf. Wie würden diese ForscherInnen dazu stehen? Und was würden sie dagegen unternehmen? Würden Sie dann noch laute Demos als „zu radikal“ empfinden? Und wenn nein, worin genau, naturwissenschaftlich gesprochen, besteht der Unterschied zwischen Mensch und Affe, der diesen Unterschied in der Einschätzung lauter Demos rechtfertigt?

Ich hätte mir eine offene Diskussion zwischen diesen ExperimentatorInnen und VertreterInnen der Tierrechte gewünscht. Ich stehe jederzeit dazu zur Verfügung. Ob Wolf Singer auch dazu bereit wäre?

Zur Doku: http://www.zdf.de/zdfzoom/zdfzoom-aus-liebe-zum-tier-39545258.html

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