Als brave BürgerInnen sollen wir uns an das Gesetz halten und Unwissenheit schützt vor Strafe nicht (außer PolizeibeamtInnen, die, wie wir gesehen haben, wenn sie sich als Dorfdeppen ausgeben, nicht wegen Amtsmissbrauch belangt werden können). Wer glaubt, Gesetze sind so eindeutig verfasst, dass man sich leicht daran halten kann, wird durch zahlreiche Prozessverläufe eines Besseren belehrt. Wie oft wird denn ein Urteil erlassen und in der Berufung aufgehoben, und vielleicht in der nächsten Instanz wieder korrigiert? Wenn sich schon gelernte JuristInnen derart uneinig sind, wie sollen wir BürgerInnen dann das Gesetz richtig verstehen und anwenden? Faktum bleibt, dass viele Gesetze einen großen Handlungsspielraum in ihrer Anwendung lassen, insbesondere wenn es um Meinungsfreiheit geht, wie im vorliegenden Fall. Wenn RichterInnen z.B. ideologisch gegen Tierschutz eingestellt sind, werden sie die Meinungsäußerung von TierschützerInnen wesentlich kritischer bewerten, als wenn sie für Tierschutz Verständnis haben. Die Ideologie der Gerichte ist also für die Rechtssprechung leider sehr bestimmend. SLAPPs, also Zivilklagen mit dem politischen Ziel kritische Stimmen zu erdrücken, leben davon. Sie hoffen auf ideologische Urteile. Das bedeutet übrigens auch, dass selbst die heutigen Gesetze von einer autoritären Staatsregierung mit entsprechend besetzter Richterschaft (siehe Polens Versuche die Gerichte mit genehmen Personen zu besetzen) sehr restriktiv ausgelegt werden und zu totaler Meinungseinschränkung führen könnten.
Tierexperimentator Michael Hess führt Tierversuche an Puten durch, bei denen diese Tiere schwer leiden. Ich habe diese Tierversuche kritisiert und wurde dafür von Hess geklagt. Die ursprüngliche Kritik von mir wurde in erster Instanz als unrechtmäßig verboten und in zweiter Instanz wiederum erlaubt. Hess versucht nun beim Obersten Gerichtshof einen eigentlich nicht zulässigen Rekurs einzubringen. Meine Berufung des ersten Urteils habe ich veröffentlicht. Diesen Text hat Hess ebenfalls eingeklagt. In diesem zweiten Verfahren wurde mir, umgekehrt, in erster Instanz Recht gegeben. Und jetzt hat das Wiener Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und umgedreht. Was ich dort geschrieben habe, darf ich bis auf Weiteres also nicht mehr sagen. Allerdings ist ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen, den ich auch einbringen werde.
In diesem jetzigen Urteil geht es um einen Vergleich, den ich gezogen habe, zwischen der ethischen Rechtfertigung von medizinischen Versuchen an Menschen, die nicht freiwillig Opfer dieser Versuche werden, und an Tierversuchen heute. Das Erstgericht war noch der Ansicht, das ist zulässig. Das Zweitgericht meint dagegen, normale LeserInnen würden übersehen, dass es um einen Vergleich der Rechtfertigungen der beiden Versuche geht, sondern meinen, es geht um einen Vergleich der Versuche selbst. Und den zu ziehen sei zwar nicht faktisch falsch, aber ein Wertungsexzess, der verboten ist. Hier das Urteil in den entscheidenen Passagen:
Ein Gedanke zu “Hess Prozess: OLG Wien erlässt doch Einstweilige Verfügung gegen Menschenversuchssager”