Es zieht mich regelmäßig in die rumänischen Südkarpaten. Nicht, weil es dort so viel Wildnis gäbe, unberührte Urwälder, menschenleere Regionen. Nein, in Ostösterreich könnte ich durch Gebirge wandern, die wesentlich weniger menschliche Spuren tragen. Ja, in meiner Zeit in den Südkarpaten gerade eben hörte ich jeden einzelnen Tag den Lärm von Motorsägen, kreuzte zahllose Forststraßen und musste riesigen Sattelschleppern voller abgeschnittener Bäume ausweichen. Wanderern oder gar SchitourengeherInnen begegnete ich allerdings nicht. Dafür wäre dort auch keine Infrastruktur vorhanden. Wir waren mit dem Zelt unterwegs, aufgestellt im Schnee.
Mein Ziel in den Südkarpaten war und ist, in der Nähe jener großen Raubtiere Bär, Wolf und Luchs leben zu dürfen, die bei uns nicht nur mehrmals ausgerottet wurden, sondern immer wieder erneut ausgerottet werden.
Im Winter liegt in den Südkarpaten überall Schnee, momentan ab 600 m, d.h. wesentlich weniger Schnee, als in unseren Alpen, aber dennoch mehr als 1 m, kaum übertritt man die Schneegrenze. Und im Schnee drücken sich die Spuren der Wildtiere ab. Kann man im Sommer kaum erkennen, wo sich die Tiere bewegt und was sie getan haben, so lässt sich das im Winter aus der Natur ablesen, wie aus einem Buch.
In den Monaten Februar und März maunzt der männliche Luchs in der Nacht, um weibliche Partnerinnen anzuziehen. Das ist eine einmalige Chance, Luchse wahrzunehmen, das Maunzen ist kilometerweit hörbar. Früher wurde es zur Jagd auf diese Tiere verwendet. Nur einmal maunzte ein Luchs, aber das war sehr beeindruckend.
Bären sollten momentan Winterruhe halten, zumindest in den Höhen, in denen wir uns in den Südkarpaten bewegt haben. Aus früheren Besuchen weiß ich, dass die Bären praktisch genau mit der Schneeschmelze ihr Winterlager verlassen. Doch diesmal lernte ich dazu: manche Bären stehen zumindest manchmal auch im tiefsten Winter bei hoher Schneelage auf und gehen umher. So fanden wir einmal in der Früh frische Bärenspuren mehrerer 1-jähriger, relativ kleiner Bären keine 100 m von unserem Zelt entfernt. Ältere Spuren größerer Bären waren auch hie und da zu sehen, doch in verhältnismäßig geringem Umfang. Ebenso wenig gab es Bärenkot oder Spuren von Mahlzeiten. Die Bären hielten also im Großen und Ganzen Winterruhe.
Paarhufer sind in den Südkarpaten unvergleichlich viel seltener als in den Alpen, wir haben nur ab und zu ihre Spuren gesehen. Sie werden nämlich nicht gefüttert und somit nicht in künstlich hohen Populationen zur Jagd gehalten. Es gibt auch überhaupt keine Hochstände in den Südkarpaten, keine Wintergatter und keine Futterstellen, wie überall in Österreich. In den Südkarpaten wird die Jagd nicht in Form einer Revierjagd betrieben, wie bei uns, und das scheint den wesentlichen Unterschied auszumachen.
Doch der Hauptgrund meines Besuchs in den Südkarpaten diesmal waren die Wölfe. Schon gleich am ersten Tag, nach nur wenigen Stunden mit den Schiern durch den Wald, trafen wir auf die ersten Spuren: 3 Wolfsrudel – d.h. wahrscheinlich ein Rudel zu drei verschiedenen Zeiten – liefen hier zielgerichtet in relativ enger Formation vorbei. Und so hefteten wir uns an ihre Fersen, folgten einfach ihren Spuren tagelang, und konnten so über ihre Lebensweise lernen.
Auf einer Lichtung, auf der sich das Wolfsrudel zerstreut hatte, erkannten wir, wie viele es waren: 13 Einzeltiere! Ich hätte so große Wolfsrudel hier nicht erwartet. Wir sahen ihre Schlafstätten, wie sie durch steilen Wald und tiefen Schnee nicht nur genau in einer Reihe sondern sogar genau in denselben Fußstapfen gingen! Wir fanden Reste einer Mahlzeit, ihren Kot, ihren Urin, die Spuren ihrer gemeinsamen Spiele. Nie gingen die Wölfe höher als 1400 m, oftmals querten sie tiefe Täler fast senkrecht die Hänge hinab und hinauf, nie gingen sie über die Baumgrenze auf die Almen. Sie schienen manchmal eher gelöst zu wandern, manchmal aber sehr zielgerichtet unterwegs zu sein. Es heißt, Wölfe kennen die Paarhufer ihres Reviers und riechen, wann welches „ihrer“ Tiere krank oder altersschwach ist, um eine einfache Mahlzeit zu werden.
Einmal kamen uns die Wölfe sogar, wie wir danach anhand ihrer Spuren herausfanden, bis auf etwa 100 m nahe, nur um plötzlich auf der Stelle umzudrehen: vermutlich hatten sie uns gerochen!
Es ist wunderschön und eindrucksvoll, so, wenn auch nur wenige Tage, am Leben eines Wolfsrudels teilnehmen zu können. Was wir allerdings nie aus den Spuren ablesen konnten war, zu welcher Tageszeit die Tiere unterwegs waren. Wir sahen sie nie in Person, sie blieben für uns nur Schatten, Spuren im Schnee.
2 Gedanken zu “Auf den Spuren der Wölfe”