22. November 2024

Spitzel wo man hinschaut! – zu Besuch im Ministerium für Staatssicherheit, Berlin

P1050900klein
Das Areal des ehemaligen Museums für Staatssicherheit der DDR ist gewaltig!

Eines der in meinen Augen hervorragend geführten Museen in Berlin ist jenes im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit über die Stasi. Polizeizentralen und –gefängnisse betrete ich immer mit sehr gemischten Gefühlen, auch wenn es sich um Gedenkstätten handelt. In diesem Museum ist die Stasi-Tätigkeit so aufbereitet, dass man darüber entsetzt ist. Gleichzeitig aber passiert sehr Ähnliches heute noch genauso, auch bei uns. Das Museum birgt daher die Gefahr in sich, den Eindruck zu erwecken, das seien nur Dinge der Vergangenheit, nur Zustände in einer Diktatur, aber die heutige politische Polizei (das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT in Österreich) agiere ganz anders und sei demokratisch kontrolliert. Meine Erfahrungen widersprechen dem. Sicherlich hatte die Stasi in der DDR eine besondere Dimension und war vergleichsweise sehr wenig kontrolliert, aber CIA, MI5 und wie sie alle heißen stehen dem nicht viel nach, und auch das BVT in Österreich befindet letztlich außerhalb der Rechtsordnung, sonst hätten unsere Anzeigen mit klaren Beweisen von Verbrechen dieser Leute von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden müssen.

Da finden sich im Stasi-Museum z.B. unzählige Geräte zur Überwachung der BürgerInnen. Die Polizei war in der Tierschutzcausa auch nicht verlegen, Derartiges zu benutzen. In beiden Fällen, ja bei der gesamten Tätigkeit des BVT gegen den Tierschutz, die ungebrochen anhält, geht es ausschließlich darum, Personen, die sich in einer Weise kritisch äußern, die das System bzw. die Wirtschaft auch nur im Geringsten bedroht, zu verfolgen, zu kontrollieren und unschädlich zu machen.

P1050885klein
Der original erhaltene Eingangsbereich mit einem Modell des gesamten Ministeriumsareals

Am Augenfälligsten ist der Vergleich beim Spitzelunwesen. Die Tierschutzcausa hat mir in dieser Sache die Augen geöffnet. Heute können wir beweisen, dass die politische Polizei bereits 1999 und dann noch einmal 2007 mindestens einen Amateurspitzel und 2007/2008 für 19 Monate einen Profispitzel beim VGT und in meinem Umfeld eingeschleust hat. Da uns bis zuletzt die Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten widerrechtlich verweigert wurde – ein typisches Privileg einer politischen Polizei, sich nicht kontrollieren lassen zu müssen – ist davon auszugehen, dass es noch einige weitere Spitzel gegen den Tierschutz gab. Auch die oben genannten Spitzel wurden von der Polizei ja solange hartnäckig geleugnet, bis wir die Beweise vor Gericht vorlegen konnten.

Das Ministerium für Staatssicherheit, also die politische Polizei in der DDR, hatte zuletzt 95.000 Vollzeitangestellte und zusätzlich zu jedem Zeitpunkt zumindest der Jahre 1970-1990 180.000 Spitzel im Einsatz, also ein Spitzel für 89 BürgerInnen. Im Dezember 1988 waren 1553 davon in Westdeutschland tätig. Man schleuste sie in die politischen Parteien ein und ließ sie sich über die Jahre hinauf arbeiten, bis einer davon z.B. Parlamentsabgeordneter der Grünen und ein anderer die rechte Hand vom damaligen Bundeskanzler Brandt wurde. Auch der Mörder von Benno Ohnesorg, der als Demonstrant gegen den Schah von Persien am 2. Juni 1967 in Berlin von der Polizei erschossen wurde, war ein Stasi-Spitzel in der westdeutschen Polizei. Ohne das zu ahnen wurde er von einem „unabhängigen“ Gericht damals freigesprochen, obwohl er Ohnesorg von hinten in den Kopf geschossen und offensichtlich im Auftrag der DDR hingerichtet hatte.

P1050890klein
Hier wurde über das Schicksal tausender Menschen entschieden

Für mich neu war, dass die Stasi auch unter SchülerInnen Ende der 1980er Jahre 10800 Spitzel rekrutiert hatte. Diese lieferten ständig Berichte über Aussagen ihrer KlassenkollegInnen und LehrerInnen an das Ministerium für Staatssicherheit. Auch hier eine Parallele zur Tierschutzcausa: 2 SchülerInnen im Alter von 10 Jahren, die einen Schulvortrag einer Mitarbeiterin des VGT angehört hatten, machten danach eine Aussage gegenüber der Polizei darüber, wie „radikal“ der Auftritt in ihren Augen war. Wie diese beiden rekrutiert wurden blieb im Dunkeln.

Eine wichtige Tätigkeit der Stasi-Spitzel war es, in den verschiedenen politischen Gruppierungen Unfrieden zu stiften und gezielt Konflikte hervorzurufen. Das sollten wir uns vor Augen halten, wenn es innerhalb sozialer Bewegungen zu Konflikten kommt. Die Stasi wusste genau, dass diese Konflikte letztlich jede politische Aktivität hemmen und so die Bewegung erlahmt. Das BVT wird auch ähnliche Agents Provocateurs nutzen. Wir brauchen also Toleranz und gegenseitiges Verständnis innerhalb der Zivilgesellschaft, die Bereitschaft, eine Meinungsvielfalt zuzulassen, um diese Wirkung zu unterlaufen.

P1050897klein
Bei der Besetzung des Ministeriums im Dezember 1989 innen an die Wand gemalt

Anfang Dezember 1989 wird das Ministerium für Staatssicherheit von aufgebrachten BürgerInnen besetzt. „Genug gespitzelt, raus jetzt!“ steht noch heute als Überbleibsel dieser Besetzung innen an der Wand. Das Graffiti ist mittlerweile Teil des Museums. Die Stasi-Akten sind heute von den Betroffenen öffentlich einsehbar. Wird es nicht Zeit, auch das BVT zu besetzen? Der Slogan „genug gespitzelt, raus jetzt!“ würde sich dort sicherlich auch sehr gut an der Wand machen. Und Einblick in die Akten nehmen zu dürfen wäre hoch an der Zeit! Bei der Aufarbeitung der Polizeistaatmethoden gestürzter Diktaturen dürfen wir die polizeistaatlichen Institutionen des heutigen Staates nicht aus den Augen verlieren, die unsere Sicherheit und den Rechtsstaat in einer ganz fundamentalen Weise bedrohen!

3 Gedanken zu “Spitzel wo man hinschaut! – zu Besuch im Ministerium für Staatssicherheit, Berlin

  1. Radikal isn dehnbares wort.
    Wie hadn der vortrag ausgschaut?
    Wenn da bilder von zb käfighaltung zeigt werdn wars nachvolziehbar das die des grauslich finden.
    Bei sugestiver befragung der polizei kann leicht aus grauslich radikal werdn.
    Des is mei theorie.
    Lg

  2. 10-jährige, die bei der Polizei eine Aussage über die Radikalität eines Vortrags machen (müssen). Die Polizei schreckt anscheinend vor nichts zurück, sogar Kinder werden benutzt….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert