24. November 2024

Ein Brief an den ORF Salzburg

Der ORF hat in seiner Sendung “Salzburg heute” eine Reihe von meiner Ansicht nach sehr einseitigen Berichten über unsere Kampagne und das Jagdgatter Mayr-Melnhof ausgestrahlt. Die zuständige Redakteurin hat mit mir per Email kommuniziert. Jenes Email von mir, das unseren Standpunkt erklärt, füge ich hier ein, weil es unsere Kampagne und insbesondere unsere Kritik am Jagdgatter Mayr-Melnhof kompakt zusammenfasst:

Sehr geehrte Frau Wolf,

vielen Dank für Ihr Email, das mir ermöglicht, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Ich versuche mich kurz zu halten, kann Ihnen aber zu allen angeführten Punkten Näheres ausführen, Quellen nennen und GesprächspartnerInnen vermitteln.

1) Die Darstellung von Mayr-Melnhofs, dass es sich beim Jagdgatter in der Antheringer Au um eine eingezäunte Wildnis handelt, die lediglich eingezäunt werden musste, um zu verhindern, dass die Wildschweine auf die angrenzenden Wiesen gehen, und ansonsten ist alles wie in der freien Wildbahn, ist vollkommen falsch. Wildbiologin Karoline Schmidt und andere sagen eindeutig, dass in dieser Fläche von 500 ha nicht etwa 700 sondern maximal eine Handvoll Wildschweine unter natürlichen Bedingungen leben würden, also etwa 100 Mal weniger, als im Mayr-Melnhof Gatter. Das Jagdgatter hat also NICHTS mit einer freien Wildbahn zu tun. Das ist eine Schweinezucht.

2) In einem umzäunten Gatter ist die Treibjagd auf Wildtiere immer eine Tierquälerei, und zwar unvergleichlich viel mehr als bei einer Treibjagd in freier Wildbahn. Das deswegen, weil die Tiere sehr wohl wissen, dass sie gefangen sind und nicht entkommen können. Sie flüchten ja immer zum Zaun und diesen entlang, weshalb es für uns außerhalb des Zauns so leicht möglich ist, Gatterjagden zu dokumentieren. Das gilt genauso für das Jagdgatter Mayr-Melnhof mit 500 ha. Wir haben ein wissenschaftliches Gutachten, das diese Ansicht bestätigt. Zusätzlich werden 90 % der Tiere, die auf der Flucht beschossen werden, nicht gut getroffen und verkriechen sich verletzt im Unterholz.

3) Die Jagd im umzäunten Gatter ist deshalb in der Jägerschaft als Tierquälerei verpönt. In einem ethischen Governance Codex der Jagd von Victoria Kickinger, der in Jagdkreisen anerkannt wird, wird die Gatterjagd grundsätzlich als nicht weidgerecht und tierquälerisch abgelehnt. Wien, die Steiermark, OÖ, Kärnten, Tirol und Vorarlberg haben explizite Verbote für Jagdgatter in ihren Jagdgesetzen, sämtlich aus tierschutzethischen Gründen. Fragen Sie bei den Landesregierungen nach, die werden Ihnen antworten, dass sie diese Art der Bejagung grundsätzlich ablehnen.

4) Besonders grausam ist die Gatterjagd mit Hunderudeln. Das bestätigen auch Betreiber von Jagdgattern selbst, die aus ethischen Gründen den Einsatz von Hunderudeln ablehnen. Das neue Burgenländische Jagdgesetz, das in Begutachtung ist, sieht ein Verbot des Einsatzes von Hunderudeln zumindest ab Anfang Jänner vor. Im Jagdgatter Mayr-Melnhof wird üblicherweise in dieser Zeit noch mehrmals mit Hunderudeln gejagt. Die Hunderudel unterscheiden ja nicht und hetzen alle Tiere, selbst die, die außerhalb des Gatters bereits Schonzeit genießen.

5) Es gibt einen guten Grund, Schweinezuchten, oder auch Farmwildhaltung, auf landwirtschaftlichen Flächen und nicht in einem Wald zu betreiben, weil der Wald sonst zerstört wird. Tatsächlich sind der Wald und das gesamte Ökosystem in der Antheringer Au durch das Jagdgatter Mayr-Melnhof schwer geschädigt. Wir haben dazu sehr viele Informationen zusammengetragen und werden zu diesem Thema Anfang Dezember eine Pressekonferenz abhalten. Das beste Argument: durch das Umweltinformationsgesetz sind wir an ein aktuelles Gutachten gelangt, das die Landesregierung selbst in Auftrag gegeben hat, und das die Zerstörung der Au durch das Jagdgatter bestätigt. Prioritär wird in diesem Gutachten die Auflösung des Gatters gefordert, um das Ökosystem zu retten.

6) Durch die viel zu große Wildschweindichte entsteht also auch ein Tierschutzproblem, nicht nur dadurch, dass die Wildschweine sämtliche Amphibien sowie Rehkitze und andere Tiere essen, sondern die viel zu hohe Dichte zerstört auch den Lebensraum der Wildschweine selbst und erzeugt viel Stress. Zu den Wildschweinen kommen ja noch deutlich über 100 Damhirsche in dem Gatter dazu. Das sind Tiere, die in diesem Lebensraum überhaupt nichts zu suchen haben und die in dieser Dichte den Wald zerstören und die Bäume schälen. Man sieht tausende Schutzzäune um Jungbäume herum in dem Gatter, und dennoch tausende weitere geschälte Bäume. Die Gewässer sind alle zerstört, es wurden Wasserproben genommen, die bestätigen, dass die Gewässer am Kippen sind. Dazu kommt ein wissenschaftliches Amphibiengutachten, das bestätigt, dass diese Tiere dort aussterben. Und das in einem Natura 2000 Gebiet, das eine Sicherheitszone für Wildtiere sein sollte, wo sie sich ungestört entfalten können sollten. Aber, wie gesagt, dazu mehr bei unserer Pressekonferenz. De facto ist das Jagdgatter Mayr-Melnhof in unseren Augen EU-rechtswidrig und müsste von der Landesregierung allein schon deshalb geschlossen werden. Wir haben bereits Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.

7) Man kann Schweine züchten, um Fleisch zu produzieren. Das muss aber nach dem Tierschutzgesetz geschehen, inklusive Tötung ohne Hetzen und Hunderudel nach veterinärrechtlichen Vorgaben. Und man kann Wildtiere jagen, auch mit Treibjagden, aber nur in Freiheit ohne Zäune. Völlig unethisch ist es, Tiere in einer Umzäunung zu hetzen und auf der Flucht zu beschießen. Das wird sofort klar, wenn man sich vorstellt, jemand würde Kühe auf einer Alm mit Hunden hetzen und beschießen. Oder Schafe in der Bergregion. Oder Schweine in Freilandhaltung. Die Ausübung der Jagd ist aus dem Tierschutzgesetz genau mit dem Argument ausgenommen worden, dass es sich um Wildtiere handelt, die nicht in der Hand des Menschen sind, und bei denen man daher keine veterinärrechtlichen Vorschriften zur Tötung einhalten kann. Die Wildschweine bei Mayr-Melnhof sind aber in der Hand des Menschen, sie sind gefangen, bei ihnen könnte man sehr wohl veterinärrechtliche Vorschriften bei der Tötung einhalten, und ihnen z.B. bei der Kirrung aus kurzer Entfernung in den Kopf schießen, wie bei Farmwildhaltung üblich. Die Wildschweine in Mayr-Melnhofs Gatter lassen einen auf weniger Meter herangehen. Ich halte die Gatterjagd bei Mayr-Melnhof für die österreichische Form des Stierkampfs, eine grausame, ja perverse Tierquälerei zur Belustigung seltsam veranlagter Personen. Und deshalb ist die Abschaffung der Gatterjagd eine Tierschutzpriorität. Wie sollte man LandwirtInnen Vorschriften über die Schweinehaltung machen können, wenn es anderen erlaubt ist, gefangene Schweine ohne guten Grund zum Spaß zu quälen?

8) Der Vorwurf, wir würden irgendetwas gegen Mayr-Melnhof persönlich haben, ist schon seltsam. Im Juli 2015 haben wir unsere bundesweite Kampagne gegen die Gatterjagd und das Aussetzen von Zuchttieren zur Jagd begonnen. Vorher gab es keinerlei Konflikt mit Mayr-Melnhof. Seitdem finden wir uns praktisch jeden Tag bei Gatterjagden und Jagden auf ausgesetzte Zuchtvögel wie Fasane, oder auch bei Jagdgattern und Zuchtgattern oder Fasanvolieren und Enterien etc. österreichweit ein. Mayr-Melnhof ist nur einer von vielen. Alfons Mensdorff-Pouilly glaubt auch, ich hätte etwas gegen ihn persönlich. Tatsächlich war ich bei ihm sicher öfter als bei Mayr-Melnhof, weil er öfter jagen geht. Die Polizei hat mich sogar wegen Stalkings von Mensdorff-Pouilly angezeigt. Aber fragen sie Liechtenstein in Hollabrunn, die Malteser mit ihrem Jagdgatter Mailberg, oder Weber in Strem oder Draskovich in Urbersdorf oder Prinzhorn bei Hausbrunn oder Herrn Rauscher bei Ernstbrunn mit seinem Jagdgatter oder Herrn Wolf mit seinem bei Puchberg, oder das Jagdgatter Kaumberg mit Pröll und Konrad, und und und. Auch Herr Pröll fühlt sich von mir persönlich verfolgt. Ich war im Jahr 2015 bei 51 (!) Gatter- und Zuchttierjagden anwesend und alle JägerInnen dort glauben, ich hätte nur etwas gegen sie. Oder fragen Sie die Jagdgesellschaften in Leibnitz, Allerheiligen, Wagna, Römerbruch, Winzendorf, Weiz, Gattendorf, Zurndorf, Pama, Eberau, Halbthurn und und und, oder die Großfasanerie Nickelsdorf, die mich auch schon geklagt hat, weil ich sie so belästigen würde. Glauben Sie mir, wir nehmen unsere Aufgabe Ernst und ich habe in den letzten 17 Monaten mehr Gatterjagden und Treibjagden auf Zuchttiere gesehen, als irgendein anderer Mensch in Österreich. Mayr-Melnhof ist nur einer von sehr vielen, gegen die sich unsere Kampagne richtet.

9) Unsere Kampagne fordert ein Verbot der Jagd auf Tiere, die in umzäunten Gehegen leben oder die für die Jagd ausgesetzt werden. Und wir sind sehr erfolgreich. Wien hat ein absolutes Verbot dieser Jagdformen erlassen, Vorarlberg genauso. Das einzige Jagdgatter Wiens wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien in 5 Jahren aufgelöst. Und dort haben 5 x so viele Wildschweine gelebt, wie bei Mayr-Melnhofs, in einem 5 x so großen Gatter. Fragen Sie einmal die Forstverwaltung dort, was das für die Tiere und das Ökosystem für Auswirkungen hatte. Das lässt sich eins zu eins auf das Jagdgatter Mayr-Melnhof umlegen. Warum, glauben Sie, beendet man dort die Gatterjagd? Die Steiermark hat die Jagdgatter verboten und das Aussetzen stark eingeschränkt. Das Burgenland wird bis 1. Jänner ein Verbot erlassen, hoffentlich ein absolutes Gatterjagdverbot (8 Gatter müssen schließen) und auch ein Verbot des Aussetzens von Zuchtvögeln. Sogar in NÖ wurde die Gatterjagd dramatisch eingeschränkt und ein Verbot ist in Diskussion, das Aussetzen könnte auch bald verboten werden. Tirol, Kärnten und OÖ haben keine Jagdgatter mehr. Bleibt nur Salzburg. Und auch dort wird im nächsten Jahr ein Verbot kommen müssen, davon bin ich überzeugt. Österreich wird die Jagd (nicht die veterinärrechtliche Tötung zur Fleischgewinnung) von gefangenen Tieren in Umzäunungen in relativ kurzer Zeit vollständig überwinden. Und dann werden wir uns dem Verbot von Vollspaltenböden und der verpflichtenden Einstreu von Stroh bei Mastschweinen in Tierfabriken zuwenden können. Aber eines nach dem anderen.

Mit freundlichen Grüßen,

Martin Balluch

2 Gedanken zu “Ein Brief an den ORF Salzburg

  1. Es tut mir so leid, dass diese wunderbare empfindliche, intelligente Tiere so quallvoll leben und sterben. Wir Menschen nehmen ihre Freiheit weg, wir entscheiden über ihre Köfpe hinweg, wann sie leben und sterben dürfen. Wir nehmen Ihre Recht weg. Menschen können so grausam sein.
    Aber gleichzeitig habe ich Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sie, zu wissen, dass tolle Menschen wie Sie und Ihre Tierschutzorganisation und jene die sich für Tiere einsetzen das alles möglich machen! Es gibt die Guten und die Bösen und man muss entscheiden zu wem man gehört. Danke, dass ihr das so genau verfolgt und beobachtet und euch einsetzt dafür!! Ihr habt meine volle Unterstützung, bitte nur weiter so. Ihr habt einiges positiv geändert!

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