23. Dezember 2024

Auf Besuch in der Vogelschutzstation Haringsee in NÖ

1975 wurde auf einem 3000 m² großen Privatgrundstück in Haringsee östlich von Wien ein Gehege zur Aufnahme verletzter Greifvögel und Eulen aufgebaut. Mittlerweile stehen dort mehr als 70 Volieren mit 300 Vögeln 24 verschiedener Arten. Zusätzlich gibt es noch zwei große Freigehege mit Tümpeln für zahlreiche Amphibien und mehr als 400 beschlagnahmte Schildkröten. Jährlich werden 150 verletzte Greifvögel und 250 aufgefundene Jungvögel zumeist aus dem Großraum Wien, NÖ und dem Burgenland in der Station abgegeben. Nähere Infos unter http://www.egsoesterreich.org

Für mich ist diese Station ein einziges Plädoyer gegen die Jagd und gegen Flugschauen mit Raubvögeln. Praktisch die gesamte Arbeit, die dort geleistet wird, ist darauf zurückzuführen, dass einige unserer Mitmenschen einfach leidenschaftlich gerne auf Tiere schießen oder sie einfangen, dressieren und angaffen wollen.

Es beginnt schon einmal damit, dass die Jägerschaft den Habichtskauz und den Bartgeier gnadenlos ausgerottet hat, obwohl diese Tierarten weder eine Bedrohung für irgendwen darstellten, noch in irgendeiner Weise einen wirtschaftlichen Nachteil verursachten. Sie waren einfach da, schauten wild aus – und machten sich wunderbar als ausgestopfte Mumien im Jagdstüberl. In der Vogelschutzstation werden jetzt Habichtskauz und Bartgeier nachgezüchtet und regelmäßig ausgesetzt. Doch auch hier stößt man auf den unter JägerInnen offenbar weit verbreiteten Fanatismus: ein Bartgeier, der ausgesetzt worden war, kam letztlich viele Jahre später ums Leben und wurde als Leiche von der Station obduziert. Es stellte sich heraus, dass er zweimal in seinem Leben angeschossen worden war, aber beide Male verletzt überlebt hatte. Gestorben war er an Bleivergiftung: er hatte von einem von JägerInnen erschossenen und mit Bleischrot oder Bleikugeln vergifteten Tier gegessen.

Also nicht nur, dass die JägerInnen offenbar auf jeden großen schönen Vogel schießen, der ihnen vor die Flinte kommt. Sie verbreiten ihre Bleigeschosse auch noch in der Landschaft, ohne auf die dadurch verursachte Vergiftung Rücksicht zu nehmen. Die Bleikugeln in der Schrotgarbe, aber auch die mit Blei ummantelten Geschosse für größere Tiere, führen zu giftigen Konzentrationen von Blei im getöteten Tier. Menschen, die nur geschossene Tiere essen würden, gingen bald an Bleivergiftung zugrunde. Greifvögel allerdings sind aufgrund ihres anderen Verdauungsapparats noch wesentlich anfälliger auf Bleivergiftung, und sterben unter Umständen bereits nach Verzehr einiger weniger Tierkörper oder der vom Jäger ausgelegten Innereien von geschossenen Wildtieren. Laut Statistik werden von der Jägerschaft pro Jahr 400 Tonnen Blei in der Landschaft verteilt.

Viele der jährlich in die Station eingelieferten verletzten Wildtiere sind Opfer von Jagdlust und –leidenschaft. Die meisten der Tiere werden wieder gesund und können freigelassen werden, doch viele müssen an der Station den Rest ihres Lebens verbringen, weil sie nie wieder fliegen und für sich selbst sorgen werden können. Neben den Greifvögeln und Eulen stehen auch zwei Störche in Freigehegen, ohne Aussicht auf Gesundung. Aber viele dieser Tiere können Findlinge, also hilflose Jungtiere, die ihre Eltern verloren haben und noch nicht eigenständig lebensfähig sind, als Ammen übernehmen. Vielleicht wurden deren Eltern auch von JägerInnen erschossen! Den Jungtieren wird dann, wenn sie alt genug sind, um für sich selbst zu sorgen, die Voliere geöffnet. So können sie sich an die Wildnis gewöhnen, aber gleichzeitig im Notfall wieder zurückkehren, um etwas zu essen zu bekommen.

Eine weitere große Gruppe von Insassen in der Vogelstation wird von sogenannten Flugschauen „rekrutiert“. Da gibt es offenbar eine kriminelle Organisation von VogelhändlerInnen, die Eier von freilebenden Greifvögeln in Kleinasien einsammeln lassen, diese dann nach Mitteleuropa schmuggeln – Drehscheibe dieser Aktivitäten ist Österreich – und dann hierzulande und im benachbarten Ausland „legalisieren“, indem sie sie als Zuchttiere auszugeben versuchen. Diese kriminelle Organisation beliefert die Flugschauen mit frischen Jungtieren verschiedener Greifvogelarten, die auf den Menschen geprägt und dressiert werden. Spätestens aber mit Einsetzen der Pubertät etwa im Alter von 5 Jahren wollen sich die Tiere verpaaren, orientieren sich da aber an Menschen. D.h. sie betrachten andere Menschen als ihre ArtgenossInnen und somit als territoriale KonkurrentInnen, und greifen sie an. Und schon wandert das nicht mehr zu bändigende Tier in die Vogelschutzstation Haringsee, wo es den Rest seines Lebens verbringen muss, weil es für Menschen zu gefährlich wurde.

Wie heißt es doch gleich: Solange die Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen die Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken!

PS: Gefüttert werden die Greifvögel und Eulen in der Station übrigens einerseits mit den vergasten männlichen Eintagsküken aus der Eierindustrie und andererseits mit Überschusstieren aus der Versuchstierzuchtanstalt Himberg.

3 Gedanken zu “Auf Besuch in der Vogelschutzstation Haringsee in NÖ

  1. Hier zeigt sich das ganze Dilemma menschlichen Handelns, in einem völlig pervertierten System: Denn jene, die sich dankenswerterweise der Opfer annehmen, werden zwangsläufig, indem sie die den Ausschuss überflüssigen Lebens verfüttern, selbst Teil dieses Systems.

  2. sehr interessanter artikel. trotz allem hinterlässt es einen fahlen nachgeschmack, wenn man bedenkt woher die nahrung für diese tiere kommt.

    1. Liebe Frau Steindl! Wenn ich auch Verständnis für Ihre Bedenken habe, so schwingt in Ihrem Kommentar doch ein gewisser Vorwurf an die BetreiberInnen der Wildvolgelstation mit. Ich führte einmal ein Gespräch mit dem veterinärmedizinischen Leiter der Station, der seine Arbeit gegenüber den Wildvögeln mit großem Respekt und Engagement macht. Die Fütterung von Greifvögeln wird wohl – da stimmen Sie mir sicher zu – nicht auf veganem Wege erfolgen können. Da die Wildvogelstation lediglich die “Abfälle” aus der Geflügelindustrie verwertet, die sonst im Müll landen, und weil dadurch kein einziges Küken zusätzlich getötet werden muss, sehe ich kein sonderlich großes Manko in dieser Fütterungsweise. Ich hoffe, Sie fordern nicht allen Ernstes eine vegane Ernährung von Greifvögeln. Und ein Bezug aus der Futtermittelindustrie wäre wohl das größere Übel. Also worauf wollen Sie mit Ihrem Kommentar hinaus?
      Das fragt sich Ihr
      Clemens Arvay

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