29. März 2024

7 Stunden mit Pallas Athene

Der einstimmige Beschluss für Tierschutz in der Verfassung war fast auf den Tag genau 4 Jahre alt, als wir ein langes grünes Transparent mit der Aufschrift „Tierschutz in die Verfassung!!! Versprochen 27. Mai 2004, eingelöst ???“ zusammennähten. Ich hatte an diesem historischen Tag im Mai 2004, an dem auch das Bundestierschutzgesetz beschlossen worden war, die Abstimmung in der Galerie des Parlaments mitverfolgt und war überglücklich, schien es doch so, als sei unsere intensive Kampagne endlich von Erfolg gekrönt.

Nachdem wir 4 Jahre lang bzgl. der Umsetzung vertröstet worden waren, wollten wir im Mai 2008 zu Aktionen schreiten und eine Kampagne beginnen. Doch Polizeiüberfall und Gefängnisaufenthalt im Rahmen der Tierschutzcausa machten mir einen Strich durch die Rechnung. Erst heute, weitere 4 Jahre und 4 Monate später, konnte bzw. musste ich die Aktion nachholen – mit dem alten Transparent von damals, das für genau diese Aktion ausgemessen worden war.

Um 5:30 Uhr heute früh trafen wir uns im Rathauspark und richteten die Seile zurecht. Dann gingen wir zu zweit noch im Dunkeln zur Pallas Athene vor dem Parlament und kletterten hinauf. Einschüchternd hoch stand sie im farblosen Licht der nächtlichen Scheinwerfer. Die Sache lief erstaunlich glatt, erst 20 Minuten nach Kletterbeginn ging irgendein Alarm im Parlamentsgebäude los und einige Männer in Zivil erschienen und riefen zu uns herauf, was wir da eigentlich machen würden. Naja, ich erklärte worum es ging und wurde schroff zurechtgewiesen, dass hier kein Transparent aufgehängt werden könne. Wir ließen uns aber nicht beirren.

Auf dem Podest der Pallas Athene, auf dem wir uns zu zweit zusammenkauerten, ist erstaunlich wenig Platz, man kann nicht einmal sitzen, man muss sich ständig anklammern. Wir legten gleich zu Anfang eine Sicherheitsschlaufe um den metallenen Speer der marmorierten Göttin der Weisheit, anschließend banden wir zwei 11 mm dicke Seile um ihre Hüfte und fixierten uns dort an Laufleinen. Das Transparent führten wir an Seilen durch die Arme und Hände der Statue und konnten es gut abspannen. Die Statue selbst war sehr brüchig, höchste Sorgfalt mussten wir bei der Belastung von Vorsprüngen walten lassen, nie hängten wir uns in die Sicherheitsseile, die an ihr montiert waren. Noch vor nicht allzu langer Zeit war eine Touristin ganz unten auf dem marmorierten Gesetzbuch einer der Brunnenfiguren gestanden, das dabei abbrach. In unserer Höhe von mehr als 15 m durfte das nicht passieren – abgesehen von den hohen Reparaturkosten.

Nach dem Besuch einiger JournalistInnen einigten wir uns im Gespräch mit der Parlamentsdirektion und einem Vertreter des SPÖ Parlamentsclubs, nicht länger als bis 12 Uhr zu bleiben. Die Polizei hielt sich im Hintergrund, der Kontakt mit ihr blieb freundlich.

Da wir den Brunnen vor dem Anstieg durchquert hatten, waren wir bis zum Schritt nass. Die Kletterei führte ich deshalb bloßfüßig durch, einer der Sandalen an meinem Klettergurt fiel dabei leider zu Boden. So freuten wir uns doch über die ersten wärmenden Strahlen bei Sonnenaufgang, in nasser Hose auf eiskaltem Stein.

In einem Moment, als die Polizei gerade in ihrer Aufmerksamkeit nachließ, seilte ich meinen Kletterpartner an mir ab und er verschwand in den Büschen des Rathausparks, zunächst von der Polizei verfolgt, doch er konnte rasch entkommen. Das Kalkül dabei war, zu vermeiden, seine Daten dem Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung auszuliefern. Immerhin war das seine erste Aktion und er wollte eigentlich der Aufmerksamkeit dieser seltsamen Behörde entgehen, die, so scheints, sich hauptsächlich mit Tierschutzaktivismus beschäftigt. Zum Glück gelang ihm das auch.

Nach ziemlich genau 6 Stunden in luftiger Höhe begann ich den ganzen Seil-Wirr-Warr abzubauen. Eine Stunde später stand ich, wiederum nass bis zum Schritt nach erneuter Brunnendurchquerung, vor dem Einsatzleiter der Polizei, der mich längst erkannt hatte und mit Namen ansprach. Von einer Festnahme wurde abgesehen – vielleicht war ich zu nass? –, ich werde aber wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angezeigt.

Ob Minister Töchterle so rasch die Einlösung meiner Ankündigung von Aktionismus erwartet hat?

9 Gedanken zu “7 Stunden mit Pallas Athene

  1. Grandiose Aktion! Und was mir dabei nebenbei noch ganz besonders große Freude bereitet hat: Der Kletterpartner konnte unerkannt entkommen. Eine Genugtuung – und Notwendigkeit – in Zeiten wie diesen.

    Noch was: Danke für die laufende Berichterstattung.

  2. sorry, habe erst jetzt den diesbezüglichen beitrag vom 25.9. gelesen, meine frage ist also hinfällig. werde den övp-herren entsprechend antworten.

  3. ich habe die anregung im blog-beitrag vom 5.9. aufgegriffen und gestern an die 3 herren der övp geschrieben. das ist die antwort:
    “Sehr geehrte Frau ………,
    Vielen Dank für Ihr Schreiben vom September dieses Jahres, Ihre Bedenken sowie Ihre offenen Worte an Herrn Vizekanzler BM Dr. Michael Spindelegger, der mich gebeten hat Ihnen zu antworten.
    Der Verfassungssprecher der ÖVP, Abg.z.NR Dr. Wolfgang Gerstl, ist bereits seit dem Frühsommer mit der SPÖ in Gesprächen über einen gemeinsamen Antragsentwurf, der als Grundlage für die Konstituierung des Verfassungsunterausschusses für die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung dienen soll und der sodann, gemeinsam mit sämtlichen Vorschlägen der Opposition, im Unterausschuss intensiv diskutiert und beraten werden sollen.
    Ich möchte aber auch festhalten, dass sich die ÖVP wider oftmals vorgebrachter Behauptung niemals gegen eine rasche Konstituierung dieses Unterausschusses ausgesprochen hat sondern eine schnellstmögliche Konstituierung des Unterausschusses zur Erstellung eines Staatszielkataloges begrüßt, der meines Erachtens natürlich auch Tierschutz enthalten kann.
    Es sollte daher die umfassende Diskussion des Jahres 2004 möglichst rasch wieder aufgenommen werden, um den Tierschutz wie von Ihnen gewünscht allenfalls auch auf Verfassungsebene zu heben, aber nicht ohne dabei genaue Abgrenzungen festzulegen, die den Schutz der Rechte der Menschen objektiv gewährleisten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Martin Ledolter
    Dr. Martin S. Ledolter, LL.M.
    Kabinett des Vizekanzlers”

    abgesehen davon, dass es das erste mal ist, dass ich von der ÖVP eine antwort erhalten habe …….. was ist davon zu halten?

  4. Die meisten Menschen in Österreich lieben Tiere und wollen, daß es ihnen gut geht!! Da ist ein mächtiges Ungleichgewicht bei den Politikern, die meisten Politiker empfinde ich als extrem tierschutzfeindlich.
    Lange kann auch die Politik den Willen und den Wunsch der Menschen nicht ignorieren.
    Bestimmt werden sie in der Zukunft alle behaupten, sie waren eh auf Deiner Seite und haben den Tierschutz unterstützt.

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