24. November 2024

Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und das OLG-Urteil

Einzelrichterin Sonja Arleth im Tierschutzprozess urteilte, dass weder der VGT noch die Angeklagten persönlich Straftaten begangen hatten: Anhaltspunkte, dass der VGT im Zusammenhang mit Straftaten gestanden ist, hat das Beweisverfahren nicht ergeben. Zusätzlich stellte sie fest, dass bei der Kontaktaufnahme mit Firmen, gegen die es Kampagnen gab, keine Sachbeschädigungen angedroht wurden: Es kann nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte Sachbeschädigungen im Zuge der angedrohten Kampagne oder andere Straftaten gegen die Firma Kleider Bauer ernstlich für möglich hielt oder sich damit abfand. Er wollte einen diesbezüglichen Eindruck bei den Adressaten seiner Emails nicht erwecken. Das OLG konnte diese Tatsachenfeststellungen bei der Berufung nicht in Frage stellen.

Als nächstes fragte sich Richterin Arleth, ob die Ankündigung einer legalen Kampagne mit friedlichen Kundgebungen, sollte eine Firma nicht eine tierfreundlichere Geschäftspolitik annehmen wollen, eine Nötigung ist. Dazu führte sie eine sogenannte Zweck-Mittel Analyse durch, d.h. sie wollte feststellen, ob in diesem Fall das eingesetzte Mittel für den angestrebten Zweck „sittenwidrig“ ist oder nicht. Der Zweck war Tierschutz, das Mittel eine Kampagne: Für den Angeklagten bedeutete eine „Kampagne“ vor allem Information der Konsumenten durch Verteilen von Flugblättern, Medienberichten, Abhaltung von Demonstrationen, Infoständen und kreative Schauspiele.

Deshalb schließt die Richterin, dass es sich um keine Nötigung handelt: Dem im Tierschutz anerkannt tätigen VGT sind regelmäßig angemeldete Kundgebungen bzw. Veranstaltungen bewilligt worden. Der Angeklagte ist bei seiner Wortwahl und der Formulierung seiner Anliegen in den meisten Emails [mit Ausnahme von einem] nicht unhöflich gewesen. […] Zwischen dem erstrebten Zweck und dem eingesetzten Mittel besteht kein qualitatives Missverhältnis und die spezifische Verknüpfung von Zweck und Mittel ist nicht sittenwidrig, sodass selbst bei Bejahung der Gefährlichkeit der Drohung deren Rechtswidrigkeit zu verneinen ist. […] Mittel und Zweck sind bei dem festgestellten Sachverhalt nicht willkürlich verknüpft, die angekündigten Übel aufgrund des verfassungsrechtlich eingeräumten Rechts der Abhaltung von Kundgebungen nicht unerträglich und somit auch nicht sittenwidrig. […] Das grundsätzliche Recht jedes Einzelnen für Belange des Tierschutzes einzutreten und eine entsprechende Bewusstseinsbildung zu erwirken ist unbestritten. Der Angeklagte drohte mit einem Übel, auf dessen Realisierung er ein Recht hat, schließlich gehören Versammlungsfreiheit bzw. Meinungsfreiheit zu den verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten in Österreich. […Für das Vorliegen eines Vorsatzes zu nötigen] hätte [der Angeklagte] entweder annehmen müssen, dass die Durchführung einer groß angelegten Kampagne oder der Zweck des Tierschutzes den guten Sitten widerstreiten würde. Derartiges kann ihm aber keinesfalls unterstellt werden, womit auch mangels Vorsatz jedenfalls mit Freispruch vorzugehen war.

Richterin Sonja Arleth hat also im Urteil des Tierschutzprozesses erklärt, dass der Zweck Tierschutz und das Mittel einer Kampagne durch Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gedeckt sind und daher keine Nötigung begründen können. Den Richterinnen im OLG-Urteil ist diese Argumentation nicht einmal eine Bemerkung wert. Weder das Recht auf Meinungsfreiheit noch das Recht auf Versammlungsfreiheit spielen für sie eine Rolle, es gibt diesbezüglich nicht einmal eine Abwägung. Die Richterinnen lassen auch den Zweck „Tierschutz“ nicht gelten, sondern sehen den angestrebten Zweck in einem Ende des Pelzhandels, der in ihren Augen nicht vom Begriff Tierschutz umfasst ist. So schließen sie, dass Mittel und Zweck sittenwidrig sind und daher der Vorwurf der schweren Nötigung zutrifft.

Dieses OLG-Urteil ist jetzt fix, im vorliegenden Fall ist das OLG ja das Letztgericht, in Österreich kann diese Beurteilung also nicht mehr aufgehoben werden. Zwar entscheidet nun noch das Erstgericht erneut über die Anklage, kann sich aber dieser Beurteilung des OLG nicht entziehen, außer es stellt andere Tatsachen fest als die OLG-Richterinnen angenommen haben. Was bleibt ist der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGM), wenn nach dem nächsten erstinstanzlichen Urteil in Wr. Neustadt und der neuerlichen Berufung zum OLG ein Endurteil in Österreich vorliegt, vermutlich in 1 ½ Jahren. Der EuGM wird dann vielleicht 2020 seine Entscheidung bekannt geben.

3 Gedanken zu “Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und das OLG-Urteil

  1. Auch ich schließe mich selbstverständlich einer rechtlich geeigneten Form des Massenprotests sehr gerne an.
    Wie Martin bereits über die Empfehlung der Anwälte gesagt hat: Wir sollten verdammt viele sein, damit den einzelnen (bekannten/bekannteren) Hauptakteuren nicht eine Schulden und Urteilslast auf den Kopf fällt.
    Denn wenn sehr viele so denken, wie ich annehme dass man über Freiheit, Demokratie und andere Werte denken sollte… Dann wird das auch dem OLG hoffentlich (!!) einleuchten, dass es auf Dauer null Sinn macht, sich in einem Land ethisch gutgesinnter Bürger als “Exekutive” von Politik, Tier- Industrie, Jagdgesellschaften und anderer Lobbies zu engagieren.
    Wenn die derzeit angestrebten Ziele scheitern würden, stehts tatsächlich sehr schlecht um Meinungsfreiheit und andere Grundrechte in Österreich.
    Sollte ich ihn übersehen haben? oder wo ist der Link auf die neue Seite mit dem anonymisierten OLG-Urteil und die Online-Unterschriftenliste, die ich (und hoffentlich auch TAUSENDE ÖSTERREICHER/INNEN sofort auf FB und in allen Cafés und was weiß ich wo noch, teilen und weiterverbreiten werden !
    BITTE helft alle mit !!!
    Hier gehts nicht nur um Tierschutz…
    Da stehen offensichtlich die weiteren Grundlagen und Spielregeln unserer Gesellschaft auf dem Spiel !

  2. Auf der Suche nach wenigstens einem positiven Aspekt an der gesamten Widerlichkeit hab ich einen kleinen Funken Hoffung gefunden: Die Medienwirksamkeit könnte einen Diskurs eröffnen (oder vielleicht in der Instanz des EuGM?), in dessen Folge eine zukünftige Kriminalisierung gesellschaftskritischer Arbeit minimiert wird – Wenigstens etwas Hoffnung, wenn auch wahrscheinlich utopische.

  3. Wo haben die Richterinnen des OLG studiert? In einer Diktatur?
    Vermutlich sind diese Frauen Pelzfetischistinnnen, anders ist deren Argumentation nicht nachvollziehbar. Habe ich mich jetzt einer Amtsbeleidigung schuldig gemacht? Ist Pelzfetischistin eine Beamtenbeleidigung, oder muss ich mich dafür beim Wort Fetischistin vertippen? Ich bin absolut nicht stolz bei solchen Urteilen Österreicherin zu sein. Solche Urteile schreibt man üblicherweise einer “Bananenrepublik” zu!

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