22. Dezember 2024

Das Philosophicum in Lech zu Tieren – eine Veranstaltung im Zwiespalt

Zweifellos ist es sehr erfreulich, wenn eine Traditionsveranstaltung wie das Philosophicum im Nobelort Lech am Arlberg in seinem 16. Jahr sich des Themas „Tiere“ annimmt. Aber schon der Untertitel „Der Mensch und seine Natur“ weist auf den Zwiespalt hin, der die gesamte Konferenz durchzieht. Vom Standpunkt der Tierrechte oder des Tierschutzes aus sind die Tiere als Subjekte in den Mittelpunkt zu stellen. „Der Mensch und seine Natur“ ist dagegen ein rein anthropozentrischer Zugang, der „die Tiere“ auf Erklärungsmodelle oder gar Symbole für menschliche Eigenschaften reduziert.

Im einleitenden Vortrag sprach der Präsident eines Hauptsponsors, einer Firma, die u.a. Autos entwickelt, über Tiere lediglich als Modelle für technische Entwicklungen. Im Gegensatz dazu präsentierte Eugen Drewermann in seinem Vortrag über den „tödlichen Fortschritt“ eine tiefgründige Analyse und Kritik von Kapitalismus und Wirtschaftswachstum, die lediglich den Marktwert aller Dinge als Wert anerkennen. Die zu diesem Symposium eingeladenen TierrechtsphilosophInnen diskutieren auf hohem Niveau die Kulturgeschichte der Mensch-Tier Beziehung und eine neue Ethik, während andere TeilnehmerInnen, wie Clemens Tönnies, Besitzer einer deutschen Fleischfirma, die allein 11 Millionen Schweine pro Jahr schlachtet und 4,5 Milliarden Euro umsetzt, oder wie ein Vorarlberger Jäger, die Rolle nichtmenschlicher Tiere ausschließlich als Objekte zum Gebrauch kennen und beim besten Willen grundsätzlich nicht hinterfragen könnten. Zu meiner größten Erschütterung zeigten sich die beiden Herren unendlich naiv, wenn es um Tierhaltung und Tierproduktion geht. Der Jäger meinte, in Österreich würden praktisch alle Schweine im Freiland gehalten, und auf meine Frage, welches Fleisch er denn kaufe, redete er sich auf seine Frau heraus, die den Einkauf erledige und auf solche Dinge schon achte.

Clemens Tönnies war immerhin realistisch genug zuzugeben, dass man Schweinen kein Stroh bieten könne, weil man sonst nicht in der Masse so billig Schweinefleisch zu produzieren in der Lage sei. Eine derartige Forderung würde, so meinte er, 24.000 Zulieferfirmen die Arbeitsplätze kosten. Aber dennoch seien die deutschen Schweinefabriken ein Idyll. Auf meine Frage zum verschiedenen Umgang mit Hund und Schwein antwortete er, dass Hunde eben zum Lieb-Haben und Schweine zum Gegessen-Werden da seien, er habe kein Problem damit. Am meisten entsetzte ihn dagegen eine Diskussion, die offenbar momentan in Deutschland läuft, nach der die Trophäenjagd verwerflich sei. Tönnies meinte, als Jäger würde das Erobern der Trophäe seinen Urtrieb befriedigen. Zu meinem Veganismus zeigte er sich liberal und tolerant, und betonte, alle sollten auf ihre Art glücklich werden, er und seine KundInnen würden das durch das Kulturgut Schweinefleisch. Dabei verschwieg er, dass sich sein Betrieb nur durch viele Millionen Euro Subventionen pro Jahr aufrecht erhalten lässt. Würden die KonsumentInnen wirklich so begeistert seine Fleischprodukte kaufen, wäre eine Subvention wohl nicht notwendig. Abgesehen davon, seine Toleranz in Ehren, aber wie kommen wir VeganerInnen dazu, seinen Mega-Schlachtbetrieb mit unseren Steuergeldern zu finanzieren, während regional produzierter Tofu ohne Subventionen ein Vielfaches dieses Billigfleisches kostet?

Hier treffen Welten aufeinander, die so wenig Ähnlichkeit besitzen, dass man nur aneinander vorbeireden kann. Hochentwickelte Tierrechtsphilosophien auf der einen Seite, und Menschen, die dadurch, dass sie bis zum Hals im Tierblut waten, zu keiner noch so kleinen intellektuellen Reflexion darüber fähig sind, auf der anderen. Und diese beiden sollen sich auf gemeinsamen Podiumsdiskussionen oder bei Vorträgen gegenseitig befruchten?

Drewermann rief als Abschluss seiner Rede die Aufforderung in den Saal, vegetarisch zu leben, und erhielt minutenlange standing ovations. Doch das Buffet im Vorraum des Konferenzsaals bestand aus konventionellen Massentierhaltungsprodukten ohne wenigstens einen Anteil vegan ausgewiesener Speisen. Als Besucher hat man das Gefühl, die OrganisatorInnen dieses Events, immerhin einer 600 TeilnehmerInnen umfassenden Konferenz zu Tieren und Tierrechten, hätten nicht im Traum daran gedacht, dass auch vegetarisch oder vegan lebende Menschen teilnehmen könnten. Soll für die PhilosophInnen ihre eigene Argumentation nur akademische Theorie sein, sodass sie ihr Verhalten nicht daran anpassen, oder sind für die OrganisatorInnen Tierschutz und Tierrechte so fremde Welten, dass sie die Essgewohnheiten dieser sozialen Bewegung nicht kennen, ja nicht einmal erwarten?

Das Philosophicum in Lech zu Tieren ist zweifellos ein großer Fortschritt, um dieses wichtige Thema zu etablieren. Doch der ländliche Nobelort Lech und die sozialen Kreise der OrganisatorInnen und eines Teils der BesucherInnen sind in ihrer Sensibilität gegenüber Tieren der Avantgarde im Tierschutz gute 30 Jahre hinterher. Keine Basis, um gemeinsam konstruktive Diskussionen zu führen.

6 Gedanken zu “Das Philosophicum in Lech zu Tieren – eine Veranstaltung im Zwiespalt

  1. Das fängt ja schon mal damit an, dass in der Landwirtschaft der Größte Betrieb die meisten Subventionen bekommt. Ein Massentierhaltungsbetrieb sollte, genausowenig wie diese riesigen Schlachtereien, ja gar nichts bekommen, denn genau die sind es ja, welche den kleineren Bauern, die noch regional schlachten lassen und ihre Tiere besser behandeln können, zu Grunde gehen lassen.
    Der Fleischpreis wird in die Tiefe gedrückt und tierfreundliche Haltung lohnt sich kaum noch.
    Dass Tofu mehr kostet als Fleisch ist ohnehin unglaublich…
    Ich empfinde die politischen Verhältnisse (nicht nur) in diesen Belangen schlicht verächtlich gegenüber jeglichem Leben. Wieviele Arbeitsplätze wohl geschaffen werden könnten, wenn Massentierhaltung, Monokulturen und Co. ein Ende fänden und im Bereich der ökologischen Landwirtschaft mehr getan werden würde?

  2. Schmunzel ,das Thema Tiere wird sicherlich erst wieder in 10 Jahren auf dem Programm stehen. es dauerte ja 16 Jahre!!! bis man sich überhaupt dem Thema annahm. Es ist sicher ein wichitger Schritt gewesen aber von den progresssiveren Tierrechts-wissenchafterinnen war leider (fast) niemand eingeladen. Es gilt gilt wohl noch immer der Spruch von Bertold Brecht: Zuerst kommt das (Tiere)Fressen, dann kommt die Moral

  3. i find super, dass jemand versucht diese beiden welten einander näher zu bringen. meiner meinung nach kommen wir tierrechtlerinnen nur unter unseresgleichen kaum weiter. so anstrengend und aussichtslos es scheinen mag, der diskurs mit der anderen seite ist unablässig – quasi sozialarbeit. die organisation sollte, trotz der peinlichkeit mit dem büffet, in hohen tönen für diesen versuch gelobt werden. hoffentlich wiederholt sich das symposium nächstes jahr, dann wissen teilnehmende schon eher, wer und was sie erwartet. da wär ich gern dabei gewesen. es war vielleicht auch ein bisschen lustig, oder?

  4. wie waren denn die anderen Vorträge und Diskussionen? Das Programm hatte schließlich einige Namen von Vortragenden, die mehr können als billiges Schweinefleisch produzieren – wie waren die denn? Für Infos wäre ich dankbar!

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