22. November 2024

SOKO-Tierschutz vom Landesgericht Wr. Neustadt verurteilt!

Was wie ein absurder Scherz klingt, ist tatsächlich wahr. Am 14. Oktober 2010 wurde eine Beschwerde von mir gegen die SOKO von Richterin Mag. Edelbacher im selben Schwurgerichtssaal des Landesgerichts (LG) Wr. Neustadt, in dem wir im Tierschutzprozess immer sitzen, behandelt. Nur diesmal saß die momentane Leiterin der SOKO auf der Anklagebank, während ich und mein Anwalt in den bequemen Sesseln vor dem großen Anwaltstisch Platz nehmen konnten. Und tatsächlich wurde die SOKO verurteilt! Doch bevor wir uns zu früh freuen, möchte ich gleich sagen: die Verurteilung hat für die SOKO keine Konsequenz, während ich meinen Anwalt selbst bezahlen muss.

Aber jetzt alles der Reihe nach. Im Mai 2008 wurde ich zusammen mit 9 anderen Personen in U-Haft überstellt, weil wir beschuldigt wurden, eine kriminelle Organisation zu bilden. Niemand konnte mir erklären, warum man mich verdächtigte, also wollte ich Akteneinsicht nehmen. Zunächst beantragte ich das am 30. Oktober 2008. Die SOKO hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 2 Jahre gegen mich ermittelt, und das mit allen Schikanen wie Peilsendern am Auto, Spitzel in meinem Verein, Mikrophone in meinem Büro, Videofalle beim Hauseingang, Observationen, Kontoüberwachung, Telefonabhören und Email-mitlesen. Ich wollte wissen, was bei diesen Überwachungen herausgekommen ist, was mich verdächtig gemacht haben könnte. Doch meine Hoffnung war kurzlebig: bereits am 4. November 2008 wurde mein Antrag mit der Begründung abgelehnt, eine Akteneinsicht würde die Ermittlungen gegen mich gefährden.

Offenbar liefen diese noch auf vollen Touren. Wir stellten einen zweiten Antrag auf Akteneinsicht. Diesmal brachten wir das vor den damaligen Untersuchungsrichter Mag. Pablik, ebenfalls am Landesgericht Wr. Neustadt, und dieser entschied am 24. Februar 2009, die SOKO müsse uns Akteneinsicht gewähren. Das Urteil ist in aller Deutlichkeit gefällt. Zu den Ausflüchten der Polizei hielt der Richter fest: „Auch die Diktion ‚Informationsvorsprung‘ und ‚Nachteil für die Ermittlungen‘ [der Polizei] zeigt die Intention, den Beschuldigten ‚im Dunkeln‘ zu lassen, ein Vorgehen, das mit einem rechtsstaatlichen Strafprozess nicht kompatibel ist.“ Das Urteil: „Die Kriminalpolizei wird nunmehr umgehend die Rechte des Beschuldigten auf ein faires Verfahren zu akzeptieren und ihm bzw. seinem Verteidiger Einsicht in die von ihr geführten Akten zu gewähren haben.“ Aus der Begründung: „Schon allein die Tatsache, dass das Ermittlungsverfahren seit November 2006 anhängig ist und dem Beschuldigten im Oktober 2008 noch immer von der Polizei die Einsicht in den kompletten Akt verweigert wird, zeugt von einer maßlos überbordenden Heranziehung der als äußerst vorsichtig anzuwendenden Ausnahmebestimmung des §51 Abs 2 StPO.“

Und was geschah? Nichts! Die SOKO ist offenbar ein Staat im Staat und an etwas so Lächerliches wie richterliche Beschlüsse nicht gebunden. Wir konnten keine Akteneinsicht bei der SOKO nehmen, lediglich die Akten beim Staatsanwalt waren uns zugänglich. Diese enthielten aber nur die Spitze vom Eisberg, das, was die SOKO von ihren Ermittlungsergebnissen freiwillig weiterzugeben bereit war, sicher nicht mehr als 10% der ihnen vorliegenden Fakten. Wir beschwerten uns erneut beim Gericht und die SOKO zeigte sich sehr wendig und erfinderisch in Ausreden. Einmal war ein Beamter auf Urlaub, ein anderes Mal wurden Anweisungen des Gerichts missverstanden oder Faxe des U-Richters „verloren“. Anfang Jänner 2010 wurde es Richter Mag. Pablik zu bunt und er legte einen Gerichtstermin fest, in der erklärten Absicht die SOKO zu verurteilen, sollte sie weiterhin seinen Beschluss ignorieren. Sage und schreibe 4 Tage vor der Verhandlung wurde der resolute Richter von diesem Fall abgezogen und an ein Wiener Gericht „befördert“.

Die nächste zuständige Richterin am LG Wr. Neustadt unternahm in der Sache Akteneinsicht überhaupt nichts. Das Verfahren ruhte und der Tierschutzprozess mit einer anderen Richterin begann – noch immer ohne Akteneinsicht in den Polizeiakt. Ein gutes ¾ Jahr später ging die für den Akteneinsichtsprozess zuständige Richterin in Karenz und Richterin Mag. Edelbacher wurde bestellt. Sie hat schließlich den 14. Oktober 2010 für eine Verhandlung festgelegt.

Und tatsächlich wurde die SOKO von Richterin Mag. Edelbacher verurteilt: „Die pauschale unbegründete Verweigerung der SOKO von Akteneinsicht hat DDr. Martin Balluch in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt“.

So weit so gut. Doch dann kam die Überraschung: Die SOKO bekommt dafür keinerlei Strafe. Ich habe meine eigenen Anwaltskosten für dieses Verfahren, das ich gewonnen habe, zu tragen. Und da die SOKO erklärt hatte, dass sie nicht mehr gegen mich ermittle und bereits aufgelöst sei, könne ich auch jetzt keine Akteneinsicht mehr nehmen! Obwohl das Verfahren gegen mich im Tierschutzprozess weiter läuft!

Was für ein Schildbürgerstreich! Wie hat die deutsche Zeitung „Die Zeit“ aufgrund des Tierschutzprozesses über Österreich geurteilt: eine Zwetschkenrepublik. Leider trifft das zu. Liebe BürgerInnen von Österreich, wenn Euch die Polizei in Eurem Recht auf Akteneinsicht verletzt, dann könnt Ihr sie zwar dafür vor Gericht bringen und sie wird verurteilt, aber Eure Prozesskosten tragt Ihr selbst, der Polizei geschieht gar nichts und Akteneinsicht bekommt Ihr deswegen auch nicht!! Und das ist nicht das einzige Gesetz, das die SOKO in diesem Verfahren gebrochen hat.

Wenn also die technische Überwachung meines Büros, die Peilsenderüberwachung über 4 Monate an meinem Auto, die Erfahrungen einer heimlich eingeschleusten verdeckten Polizistin in meinem Verein über 15 Monate usw. keinen Hinweis auf kriminelle Aktivitäten von uns im VGT geliefert haben – was sehr wahrscheinlich ist, sonst hätte das die SOKO sofort vorgelegt! – dann kann ich das nicht als entlastenden Beweis in meinem Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vorlegen. Die SOKO sagt dazu, diese Daten seien irrelevant. Natürlich, für sie sind Entlastungsbeweise nicht relevant. Für mich aber umso mehr. Nur, mein Menschenrecht auf Akteneinsicht beschränkt sich im juristischen Entwicklungsland Österreich auf jene Akten, die die Polizei mir von sich aus vorlegen will. Ich habe gelernt: in Österreich sind nicht einmal Gerichte in der Lage, die Polizei dazu zu bringen, Menschenrechte einzuhalten, zumindest, wenn es sich um ein politisch motiviertes Verfahren handelt!

11 Gedanken zu “SOKO-Tierschutz vom Landesgericht Wr. Neustadt verurteilt!

  1. Als ehemaliger Pressesprecher der Tierbefeier in Deutschland habe ich Euren Prozess, emotional ergriffen, verfolgt. Das was ich für mich immer befürchtet hatte ist in Österreich eingetroffen. Legal arbeitende Menschen werden öffentlich diskriminiert und wirtschaftlich ruiniert weil es den “mächtigen Gegnern” nicht gefällt was öffentlich wird. Die Brüder Graf werden ihren Pelzhandel aufgeben – da bin ich mir sicher. Kluge Menschen können sich dem vernünftigen Handeln nicht dauerhaft entziehen. Eurer Preis war nicht umsonst. Herzlichen Glückwunsch !

  2. Bewundernswert, dass Du es schaffst, neben dem laufenden Verfahren, Zeit und Kraft aufzuwenden um dich um Ungerechtigkeiten und von der Richterin abgeschmetterte relevante Tatsachen wie diese zu kümmern!
    War wohl aber abzusehen, dass das Verfahren gegen die Soko keine relevanten Konsequenzen mit sich zieht. Von wegen gleiches Recht für alle und Gerechtigkeit.

  3. veggie-bee hat völlig recht. Aus diesem Urteil bzw. dieser rechtlichen Würdigung folgt zunächst einmal keine juristische Konsequenz.

    Eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch könnte darauf aufbauen, aber solche Anzeigen hat es bereits haufenweise gegeben und sie wurden alle einfach kommentarlos niedergelegt. Ja, die Richterin hat sogar immer wieder im Verfahren gesagt, dass es quasi unsere verrückte Gesinnung zeige, wenn wir laufend die Ermittlungsbehörden wegen Amtsmissbrauch anzeigen, eben paranoia querulans.

    Es wurde uns empfohlen, auf Basis dieses Urteils bzw. dieser richterlichen Würdigung eine Schadensersatzklage gegen die SOKO zu machen. Die ist gerade in Arbeit. Es ist jedenfalls scheinbar unmöglich, sich gegen solche Gesetzwidrigkeiten der Polizei effektiv zu wehren.

  4. Der Vorgang ist unfassbar, aber nicht unglaublich, leider.
    Was mir ein bisschen Rätselhaft bleibt ist die Geschichte mit dem Urteil gegen die Soko. Der Satz
    „Die pauschale unbegründete Verweigerung der
    SOKO von Akteneinsicht hat DDr. Martin Balluch
    in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt“.
    ließt sich nicht wie ein Urteil, sondern wie eine rechtliche Würdigung. Da die SOKO aufgelöst ist, kann der Beschwerde nun natürlich nicht mehr stattgegeben werden. (Beschwerden enden nicht mit Urteil)
    Möglicherweise kommt ja eine Strafanzeige wg. Rechtsbeugung oder irgend etwas in Betracht. Diese richtet sich gegen den Leiter und/oder Mitarbeiter der SOKO.
    Strafanzeige kann man selbst stellen, dann kosten sie auch kein Geld (zumindest hier in Deutschland).

    Viel Erfolg für den Prozess!

  5. Ein Hohn für einen Staat der sich für einen Rechtsstaat hält.
    Gesetze sind das Papier nicht wert auf dem sie gedruckt sind, wenn Urteile an keine Konsequenzen gebunden sind. Und die korrupten Staatsdiener nützen diesen Zustand redlichst aus.

    Österreich eine Zwetsckenrepublik: da stimme ich mit Martin Balluch völlig überein.

  6. Unfassbar. Und wieder einmal ist niemand dafür verantwortlich, dass Menschenrechte missachtet wurden. Und natürlich dürfen die Leute, die so agiert haben, genau das auch völlig ungehindert weiterhin machen …

    Österreich hat nichts mit einem Rechtsstaat zu tun!

  7. unfassbar!!!
    lieber martin balluch, bitte weiter berichten. wenn hier keine kommentare kommen, dann deswegen, weil es jedem die sprache verschlägt.

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