Der Verein Gegen Tierfabriken (VGT) ist jetzt 25 Jahre alt geworden! Was für bewegte 2 ½ Jahrzehnte! Angefangen hat alles zu einer Zeit, als Tierschutz für Nutztiere noch ein Fremdwort war. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es Tierschutzvereine, und damals verband man mit Tierschutzarbeit die Hilfe für obdachlose Hunde und Katzen, vielleicht auch einen Gnadenhof für ausrangierte Arbeitspferde. Tierschutz galt als eine gute Tat, keine politische Arbeit an der Gesellschaft, der Schutz von Tieren war ein Akt von Tierliebe, keine Frage der Gerechtigkeit. Und Nutztiere, ja, die waren dazu da, genutzt zu werden. Schützen brauchte man die nicht. Wovor? Vor ihren eigenen „BesitzerInnen“?
Das war der Ausgangspunkt, als der VGT gegründet wurde. Gründungsvater war Hans Palmers, damals Mitbesitzer der gleichnamigen Unterwäschekette und für 10 Jahre unser Obmann. Die erste Zeit wurde von ihm finanziert, bei den ersten Demos für Tierschutz durften wir das Demomaterial in einer Filiale von Palmers aufbewahren. Naiv ging man gleich einmal Proteste gegen McDonalds an. Die Restaurantkette wurde Anfang der 1990er Jahre weltweit kritisiert und reagierte mit Klagen. So auch in Österreich. Durch das ungleiche Budget war der VGT sehr bald in der Ecke und musste klein beigeben: um den ruinösen Prozess abzuwenden mussten wir unterschreiben, McDonalds nie mehr auf Flugblättern zu erwähnen und vor Filialen auch nie mehr zu demonstrieren. So lernten wir auf die harte Weise ganz am Anfang unserer Existenz was ein SLAPP ist.
Keine Handys, keine Emails
Anfang der 1990er Jahre waren Mobiltelefone und das Internet noch unbekannt und niemand hatte einen Computer zu Hause. Also wurden die Aussendungen an unsere AktivistInnen per Brief mit der Post verschickt! Schnell einmal auf eine politische Entwicklung mit einer Aktion zu reagieren, war also nicht so leicht. Monatlich gab es einmal ein Aktivistentreffen und da wurde die eine Aktion pro Monat geplant. Das waren jeweils Versuche, Medienberichte über Tierleid zu erreichen, sodass die Bevölkerung sensibilisiert werden konnte. Ernsthafte politische Forderungen waren noch nicht auf der Agenda, dazu war unser Selbstvertrauen noch zu gering. TierschützerInnen wurden noch nicht Ernst genommen und hatten Narrenfreiheit. Das hatte den Vorteil, auch bei sehr wilden Aktionen ungeschoren davon zu kommen, aber andererseits war die politische Wirkung vernachlässigbar.
Aktionen zu dieser Zeit waren z.B. jene unter dem Banner „Lieber nackt als Pelz“. Nackte AktivistInnen ketteten sich z.B. in den Eingang des damaligen Kleider Bauer Pelzdepartements in der Shopping City Süd bei Wien oder gingen hinter einem Transparent mit dieser Aufschrift durch die Kärntnerstraße in Wien. Mehrmals wurden offene Befreiungen durchgeführt, so z.B. bei einer Putenmast oder auch der größten Schweinemast im Burgenland. Dazu drangen die AktivistInnen noch im Schutz der Dunkelheit – aber unter Begleitung eines Medienteams – in die Tierfabriken ein, trugen ein paar der Tiere ins Freie und setzten sie in einen umzäunten Bereich in eine Wiese. Dann warteten wir, bis die BesitzerInnen und kurz darauf die PolizistInnen kamen.
Die Medien waren dankbar für solche Aktionen und berichteten breit. Ein Format im ORF brachte fast wöchentlich unsere Bilder aus Tierfabriken und auch eine Wochenzeitung widmete sich dem Thema mit einer ganzen Serie. Das war vermutlich deshalb möglich, weil man uns in den elitären Zirkeln der Politik noch nicht als Gefahr wahrnahm. Heute zahlen WerbekundInnen aus der Tierindustrie den Medien große Werbeeinschaltungen mit der Auflage, dass sie dafür nicht positiv von uns und nicht von Aufdeckungen in Tierfabriken berichten. Das ist der traurige Stand der Dinge.
Tiertransportblockaden
Aber so richtig berühmt wurde der VGT in den 1990er Jahren durch seine Tiertransportblockaden. 1995 hatte die Regierung ein Tiertransportgesetz erlassen, das heute noch vorbildlich wäre: es wurde verboten, Tiere grundsätzlich länger als 6 Stunden oder weiter als 250 km zu transportieren. Damit wurden alle ausländischen Tiertransporte durch Österreich illegal. Doch niemand hielt sich an das Gesetz. Die nächste Lektion in Politik: im Tierschutz gibt es ein dramatisches Vollzugsdefizit, nur weil es ein Gesetz gibt, ändert sich noch lange nichts an der Praxis. Ohne eine Exekutive, die willig ist, ein Gesetz durchzusetzen, ist es nicht einmal das Papier wert, auf dem es geschrieben steht.
Bis in die 2000er Jahre wurden insgesamt 18 Tiertransportblockaden durchgeführt. Dabei stoppten wir die Transporter, ketteten uns an die LKWs und forderten, AmtstierärztInnen müssten die Ladung kontrollieren und dann die Weiterfahrt verbieten. Jedes Mal war der Transporter illegal, jedes Mal durfte er aber weiterfahren, weil die Behörde nicht wusste, was sie sonst mit den Tieren anfangen sollte. Unsere Blockaden wurden entsprechend drängender, bis die Polizei uns immer brutaler entfernte und zuletzt sogar 17 Personen festnahm und bestrafte. Es war uns nicht möglich, die Einhaltung des Gesetzes zu erreichen, bis dann 1998 doch erstmals ein Strafbescheid erlassen wurde. Aber in der Berufung hob das Gericht nicht nur den Strafbescheid sondern gleich unser ganzes Tiertransportgesetz auf: Österreich war in die EU eingetreten und da mussten wir den freien Warenverkehr ermöglichen.
Pelzfarmverbot
In den 1990er Jahren durfte man in Österreich eine Pelzfarm ohne jegliche Auflagen führen, man musste das nicht einmal der Behörde melden. Im Jahr 1994 suchten wir TierschützerInnen daher die Pelzfarmen in Österreich und fanden und dokumentierten 43 davon. Besetzungen folgten, so saßen wir einmal auf dem Dach einer Pelzfarm, als der Farmer mit dem Gewehr erschien und über unsere Köpfe ballerte. Einem Filmteam eines deutschen Senders schoss er eine Leuchtrakete direkt in die Kamera.
Doch die Medienberichte waren nachhaltig positiv für den Tierschutz und das erzeugte Druck auf die Landesregierungen. Tierschutz war noch Landessache und so mussten wir, wie heute bzgl. der Gatterjagd, eine Landesregierung nach der anderen überzeugen. Die Bundesländer ohne Pelzfarmen erließen Verbote, 3 verschärften nur die Haltungsbedingungen und forderten Schwimmwasser für Nerze und Naturboden zum Graben für Füchse. Kommerzielle Farmen sind aber unter diesen Voraussetzungen nicht zu führen. Ein Gütesiegel der österreichischen KürschnerInnen konnte keine einzige der hiesigen Pelzfarmen erfüllen.
Schließlich spitzte sich alles auf Niederösterreich zu, wo die letzten beiden Pelzfarmen Österreichs standen. Nach vielen Aktionen, darunter auch Tierbefreiungen, gab einer der beiden Farmer auf. Im Februar 1998 besetzten wir daraufhin das Büro des damaligen Landeshauptmanns Erwin Pröll in St. Pölten. Nach 5 Stunden Besetzung verhandelte er mit mir und sagte zu, ein Verbot einzuführen. Nur 7 Tage später wurde dieses Verbot vom Landtag verabschiedet und trat am 30. November 1998 in Kraft. Der letzte Pelzfarmer erhielt 4,5 Millionen Schilling Kompensation vom Land NÖ, musste aber unterschreiben, nie mehr in Österreich Pelztiere zu züchten. Er übersiedelte daraufhin nach Tschechien und führt dort bis heute die größte Pelzfarm des Landes mit gut 10.000 Nerzen. Allerdings nicht mehr lange, das tschechische Pelzfarmverbot nach österreichischem Vorbild ist bereits im Parlament.
2002: Demokratisierung des VGT
Über die ersten 10 Jahre seiner Geschichte war der VGT richtig groß geworden. Bis dahin wurde die Buchhaltung eher lax geführt und es gab nie auch nur eine einzige Vorstandssitzung. Die Mitbestimmung der Aktiven und Mitglieder an der Finanzgebarung war gleich Null. Das musste nun anders werden. Im April 2002 gab eine Generalversammlung dem VGT eine neue Richtung. Seither wird jährlich ein neuer Vorstand gewählt, der mindestens alle 2 Monate tagen muss, dazu gibt es alle 2 Monate Plenarsitzungen und eine breite Mitsprache aller etwa 400 Aktiven. Die Buchhaltung wird seither top geführt und wir bekommen Jahr für Jahr das Spendengütelsiegel. Ebenso wurde ein fixes Gehaltsschema etabliert, das für alle gleich gilt, egal welche Ausbildung sie haben. Diese Maßnahme hat Streitereien um Geld bisher erfolgreich vorgebeugt.
Aus England importierten wir die Idee ständiger Demonstrationen und Aktivitäten auf der Straße, auch abseits von Medien. War es beim VGT bis 1997 noch üblich, einmal pro Monat eine Medienaktion durchzuführen, so erhöhten wir ab dann das Arbeitspensum. Gleich 1997 versuchten wir einmal eine ganze Woche hindurch ununterbrochen vor dem Pelzgeschäft Liska damals am Stock-im-Eisen Platz in Wien gegen Pelz zu demonstrieren. Seither gibt es bis heute jeden Samstag das gesamte Jahr hindurch die Demos mit Filmvorführung am Stefansplatz in Wien, dem belebtesten Platz Österreichs. Und wir begannen auch Aktionswochenenden zu organisieren, bei denen Samstag und Sonntag die gesamte Zeit über österreichweit Demos und Aktionen stattfanden.
Wildtierverbot im Zirkus
Doch die meisten Dauerdemonstrationen führten wir vor Zirkussen mit Wildtieren durch, von denen es Ende der 1990er Jahre etwa 10 in Österreich gab. Die Zirkusangestellten reagierten mit Gewalt, AktivistInnen wurden sogar am Nachhauseweg überfallen, unserem Anwalt wurde das Nasenbein durch einen Tritt ins Gesicht gebrochen, andere erhielten Schläge. Der Fernseher, auf dem wir unseren Zirkusfilm zeigten, wurde zerschlagen, Kameras wurden unter Gewaltanwendung geraubt. Weder die Polizei noch die Gerichte zeigten großes Interesse, uns vor diesen Gewaltorgien zu schützen. Auch das hat sich gegenüber heute geändert: die Gewalt gegen uns, ob bei Zirkusdemos oder bei Jagden, ist deutlich zurück gegangen.
Trotz zahlreicher negativer Presseberichte, die gerne die Zirkusse als kindgerechte Unterhaltung priesen, erhöhte sich der öffentliche Druck. Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung wollte überhaupt Tierzirkusse besuchen. Schließlich kam es zu einer bundesweiten Übereinkunft aller Landesregierungen und mit 1. Jänner 2005 war die Haltung von Wildtieren in Zirkussen in ganz Österreich verboten. Weltweit bis dahin einzigartig! Jetzt hatten wir als erstes Land der Welt neben einem Pelzfarm- auch ein Wildtierverbot im Zirkus. Großartig!
Bundestierschutzgesetz
Diese Erfolge gaben Selbstvertrauen. Jetzt wollten wir nach den Sternen greifen. Noch 2002 hatte ich mit Überzeugung gemeint, dass ich nicht erleben werde, dass Legebatterien verboten sind. Und dennoch beschlossen wir im Jänner 2003, das Legebatterieverbot anzugehen. Wichtig war dafür auch, dass Tierschutz zur Bundessache wird. Wir wollten ein einheitliches Gesetz für alle Tiere in Österreich und die Regierung als einzige Ansprechpartnerin für Tierschutzbelange. Nur so konnte Tierschutz auch ein politisches Thema werden und z.B. Teil von Wahlprogrammen sein.
Als Auftaktaktion unserer Kampagne betrat ich im März 2003 eine Legebatterie in NÖ zusammen mit einer Journalistin vom Falter. Ich befreite 7 Hühner und brachte sie auf die Notaufnahme der Veterinäruni Wien. Diese Befreiung löste eine Serie von Medienberichten aus, weil ich letztlich angeklagt und in erster Instanz wegen „Dauernder Sachentziehung“ verurteilt wurde. Das Landesgericht St. Pölten erklärte aber in zweiter Instanz meine Tat für nicht strafwürdig und sprach mich frei. Ein unglaublicher Erfolg!
Im Sommer 2003 wurde innerhalb von 15 Tagen in 48 Legebatterien, die 40 % aller Legehühner Österreichs hielten, gefilmt. Das Resultat präsentierten wir in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit. Damit hatten wir auch eine neue Aktionsform geschaffen: die flächendeckende Recherche. Wenn man Bilder nur einer Legebatterie an die Öffentlichkeit bringt, sagen Tierindustrie und Politik sofort, es handle sich ja nur um ein schwarzes Schaf, alle anderen Legebatterien seien wunderbar. Das war nicht mehr möglich, als Fotos und Filme aus 40 % aller Legebatterien gleichzeitig publik wurden und überall dieselben Missstände zeigten. Diese Aktionsform wurde seither international aufgegriffen und bzgl. verschiedener Tierfabriken in zahlreichen Ländern nachgeahmt. Österreich mag in vielen Dingen rückständig sein, aber durch den VGT und andere Tierschutzorganisationen haben wir uns im Tierschutz jedenfalls international den Ruf erarbeitet, Vorbild zu sein. Unsere Legebatteriekampagne von 2003/2004 ist ein wesentlicher Grund dafür.
Es folgten zahlreiche weitere Aktionen, bis der Druck so groß wurde, dass die Regierung zustimmte, die konventionellen Legebatterien verbieten zu wollen, aber sogenannte ausgestaltete stattdessen zu erlauben. Das waren ähnliche Käfige mit ein wenig mehr Platz, einem Vorhang, hinter dem die Hühner ihre Eier legen sollten, einer kurzen Sitzstange im engen Käfig und einer Fußabstreifmatte als „Scharrraum“. Eine Augenauswischerei! Um das abzuwenden mussten wir rasch handeln. Wir erhöhten den Druck, protestierten ab Jänner 2004 täglich vor dem Landwirtschaftsministerium und nutzten erstmals 2 Landtagswahlen (Kärnten und Salzburg) und eine Bundespräsidentschaftswahl für unsere Kampagne. Nachdem die Regierung in allen 3 Wahlen Rückschläge hinnehmen musste, gab sie klein bei. Am 27. Mai 2004 wurde das neue Bundestierschutzgesetz im Parlament einstimmig beschlossen. Es enthielt ein echtes Legebatterieverbot – auch von ausgestalteten Käfigen – sowie unsere Forderung nach Tieranwaltschaften, die jetzt Tierschutzombudsschaften genannt wurden und das Vollzugsdefizit abbauen sollten. Auch die Aufnahme von Tierschutz in die Verfassung wurde uns versprochen, allerdings wurde dieses Versprechen zunächst gebrochen.
Erfolge ohne Ende
Die erfolgreiche Großkampagne für ein Bundestierschutzgesetz samt Legebatterieverbot gab uns so viel Selbstvertrauen, dass wir nun die Sache im großen Stil angehen wollten. Der Damm schien gebrochen, eine große Zukunft für Tierschutz möglich. Noch 2005 erreichten wir eine Einschränkung der Aussetzerei von gezüchteten Fasanen für die Jagd und ein Verbot des Ausstellens gefangener Singvögel im oö Salzkammergut. Letzteres wurde leider vom Verfassungsgerichtshof später wieder aufgehoben. Im Jahr 2006 folgte ein Verbot von Tierversuchen von Menschenaffen – weltweit einzigartig insofern, als dass bei uns die Gibbons als kleine Menschenaffen in das Verbot inkludiert sind. 2007 dann setzte der VGT das Verbot der Käfighaltung sogenannter Fleischkaninchen durch.
Auch in den Kampagnen gegen den Verkauf von Pelz ging einiges weiter. Im Jahr 2002 konnten wir die Kampagne gegen C&A erfolgreich abschließen und nach 4 Jahren mit Demos und Aktionen verkündete auch P&C im Jahr 2006 öffentlich, keinen Pelz mehr führen zu wollen. Und zu Schweinefabriken präsentierten wir im Jahr 2006 in einer Pressekonferenz zusammen mit dem Tierschutzsprecher der SPÖ und der Tierschutzsprecherin der Grünen Filme und Fotos aus 125 Schweinefabriken, die in 2 Sommermonaten desselben Jahres entstanden waren.
Gegenwind: Repression wird spürbar
Doch diese Erfolge wurden bemerkt. In elitären Zirkeln mit direktem Kontakt zu Tierfabriken, Pelzhandel und Jagd begann man, auf uns aufmerksam zu werden. Hier wurde „von unten“, sozusagen von der Straße aus, die Gesellschaft verändert, ohne dass die Mächtigen viel dagegen unternehmen konnten. Mit dem Legebatterieverbot z.B. entstand ein Gesetz, das aus rein ethischen Gründen die Kosten für die Herstellung eines Produkts auf das Doppelte anhob. In der Bodenhaltung können sich die Hühner viel mehr bewegen, sodass sie doppelt so viel Nahrung für dieselbe Anzahl von Eiern benötigen. Abgesehen davon passen nur mehr halb so viele Tiere in dieselben Hallen wie vorher. Da musste etwas geschehen, dachte offenbar jemand mit Einfluss. So sollte das nicht weitergehen.
Zuerst kam ein Redeverbot gegen mich an „meiner“ Uni Wien, wo ich sowohl mein Mathematikstudium absolviert als auch mein Doktorrat in Philosophie abgeschlossen hatte. Dann schickte das Amt für Terrorbekämpfung die Steuerfahndung zum VGT, um allen Ernstes zu überprüfen, ob für eine gemeinnützige Organisation nicht zu viele T-Shirts verkauft werden. Sollte der VGT in Wahrheit eine verdeckt arbeitende T-Shirt Firma sein? Der damalige Innenminister, Günther Platter, verkündete öffentlich, dass der VGT gewalttätig sei. Das ließ schon nichts Gutes ahnen. Und dann kamen die ersten Demonstrationsverbote, in Wien vor allen pelzführenden Geschäften, in Graz gleich für alle Tierschutzthemen.
Gleichzeitig, und ohne vom VGT bemerkt zu werden, begann im Oktover 2006 ein Staatsanwalt in Wr. Neustadt zu ermitteln, der bald durch die SOKO Tierschutz unterstützt wurde. 35 BeamtInnen aus dem Morddezernat und der Spurensicherung wurden ausschließlich darauf angesetzt, den VGT zu zerschlagen und seine FunktionärInnen hinter Gitter zu bringen. Man installierte Videokameras über den Eingängen von 12 Büros und Privatwohnungen, montierte GPS-Sender an 2 Fahrzeugen, schickte 2 Spitzel in den VGT, observierte einige Personen über Monate hinweg, überwachte 1 ½ Jahre lang Telefone und Emailkorrespondenzen von zig AktivistInnen und nahm DNA-Spuren auf. Letztlich kam es am 21. Mai 2008 zum großen Polizeischlag quer durch Österreich. 33 Hausdurchsuchungen, 10 Personen in U-Haft, das Büro des VGT in Wien leergeräumt! Mit einem Mal war nichts mehr, wie es vorher war.
Der Tierschutzprozess
Dass es die Schergen des Staates auf den VGT abgesehen hatten, war bald klar. Die Polizei weigerte sich, die beschlagnahmten Daten und Computer zurück zu geben. Die Ausrede war mehr als lächerlich: es könnte Kinderpornographie darunter sein. 10 Monate lang musste der VGT prozessieren, um zu seinem Recht zu kommen. 10 Monate, in denen er keinen Kontakt zu seinen Mitgliedern gehabt haben und keine Mitgliedsbeiträge einziehen hätte können – wären die Menschen nicht von sich aus besorgt mit dem VGT in Kontakt getreten. Kaum war die Buchhaltung zurück, wurde sie für eine neue Steuerüberprüfung wieder entfernt, auch diesmal vom Amt für Terrorbekämpfung ausgelöst. Der damalige Finanzminister, der heutige nö Landesjägermeister Josef Pröll, hatte die Fahnder in einem Brief beauftragt, dem VGT die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Wer für die Abschaffung der Jagd sei, so der Tenor, könne nicht gemeinnützig sein.
Als immer größere Teile des Aktes bekannt wurden, zeigte sich das Ausmaß dieser Polizeioperation. Allein im Jahr 2008 waren 267 TierschützerInnen optisch und akustisch überwacht worden. Die SOKO sprach von 150 Verdächtigen und erstellte für 46 Personen Abschlussberichte. Nach ihrer Fantasie solle es eine große kriminelle Organisation im Tierschutz geben, die seit 1988 (!) sämtliche Tierschutzkampagnen Österreichs durchgeführt hätte. Eine Absurdität, die zum Glück von der zuständigen Richterin letztlich nicht geglaubt wurde. Am 2. Mai 2011 kam es zum völligen Freispruch in allen Punkten gegen sämtliche 13 Angeklagten – darunter alle KampagnenleiterInnen des VGT.
Und trotzdem: Kampagne gegen Kastenstände
3 Jahre lang war die Arbeit des VGT darnieder gelegen. 3 Jahre lang musste die meiste Energie in die Rettung des Vereins investiert werden, mit Nachwirkungen bis heute. Doch die Solidarität der Menschen war ungeheuer groß, der Tierschutzprozess hatte den VGT mit einem Schlag in ganz Österreich bekannt gemacht. Der Zulauf an neuen Mitgliedern war enorm, auch immer mehr AktivistInnen schlossen sich dem VGT an. Heute haben wir ein Budget von über 1 Million Euro pro Jahr und 30 Angestellte. Kurz nach dem Tierschutzprozess zog der VGT in sein neues, deutlich größeres Büro in der Meidlinger Hauptstraße in Wien um.
Diese erfreuliche Entwicklung gab uns die Kraft, gleich an weitere Ziele zu denken. Am Tag des Freispruchs bereits setzte ich mich für 24 Stunden in einen Kastenstand für Mutterschweine am Stefansplatz im Stadtzentrum von Wien. Auch in anderen Städten Österreichs übernahmen TierschützerInnen diese Aufgabe. Überall wurde mobilisiert und wir forderten ein Verbot der Kastenstandhaltung. Bis 2011 durfte man in Österreich weibliche Zuchtschweine lebenslang in diesen körpergroßen Käfigen halten. Das sollte nun ein Ende finden.
Doch die Schweineindustrie ist die Mächtigste der Nutztierindustriezweige. Erst nach 35 Störaktionen bei Auftritten des ÖVP-Landwirtschaftsministers, nach einer 33 stündigen Blockade des Landwirtschaftsministeriums und nach zahlreichen Besetzungen von Landwirtschaftskammern war ein Verbot erreicht. Allerdings mit Wermutstropfen. Erstens gab es Ausnahmen für die ersten 10 Tage bei der Befruchtung und für die „kritischen Tage“ bei der Geburt und zweitens sollte das Verbot erst 21 Jahre später – im Jahr 2033 – in Kraft treten. Aber immerhin.
Zukunft: Erfolge werden schwieriger
Eines ist klar, die unbeschwerten Tage der „Kindheit“ des VGT sind vorbei. Wir werden nie mehr naiv intern Texte mit wütendem Unterton verfassen, ohne damit zu rechnen, dass sie einmal in ganz anderem Kontext als „radikal“ vor einer Richterin liegen. Wir werden bei unseren Aktionen immer das staatliche Bedrohungsszenario im Auge behalten müssen, statt drauflos zu agieren. Aber auch niemals mehr wird der ORF so rückhaltlos freundlich über uns berichten, wie noch in einer Sendung „Am Schauplatz“ im Jahr 2000. Die Wirtschaft, allen voran die Tierindustrie, ist gesellschaftlich und politisch immer dominanter geworden. Freihandelsabkommen bestimmen den Umgang mit Tieren, statt die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. Ja, in den letzten Jahren hatten wir auch Erfolge. So kam der Tierschutz endlich als Staatsziel in die Bundesverfassung, aber nicht ohne Zusatzbestimmungen für die Tierproduktion und Tierversuche in der Grundlagenforschung. Ja, wir konnten auch einen Kriterienkatalog für die Genehmigung von Tierversuchen erreichen, aber der wurde in der Implementierung zur völligen Unkenntlichkeit verwässert. Stattdessen hat uns die EU eine Richtlinie für Tierversuche vorgegeben, die nicht mehr, wie bisher, als Mindestanforderung gilt, sondern eine sogenannte Deckelungsrichtlinie darstellt. D.h. wir dürfen in Österreich nicht strenger sein, als uns das die EU vorgibt. Und ja, wir konnten eine drastische Erhöhung der Besatzdichten bei Masthühnern und Mastputen verhindern – aber im Tierschutz würde man doch eher Verbesserungen erwarten, als lediglich verhinderte Verschlechterungen.
Mit unseren großen Tiertransportrecherchen bzgl. der männlichen Milchkälber, von denen 80.000 jährlich aus Österreich in den Süden transportiert werden, und mit dem Videomaterial aus 20 Schlachthöfen Österreichs in den letzten Jahren konnten wir die Bevölkerung sehr gut über den Umgang mit Tieren hierzulande informieren. Dazu machten wir Mahnwachen mit toten Tieren mit bis zu 650 TeilnehmerInnen – ein weiterer Weltrekord.
Doch die Zukunftsaussichten sind zwiespältig. Der VGT ist größer denn je und hat ein größeres Arbeitsvolumen denn je. Die Bevölkerung ist heute deutlich vegan- und tierfreundlicher, als wir uns das früher hätten ausmalen können. Aber die Tierindustrie, bestehend aus dem Triumvirat Tierfabriksindustrie, Tierversuchsindustrie und Jagdgesellschaft, hat weiter an Macht und Einfluss gewonnen, insbesondere auch auf die Medien. Die Überwachung steigt ständig, die Einschränkung des Demonstrationsrechts wird größer, Repressionsgesetze nehmen Überhand – es ist nicht klar, wohin sich unsere Demokratie entwickeln wird. Und ohne Demokratie, also in einem autoritären Staatssystem, kann man die Tierschutzarbeit leider vergessen.
Diese bewusste Sendung „Am Schauplatz“ im Jahr 2000 hatte mich endgültig vom Veganismus überzeugt und für diesen persönlichen Entwicklungssprung fühle ich micht dem VGT bis dato verbunden.
Gratulation zu den bereits hart erkämpften Erfolgen und alles Gute für die noch schweren Aufgaben welche die Zukunft bringen wird.
Vielen Dank Martin Balluch und
Vielen Dank an den gesamten VGT, für Eure Arbeit.
Ein wenig durfte ich Euch in den letzten Jahren kennenlernen, konnte Eure Hilfe bei meiner Arbeit für die Stadttauben nutzen und ein paar mehr oder weniger große Demonstrationen/Mahnwachen mit Euch gemeinsam erleben. Dies soll auch weiterhin so sein – ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch in Wien und Österreich.
So wie ich Eure Unterstützung geniessen durfte, so werde ich auch Euch unterstützen, so gut ich es kann.
Bis Bald
Nadine Hoffmann-Voigt
Stadttaubenhilfe Unterfranken
Bayern.