Endlich eine Pause für mich, die erste seit dem Urteil im Tierschutzprozess. Ich war mit meinem Hundefreund in der nordskandinavischen Wildnis wandern, nördlich vom dortigen Polarkreis, wo die Sonne in dieser Jahreszeit nicht untergeht. Insgesamt 19 Tage sind wir dabei in der Wildnis geblieben, mit einem Zelt und unserem Essen im Rucksack. Bis zu 80 km entfernten wir uns vom letzten Zivilisationsposten, d.h. vom letzten Haus und der letzten Straße. 80 km reine Wildnis ist ziemlich viel, ein seltsam bewegendes Gefühl, so weit weg zu sein.
Wir sahen Urwälder, bestehend aus Birken und Nadelbäumen, eher artenarm und klein gewachsen. In dieser Gegend herrscht 8 Monate pro Jahr der Winter, der Boden ist im Permafrost gefangen, der im Sommer oberflächlich ein bisschen auftaut. In dieser Region gibt es größere Säugetiere wie Elch, Bär, Vielfraß und Luchs. Doch deren Populationsdichte ist so niedrig, dass wir nur einmal wahrscheinlich einen Vielfraß vorbeihuschen gesehen haben. Keine Spur von Bären oder Luchsen, dafür sowohl Kot als auch Fußspuren von Elchen wohin man schaut.
Wir sahen eine scheinbar unendliche Tundra, mit niedrigen Büschen und Gras, mit viel Sumpf, weil das Wasser im Permafrost nicht abrinnen kann. In dieser Region gibt es bodenbrütende Vögel wie Regenpfeifer und Wiesenpieper, die scheinbar allgegenwärtig sind. Im Regen sitzen sie ohne Schutz und pfeifen traurig vor sich hin. Heuer ist ein Lemmingjahr, diese Tiere waren auf Schritt und Tritt zu sehen, fast musste man aufpassen, nicht auf einige drauf zu steigen. Die große Zahl an Lemmingen zog Raubvögel und insbesondere Raubmöwen an, die auch auf uns immer wieder Sturzangriffe flogen. Einmal konnten wir einen Fuchs in der Tundra beobachten und sogar filmen. Immer wieder trafen wir Rentiere.
Aber wir sahen auch ein hochalpines Gelände mit Gletschern, Blockwerk, großen Schneefeldern und Felswänden. Man mochte meinen, in den Alpen auf etwa 3000 m Höhe zu sein.
Und es gab Wasser, sehr viel Wasser. Neben dem allgegenwärtigen Regen gab es Seen, nicht nur zahlreich sondern auch riesengroß, und Flüsse, die manchmal nicht zu überqueren waren und uns zwangen, in andere Richtungen zu gehen, als wir geplant hatten. Das viele Wasser ermöglicht aber sehr vielen Gelsen im Juli und August auf Jagd nach dem Blut von Säugetieren zu gehen. Erfreulicherweise gibt es aber Geruchsmittel aus der Apotheke, die die Gelsen sehr effektiv auf Distanz halten.
Es war erstaunlich warm, zwischen 16 Grad am Tag und 12 Grad in der Nacht, wobei auch in der Nacht die Sonne nie unterging. Ihr zartrosa Schein reichte auch zu Mitternacht aus, um zu lesen, zu kochen oder sogar zu wandern.
Zuletzt noch ein paar Bilder, die die Stimmung etwas einfangen sollen. Ich würde allen empfehlen einmal die Wildnis zu erleben und zu spüren. Das ist eine Möglichkeit, in sich selbst hinein zu hören und „zu den Wurzeln des Daseins“ zurück zu kehren.
@ Martin C.
Das ist richtig, aber zur Verteidigung meines Begleiters muss man sagen, dass es ein “Lemmingjahr” war, d.h. es waren derart viele Lemminge, dass ihm etwa 50 davon pro Tag über die Pfoten gelaufen sind. Lemminge sind mausgross und, jedenfalls in Lemmingjahren, wenig scheu, laufen nicht weg und quieken sehr laut. Dass er unter diesen Umständen nur so wenige getötet hat, muss ich ihm schon anrechnen – er hat wesentlich mehr direkt vor seiner Schnauze gehabt und trotzdem verschont, als getötet.
Beeindruckende Impressionen aus einer Gegend die einem mehr als Respekt einflößt. Ich finde nur schade, dass durch den Begleiter zahlreiche Lemminge ihr Leben lassen mussten – als hätten die Lemminge nicht schon genügend natürliche Feinde …
das ist wirklich eine wunderschöne Naturbeschreibung – erinnert ein wenig an Adalbert Stifter! Wie klein doch die Klein-Kariertheit der österr. Justiz und Beamtenmentalität wird angesichts dieser weiten, gewaltigen Naturerlebnisse…Man kommt zum Wesentlichen zurück. Ich schätze es sehr, dass dieser Blog weiter geführt wird! Hier kann man einiges lernen!
Superschöne Foto! Ich wünsch Dir einen wunderbaren Urlaub, Du hast die Auszeit wirklich mehr als verdient!
LG
Silvia
toll wie du uns allen beschreibst wie kraftschöpfend du dich an der natur erfreust – wir schauen uns gern von dir was ab.
danke für den stimmungsvollen bericht und die schönen fotos. sind die “geruchsmittel aus der apotheke” auch chemie wie bei uns oder haben die skandinavier ein natürliches wundermittel entdeckt?
Ich freue mich für dich , dass du es erleben durftest. Die Bilder sind wunderschön…und sprechen für sich.
Freut mich, dass du den Kopf ein wenig frei bekommen hast.
Sehr schöne Fotos!
Super dass es mit der Skandinavientour geklappt hat!! traumhafte Bilder, danke für den Blogeintrag! Liebe Grüße aus Oslo 🙂
Wow, Respekt!
Ich Zivilisations-Weichei wäre da hoffnungslos verloren 😉
Schöne Bilder!
Jan.
Hallo Martin!
Die Bilder hätts gar nicht mehr gebraucht, es war alleine schon super spannend den Bericht zu lesen, ich konnte es mir bildlich vorstellen. Wunderbar!
Liebe Grüße von Daniela