5. November 2024

1886 gegen die Jagd geschrieben: aus „Jakob der Letzte“ von Peter Rosegger

Bild1Zur Jagdzeit, da ging es hoch her in Altenmoos. Im Frühjahr die Hahnenbalz, die einzige Jahreszeit, da der „Herr“ früher aufsteht als der Bauer. Da ist keine Stunde zu finster, kein Weg zu weit, kein Vogel zu hoch, es wird geschossen. Nicht der Hunger nach dem Fleisch, nicht die Gier nach den Federn ist’s, sondern die Weidmannslust, die Lust zu morden. Pulverknall in die leere Luft oder auf die Scheibe ist nicht lustig, da stirbt nichts.

Für die Rehe und Hirsche wurde das ganze Jahr gesorgt, alles Gute und Liebe wurde ihnen angetan, damit sie gesund bleiben, bis man sie erschießen konnte. In den Wäldern und Gebirgskaren standen geborgene Heuhütten, und wenn die Fütterung war und das Heu und die aus weiter Ferne herbeigebrachten Kastanien ausgestreut wurden, da kamen die Tiere von allen Seiten herbei.

Nahte die Jagdzeit, so wurden neue Wege angelegt, damit die Herrschaften fahren konnten, so weit es möglich war. Es kamen hohe Herrschaften. […] Das Jagdvergnügen, es kostet den Herren viel und den Bauern noch mehr.

Auf der Knatschleben, die hoch oben mitten im Walde lag, wurde im Freien gekocht und geschmort. Schon tagelang früher waren Arbeiter beschäftigt gewesen, Hütten, Feuerstätten, Faßgestelle, Tisch und Bänke [für die Jagd] aufzurichten. Alle Waldarbeiter und Häusler der Gegend, die Untertanen der Herrschaft geworden waren, wurden als Treiber aufgeboten. […] Die Treiber bekamen nach der Hetze auch ihr reichliches Essen und Trinken, aber seitab von der Jagdgesellschaft, weit seitab.

Bauern, von den Jagdherren ständig bedrängt, über die Jagd: Ein Bauer, der Wild hegt, um es nachher aus Lust totzuschießen, schändet seinen Stand. […] Nicht einmal mit meinem eigenen Hund darf ich über meinen eigenen Grund gehen. Gar die Hauskatz wird uns niedergepelzt, wenn sie 50 Schritt weit Jagd hält nach der Feldmaus. Und das nennt man Eigentum! Und das andere heißt, glaub ich, edler Jagdsport. Wildhetzen, Wildhetzen!

Eines schönen Herbsttages hatte zu Altenmoos eine Hochwildjagd begonnen. Die Treiber hatten über Berg und Wald einen großen Ring gezogen, in welchem die Hirsche und Rehböcke, immer mehr in die Enge getrieben, angstvoll hin und her liefen. Das Gewehrfeuer knatterte, und die schönen Tiere stürzten zu Dutzenden. Es war eine wahre Waldschlacht. Am selben Tag wollte der Reuthofer [Jakob] mit seinen Schnittern in sein hinteres Haferfeld hinaufgehen, um den Rest einzuernten, denn die Luft, die vom Gebirge her zog, roch nach Schnee. Als sie gegen den Schachen kamen, durch den der Weg führte, stand dort der [Oberjäger] und deutete lebhaft mit dem Arm, sie sollten umkehren, heute sei es nichts mit dem Haferschneiden, heute sei dorten Jagd. Jakobs Leute wollten sich der Weisung widersetzen, sie begriffen nicht, dass der Bauer auf seinem Grund und Boden nicht nach Belieben sollte seinen Hafer schneiden dürfen. [Sie kehrten um] und der Hafer auf dem hinteren Feld wurde von Treibern, Jägern und Wild in den Boden getreten.

Einige Tage später begegnete dem Holzknecht Harsch-Hans zu Altenmoos ein ähnlicher Fall. […] Der Jäger wies ihn zurück. Der Harsch-Hans begehrte auf, seit wann er seinen eigenen Schafen nicht sollte nachgehen dürfen? Der Jäger wurde scharf und schnitt ihm mit vorgehaltenem Gewehr den Weg ab. Der Hans wurde grob, schlug mit dem Stock auf das Gewehr und hieß den Jäger einen Lumpen. […] Es währte nicht lange – nicht so lange, wie die Abschätzung eines Wildschadens auf sich warten zu lassen pflegt –, so ward der Harsch-Hans nach Krebsau zum Bezirksgericht gerufen und dort wegen Widersetzlichkeit und Jägerbeleidigung zu 10 Gulden Geldstrafe oder 48 Stunden Arrest verurteilt.

Die neueste Zeit hatte dem [Jäger] eine neue Landplage gebracht […] Die Touristen! Das sind fürs erste weder Hirschen noch Wildschützen, also sehr verächtliche Kreaturen. Fürs zweite steigen sie auf allen Bergen und Wänden umher, jodeln und lärmen und verscheuchen das Wild. Trotten mit ihren verfluchten Bergstöcken höllisch blöde und gleichgültig dahin und verscheuchen es doch. Können den Schildhahn nicht vom Rebhuhn unterscheiden und verscheuchen sie doch. Auf dem Weg, heißt’s, wollten sie bleiben, diese gottvermaledeiten Luftbummler. Auf welchem Weg? Es gibt keinen Weg, keinen öffentlichen, in unseren Gebirgen. Privatgrund! Da wird nicht aufgetreten!

Da nahm der Oberjäger eines Tages einen gefangen. Der hatte nach keinem Wilde geschossen, ja nicht einmal eines gesehen. […] Diesen Menschen hatte der [Oberjäger] festgenommen, weil [er] oben auf der Nockhöhe einen Jauchzer gemacht hatte. […Der Oberjäger] legte unwillkürlich die Finger an den Hahn, „Hol der Teufel das ganze Jagdgesetz, wenn man so einen Maulaffen nicht über den Haufen schießen darf!“, knirschte er und stieß den Gewehrkolben auf den Boden. Der Tourist mußte mit ihm.

4 Gedanken zu “1886 gegen die Jagd geschrieben: aus „Jakob der Letzte“ von Peter Rosegger

  1. Danke für diesen Text von Peter Rosegger.
    Ich kenne viele seiner Texte gut.
    Das der Heimatdichter aber so über die Jagd geschrieben hat, war mir noch nicht bekannt.
    Das macht ihn für mich noch symphatischer und
    liebenswerter. Obwohl 127 Jahre her, sage ich ihm dennoch *DANKE* dafür und an Sie – DANKE fürs veröffentlichen.
    HERZ-lichst
    M.M.

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