28. März 2024

Das Hausbüchl der Stampferin oder was Tierschutz mit der Todesstrafe zu tun hat

Maria Elisabeth Stampferin lebte 1638 bis 1700, großteils in der Obersteiermark am Hochschwab, wo sie von 1679 bis 1694 ein Tagebuch führte, das sich, zuletzt 1925 verlegt, bis heute erhalten hat. Es ist sehr interessant, allein schon weil hier die Geschichte nicht vom Standpunkt der Mächtigen geschrieben wird. Zwar gehört die Stampferin zum gehobenen Bürgertum – ihr Mann leitet den Bergbau in Vordernberg –, sonst hätte sie gar nicht schreiben können, aber dennoch lebt sie im ländlichen Raum. Sie schildert die ständige Gefahr durch Krankheiten ohne ärztliche Hilfe, die Pestepidemie, der ein Drittel der Menschen erlagen und der durch die Isolierung eine Hungersnot folgte, und die Angst der tausenden Flüchtenden vor der Türkenbelagerung Wiens 1683 und die Besetzung des Semmering, um die Türken nicht ins Mürztal zu lassen. Mehrmals brechen große Lawinen mitten in ihr Dorf, Menschen werden verschüttet und sterben, einmal sogar ein Rettungsteam wegen einer Nachlawine. Die Stampferin und ihre Familie müssen oftmals wegen der Lawinengefahr das Haus verlassen.

Aber sie schildert auch die häufigen Schwangerschaften und schweren Geburten ihrer 16 Kinder, die vielen Todesfälle als ständige Begleiter in ihrer Umgebung, Feuersbrünste und wiederkehrende Hochwasser und ein Erdbeben, aber auch die Hochzeiten insbesondere ihrer Töchter und die Sichtung eines historisch verbürgten Kometen (C1/1680 V1) am 29. Dezember 1680, der ein ganzes Drittel des Firmaments überdeckte. Es gab noch keine Erkenntnisse der Naturwissenschaft, für die Stampferin ist alles ein Wunder durch göttliche Fügung, aus jeder Krankheit und jedem Naturereignis will sie den Willen Gottes ableiten.

Doch sie schreibt auch vom Umgang mit Menschen und Tieren. 1679 stirbt ihr Bruder und man macht eine Frau dafür verantwortlich, die unter Folter gesteht, ihn verhext zu haben, und die dann hingerichtet wird. Die Stampferin nimmt diesen Vorfall als Selbstverständlichkeit hin. Ebenso selbstverständlich ist für sie das Hahnenschlagen in ihrer Umgebung, bei dem als Zeitvertreib ein Hahn an einen Pflock gebunden wird und dann im Rahmen eines Wettbewerbs von den KontrahentInnen mit einer Peitsche getroffen werden muss. Zu ihrer Zeit fing man auch in der Obersteiermark Singvögel und stach ihnen die Augen aus, um dann die flugunfähigen Tiere traurig im Käfig singen zu hören. Ebenso mitleidlos und selbstverständlich wird das Hausvieh geschlachtet. Nur einmal spricht sie von Tierquälerei, nämlich wenn ein von der Behörde entsandter Jude, der offenbar die Buchhaltung ihres Mannes kontrollieren soll, seinen eigenen Schlachter für das religiöse Schächten mithat, um sich mit Fleisch versorgen zu können.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wird in Österreich noch gerädert und anderweitig grausam öffentlich hingerichtet. Zuerst fällt die Folter, dann verschiebt man auch den Vollzug der Todesstrafe hinter Gefängnismauern. Zur gleichen Zeit wird das Schlachten ebenfalls hinter hohe Mauern verbannt, in den Schlachthof. Im Kielwasser von Immanuel Kants Ideen möchte man die Sensibilität der Menschen erhalten und sie durch öffentliche Gewalt, egal ob an Mensch oder Tier, nicht verrohen lassen.

Erst diese Distanz eröffnet die Möglichkeit, Mitgefühl zu entwickeln. Hatte Kant also nicht ganz unrecht? Umso mehr Menschen mit der Hinrichtung oder dem Schlachtvorgang nichts mehr zu tun haben, umso heftiger wird öffentlich gegen die Todesstrafe und für Tierschutz argumentiert. 1968 kommt in Österreich das Verbot der Todesstrafe endgültig in die Verfassung. 2014 erhält auch der Tierschutz Verfassungsrang.

2 Gedanken zu “Das Hausbüchl der Stampferin oder was Tierschutz mit der Todesstrafe zu tun hat

  1. Meine Philosophie ist einfach:

    Die Steirer sind die hässlichsten Menschen der Welt.“ Das konstatierte ein britischer Gesandter, der Mitte des 18.Jahrhunderts in Knittelfeld Station machte. „Unzivilisiert, deformiert und grässlich“ seien die Bergbewohner mit ihren „hässlich geschwollenen Kehlen“. „Debile und Taube tummeln sich in jedem Dorf, und das allgemeine Erscheinungsbild der Leute ist das schockierendste, das ich je gesehen habe.“ (Der Gesandte war David Hume)

    Wer Tiere quält – etwa indem er ihnen die Augen aussticht – ist entweder dumm, oder ein Sadist. Ein psychisch gesunder, normal intelligenter Mensch tut das nicht. Das gilt auch für Philosophen wie René Descartes.

    Man hat die Folter abgeschafft, weil man erkannte dass sie sinnlos ist. (Aber sie wurde ja nicht wirklich total abgeschafft.) Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich geändert. Philosophen wie Hume haben gegen die Dummheit gekämpft. Manchmal mit Erfolg, manchmal eben nicht.

    Etwas anderes ist das Halten von Tieren um sie zu essen. Das ist Ausbeutung. Ausbeutung entsteht aus Egoismus. Aber auch hier gibt es dahinter eine Ideologie. In dem Maße in dem Ausbeutung von Menschen hinterfragt wird, geschieht das auch in Bezug auf Tiere. Sobald man erkennt, dass Tiere genauso leiden wie Menschen.

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