5. November 2024

24 Stunden lang blieb eine Linzerin im Schweine-Kastenstand

Die letzten 24 Stunden verbrachte ich am Linzer Hauptplatz. Eine selbstlose Aktivistin hatte sich angeboten, aus Protest gegen Kastenstände 24 Stunden lang in einem ausrangierten Kastenstand für Mutterschweine zu sitzen. 1,9 m lang, 65 cm breit, bis zu 1 m hoch – eine Qual auch nur 24 Stunden sich nicht bewegen zu können. Ich weiß wovon ich spreche, habe ich doch auch schon einmal, unmittelbar nach meinem Freispruch im Tierschutzprozess, so lange in einem Kastenstand verbracht.

Doch für meine Linzer Kollegin war es um einiges härter. Die ganzen 24 Stunden hindurch regnete es unaufhörlich. Einige TierschützerInnen und ich wollten sie nicht alleine ihrem Schicksal überlassen, und so blieben wir die ganze Zeit über bei ihr. Auch für uns eine mühsame Zeit, die ganze Nacht hindurch im Regen zu sitzen, aber immerhin konnten wir uns bewegen, herumgehen und eine Toilette aufsuchen.

Interessanter Weise kamen einige BesitzerInnen von Schweinefabriken vorbei, um ihr Missfallen gegenüber dieser Aktion auszudrücken. Neben den üblichen Beleidigungen gab es einige bemerkenswert seltsame Argumente für Kastenstände. So wurde gesagt, diese körpergroßen Käfige seien wie Sicherheitsgurte im Auto und die würden Menschen ja auch nur zu ihrem Besten tragen! Abgesehen davon, dass 75% der 300.000 Mutterschweine in Österreich lebenslang und nicht nur für eine Autofahrt im Kastenstand stehen, ist dort der Boden kein weicher Sessel sondern ein harter Beton, übersät mit Spalten und ohne jede weiche Einstreu. Und der Sicherheitsgurt schützt die Menschen, die ihn tragen, vor Unfällen, der Kastenstand hilft nur der Tierfabrik, weil er die Haltung der Mutterschweine überschaubar macht und auf kleinsten Raum einschränkt. Mit dieser Begründung wurde jedenfalls der Kastenstand als hervorragende Neuerung in den 1960er Jahren eingeführt.

Aber im weiteren Gespräch mit diesen Personen ging mir langsam ein Licht auf. Die Herren und Damen aus der Schweineindustrie haben überhaupt keine Ahnung von Schweinen. Jede einzelne der mehr als 10 Personen fragte ich, ob sie mit Mutterschweinen, die außerhalb eines Kastenstands gebären, auch nur irgendeine Erfahrung haben. Nein, war die einhellige Antwort. Ob sie eigentlich wüssten, wie Schweine ihre Tage planen und ihren Lebensraum gestalten, wenn ihnen eine Weide und ein Wald zur Verfügung stehen. Noch nie gehört! Ob sie eigentlich jemals gesehen hätten, wie sich Mutterschweine zurück ziehen, bevor sie gebären, wie sie ein Nest bauen und eine Woche lang abgeschieden vom Rest ihrer Gruppe mit ihren Neugeborenen zusammen bleiben. Aber was! Was macht so ein Schwein eigentlich im Wald? Wann steht es in der Früh auf und was tut es dann? Wann geht es schlafen, und wo, und wie lange schläft es? Wie lange lebt so ein Schwein eigentlich, und wie ändert sich sein Charakter über die Lebensabschnitte hinweg? Alle diese Fragen ließen meine GesprächspartnerInnen aus der Schweineindustrie nur abwinken. Aber was, wen interessiert das schon, warum soll das wichtig sein.

Das ist doch bemerkenswert! Die Menschen, die von der ÖVP, dem Bauernbund und der Landwirtschaftskammer als die SchweineexpertInnen und TierschützerInnen schlechthin angepriesen werden, wissen eigentlich gar nichts von Schweinen. Sie wissen nur, wie wenig Platz ein Schwein gerade noch lange genug überlebt, um in den Schlachthof zu kommen. Sie wissen wieviel von welchem Futter die Profite maximiert. Und sie wissen, wie es ihrer Erfahrung nach immer schon war und wie es daher immer weitergehen soll. Nur ist das schon sehr dürftig.

Es gibt mehr als 200 Gnadenhöfe und Tierheime in Österreich, also Orte, an denen Tiere bis zu ihrem natürlichen Tod von (zumeist) tierliebenden Menschen gepflegt werden. Viele dieser Höfe nehmen auch Schweine auf, die in irgendeiner Form das Glück hatten, ihren Betrieben zu entkommen. Im Tierparadies Schabenreith (www.tierparadies.at), das mit dem VGT assoziiert ist und das ich persönlich sehr gut kenne, leben momentan 25 Schweine mit einem ununterbrochen zugänglichen Auslauf von 9 Hektar Wiese und Wald. Schon 3 Mal in letzter Zeit hat es dort Geburten in dieser Haltungsform gegeben, jeweils weil die Schweinemütter schon im schwangeren Zustand in den Gnadenhof gekommen sind. Allein an diesem Gnadenhof gibt es also jahrzehntelange Erfahrung mit praktisch frei lebenden Schweinen. Damit kann kein Schweinebetrieb und insbesondere keine Schweinefabrik mithalten. In Sachen Schweinen sind die TierschützerInnen die ExpertInnen, soviel steht fest.

Ein Gedanke zu “24 Stunden lang blieb eine Linzerin im Schweine-Kastenstand

  1. Für den Vergleich Kastenstände-Sicherheitsgurte möchte ich die “Schweineexperten” für die goldene Apfel-Birne nominieren.
    Ein Preis, der für den dümmsten Vergleich ausgegeben werden sollte.

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