Es ist schon ein sehr komisches Gefühl, von einem Polizei-Spitzel infiltriert worden zu sein! Auch ich habe natürlich „Danielle Durand“ (ihr Deckname) gekannt. Ich war sogar nur mit ihr zusammen mehrmals in der Nacht recherchieren. Wir sind auch gemeinsam im selben Auto Tiertransportern hinterhergefahren. Aber immerhin gab es zwischen uns über das Tierrechtlerische hinaus keinerlei Kontakt. Andere können das ja nicht von sich sagen, so z.B. meine damalige Partnerin, die mit der SOKO-Agentin ja richtig befreundet war.
Was für eine seltsame Mentalität muss man haben, um andere so zu täuschen. Sie hatte ja offenbar den Auftrag, uns als Kriminelle zu überführen. Nach 16 Monaten sehr nahem Kontakt musste sie doch gewusst haben, dass wir nicht kriminell sind. Hat sie unsere Einstellung zu Tieren und zu deren Schutz verstanden und aufgenommen oder konnte sie sich da innerlich abschotten und nur auf die professionelle Aufgabe konzentrieren? War sie von ihren Erlebnissen im Tierschutz völlig ungerührt? Wie kann man nett sein, zu Menschen, die sich für Schwächere einsetzen, und gleichzeitig das Ziel verfolgen, diese Menschen hereinzulegen und sie möglichst ins Gefängnis zu bringen?
Die Polizei gibt jetzt zu, dass alle unsere Angaben zu dieser Spitzelstory wahr sind. Der Führer dieser Agentin, Herr Chefinspektor Stefan Wappel, hat am 19. November 2010 die Richterin im Tierschutzprozess angerufen und ihr erzählt, dass alles wahr sei. Allerdings, so behauptete er, sei die Agentin nur zur Gefahrenabwehr eingesetzt gewesen und deshalb habe man keine Genehmigung dafür eingeholt.
Das ist natürlich eine weitere SOKO-Lüge, aber wir sind das ja schon gewohnt. Am 18. Dezember 2007 schrieben die SOKO-Chefs Mag. Zwettler und Böck an den Generaldirektor der öffentlichen Sicherheit, um ihn über die weitere Vorgangsweise der SOKO zu informieren. In diesem Brief, den der Grüne Peter Pilz zugespielt bekommen hat, steht, dass der Einsatz der verdeckten Ermittlerin (VE) fortgesetzt werde. Ab 1. 1. 2008 sei das allerdings genehmigungspflichtig, aber um diese Genehmigung werde angesucht werden.
Damals sah man das ganze also offenbar nicht als Operation „zur Gefahrenabwehr“ und man war sich sehr wohl bewusst, dass man eine Genehmigung brauchen würde. Dieselben SOKO-Chefs haben dann vor Gericht behauptet, der VE-Einsatz sei abgebrochen worden, weil der VGT so konspirativ agiert habe, dass er nicht infiltrierbar gewesen wäre! Lügen, wo man hinschaut!
Mag. Eberhart Theuer, Menschenrechtsexperte an der Universität Wien, hat die Ausrede „Gefahrenabwehr“ so kommentiert: „Eine verdeckte Ermittlung zur Gefahrenabwehr ist nur nach dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG) möglich. Verdeckte Ermittlung nach SPG beinhaltet nur ein verdecktes Einholen von Auskünften. Ein Einschleusen und aktives Mittun, wie bei Danielle Durand im Tierschutzfall, ist nach dem SPG unzulässig. Für erweiterte Gefahrenerforschung hätte man nach dem SPG außerdem die Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten gebraucht. Abgesehen davon ist das SPG hier gar nicht anwendbar, da es schon konkrete Verdächtige gab und daher nur mehr die Strafprozessordnung relevant ist. Danach hätte die Polizei aber eine Anordnung der Staatsanwaltschaft gebraucht, die es hier nicht gab.“
Ein befreundeter Rechtsanwalt erklärte mir: Laut Hauer/Keplinger Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar 2001 Linde Verlag Wien, umfasst die VE nach SPG nur verbalen Kontakt zur Erlangung von Auskünften durch Anfragen: „§54(3) SPG ermächtigt im Zusammenhang mit der verdeckten Ermittlung lediglich zur ‚verdeckten‘ Einholung von Auskünften sowie zur geheimen Observation, nicht aber zu darüber hinausgehenden Maßnahmen, wie etwa zur Beteiligung an Straftaten oder zur Begehung ‚milieugerechter‘ Straftaten durch den ‚einzuschleusenden‘ verdeckten Ermittler, um das Vertrauen der zu beobachtenden Personen zu gewinnen.“ Die Vorbereitung zu Jagdstörungen durch Recherche, das betont eifrige Mitmachen bei Demos, die aktive Mitgliedschaft in der Fadingerliste und gar das Eindringen in Wohnungen gehe bei weitem darüber hinaus.
Die verdeckte Ermittlerin hat ja auch Felix Hnat während dessen U-Haft im Gefängnis besucht. Zur Gefahrenabwehr? Und sie beteiligte sich an Demonstrationen vor dem Innenministerium, dem Justizministerium und dem Gefängnis. Zur Gefahrenabwehr? Besonders lustig: Die undercover Polizeibeamtin hielt vor dem Innenministerium ein Transparent mit der Aufschrift „Schluss mit Polizeiwillkür gegen Tierschützer“. Auf dem Foto ist sie die Frau mit Sonnenbrillen ganz rechts am Ende des Transparents.
Die Richterin im Tierschutzprozess hat nach einigem Überlegen unserem Antrag auf Vorladung der SOKO-Agentin letztendlich zugestimmt. Aber es werde anonym und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablaufen. Sie wolle diese Befragung noch vor Weihnachten durchführen. Auch der Führer dieser Agentin soll vor Gericht erscheinen. Wir dürfen gespannt sein.
DDR Reloaded in Österreich, keine Frage. Das Bild mit der Polizistin hinter dem Transpi finde ich klasse, hat sie sozusagen gegen sich selbst demonstriert, ganz schön gespaltene Persönlichkeit ;).
Auch nur rein menschlich gesehen ist das der Hammer!
Schön langsam ist es wirklich an der Zeit, dass die Polizei wieder in ihre gesetzlichen Schranken verwiesen wird. Da fehlt wirklich nicht mehr viel zu den Methoden der Stasi in der DDR, wo viele Menschen überhaupt erst nach der Öffnung erfahren haben, dass sie von “guten” Freunden und sogar von ihren Partnern bespitzelt wurden. Überlegungen dieser Art hinterlassen in der Tat sehr gemischte Gefühle.
Wann werden die zahllosen Rechtsbrüche der Ermittlungsorgane in diesem Fall endlich geahndet?