22. November 2024

Zwangsarbeitslager statt Tier-KZ?

Der Vergleich von Tierfabriken mit Konzentrationslagern des Dritten Reichs, bzw. allgemeiner, der Vergleich der Nutztierhaltung mit dem Holokaust ist in vieler Hinsicht problematisch. Der wesentlichste Punkt dabei ist sicherlich die absolut unfassbare Dimension, die der Umgang mit Menschenleben in Nazideutschland erreicht hat. Die dokumentierten Aussagen in der Wannseekonferenz z.B., wo über das Leben von 70.000 sogenannter „Halbjuden“ entschieden wurde, als diskutiere man die größte Nebensächlichkeit der Welt, erschüttert abgrundtief. Es ist für mich rein emotional völlig nachvollziehbar, diese Dimension des Grauens nicht mit anderen Gräueltaten vergleichen zu wollen, egal welcher Form.

Daneben gibt es natürlich rein sachliche Aspekte, die einen Vergleich des Holokaust mit der heutigen Fleisch“produktion“ hinken lassen: im Dritten Reich wollte man eine gewisse Menschengruppe aus ideologischen Gründen möglichst rasch und spurlos vernichten, die Tierfabriken dienen im Gegensatz dazu der maximalen Ausbeutung für Profit und Luxus, vielleicht auch aus Tradition.

Zentral ist dagegen für mich im Umgang mit den sogenannten Tieren, in Abgrenzung zum Menschen, dass man sie zu Sachen degradiert und nicht als Personen anerkennt. Die Konsequenz ist, dass sie nicht als Subjekte mit eigenen Interessen gelten. Dann ist es z.B. kein Mord, ein Tier, das keine Person sondern Sache ist, zu töten. Niemand kann im Namen von Tieren, die keine Personen sondern Sachen sind, die Einhaltung der Gesetze zu ihrem Schutz gerichtlich erzwingen. Und natürlich kann niemand im Namen von Tieren, die keine Personen sondern Sachen sind, Schadensersatz einklagen oder gegen behördliche Beschlüsse berufen.

Kürzlich konnte ich ein aus der Zeit des Dritten Reichs recht gut erhaltenes Zwangsarbeitslager in Deutschland besuchen, das heute ein Museum ist. Unter Fritz Sauckel wurden viele Millionen von Menschen, die die Nazi-Ideologie als minderwertig einstufte, z.B. in Polen auf offener Straße oder in Kinos während der Vorführung eingefangen und nach Deutschland verschleppt. Diese Personen wurden dann als ArbeitssklavInnen benutzt und kamen dafür u.a. auch in Zwangsarbeitslager. In der Organisation Todt mussten viele davon für die deutsche Rüstungsindustrie arbeiten.

Und das zentrale Element der Ausbeutung dieser ZwangsarbeiterInnen war, dass sie ihren Status als Personen verloren. Sie hatten keine anerkannten Interessen mehr, die von einem Gericht oder der Behörde oder von AnwältInnen vertreten oder wenigstens beachtet werden mussten. Sie zu töten war kein Mord mehr. Gesetze, die dem Schutz von Menschen im Dritten Reich dienten, waren von ihnen nicht mehr einklagbar, d.h. sie verloren komplett ihren rechtlichen Schutz. Man konnte sie verletzen und es war im schlimmsten Fall Sachbeschädigung am Besitz der LeiterInnen der entsprechenden Betriebe, denen sie zugeteilt waren. Diese ArbeitssklavInnen sollten nicht vernichtet werden. Sie dienten der maximalen Ausbeutung für Profit und Luxus. Wie die sogenannten Nutztiere in den Tierfabriken.

Das waren die Gedanken, die mir beim Besuch der Gedenkstätte des Zwangsarbeitslagers durch den Kopf gegangen sind.

Übrigens wurde dieses Zwangsarbeitslager, das ich besucht habe, nach dem zweiten Weltkrieg ein Tierversuchslabor mit zig tausenden Versuchstieren. In denselben Räumen, in denen die menschlichen ZwangsarbeiterInnen im Dritten Reich gehalten und gequält wurden, hielt und quälte man in der freiheitlichen Demokratie danach Versuchstiere. Ein Vergleich also, den uns die Geschichte dieses Ortes aufzwingt.

4 Gedanken zu “Zwangsarbeitslager statt Tier-KZ?

  1. Unbeschreiblich wozu Menschen fähig sind, im Guten wie im Bösen. Greueltaten im Holocaust, unmenschlich, nicht tierisch, vielmehr satanisch ebenso die Erfahrungsberichte aus Kriegsgebieten damals wie heute, von Mensch zu Mensch geduldet, geworben, gelockt, gefördert, gedrillt mißbraucht zum Greuel, wenn er es auch nicht versteht oder nicht verstehen will, wieviel Schuld lädt der, der von Greuel und Zerstörung lebt in seiner schöngeredeten Welt mit Freunden, die´s ihm gleichreden mit Lügen. Wie groß ist dabei das Selbstmitleid der Verletzer? Etwas läuft krass verkehrt. Das Innere möge stark sein.

    Big Brother ist watching you. – Godfather ist watching you!
    Auch wenn´s lange dauert, alles wird gut.

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