23. Dezember 2024

Der Befangenheitsantrag

Am letzten Verhandlungstag, dem 4. Februar 2011, sollte eigentlich der Führer des zweiten Spitzels, VP 481, einvernommen werden. Das wäre sicher interessant geworden, es ist aber nicht so weit gekommen. Aufgeschoben ist allerdings nicht aufgehoben.

Mein Mitangeklagter Elmar Völkl ergriff gleich am Anfang der Verhandlung das Wort und beantragte Freispruch bzgl. der Anklage nach §278a. Er argumentierte, dass der Sachverhalt ausreichend geklärt und das Urteil deshalb spruchreif sei. Durch die Aussagen der verdeckten Ermittlerin „Danielle Durand“ habe eine umfassende Entlastung stattgefunden. Die Richterin lehnte diesen Antrag ab. Hätte sie zugestimmt, hätten Völkl, ich und 4 andere KollegInnen gleich nach Hause gehen können. Uns wird ja nur §278a vorgeworfen. Aber auch viele der anderen Anklagepunkte würden zerfallen. Die angeblichen Nötigungen beziehen sich ja auch auf eine Kampagne der vorgeblich existierenden kriminellen Organisation und z.B. die Nerzbefreiung, die man Jürgen Faulmann wegen einem Interview, das er einem deutschen TV-Sender gegeben hat, vorwirft, ist ja 14 Jahre alt und damit längst verjährt, wenn nicht mittels §278a ein Dauerdelikt geschaffen worden wäre. Der Staatsanwalt meint, von 1988 bis heute sei ein und dieselbe kriminelle Organisation aktiv und deshalb seien alle Straftaten im Namen des Tierschutzes, die in dieser Zeit begangen worden sind, nicht verjährt, weil sie quasi noch immer andauern. Ein weiterer unglaublicher Aspekt dieses verrückten Paragraphen.

Zurück zu Elmar Völkl. Nachdem sein Antrag auf Freispruch abgewiesen worden war, stellte er seinen Befangenheitsantrag. In fast 5 (!) Stunden legte er seine gesamte Begründung dar, in deren Verlauf 100 Gründe für eine Befangenheit von Richterin Arleth vorgetragen wurden.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Richterin misst mit zweierlei Maß bei der Worterteilung
  • Die Richterin misst mit zweierlei Maß bei Gutachten und Sachverständigen
  • Die Richterin schränkt die Öffentlichkeit ein (Polizeischülerbesuche)
  • Das Gericht verschleppt das Verfahren
  • Belege der Befangenheit auf der Basis der Eindrücke von ProzessbeobachterInnen
  • Die Richterin misst mit zweierlei Maß bei Anträgen
  • BelastungszeugInnen werden geschützt, die Verteidigung sabotiert
  • Die Richterin verletzt das Unmittelbarkeitsprinzip
  • Keine vollständige Akteneinsicht, Bruch des Informationsrechts
  • Kein säkularer Prozess
  • Die Richterin misst mit zweierlei Maß bei denselben Sachverhalten
  • Richterin und Staatsanwalt sind persönlich befangen
  • Diskriminierung der Angeklagten
  • Diskriminierung der RechtsanwältInnen
  • Befangenheit im Umgang mit VE „Danielle Durand“
  • Die Richterin misst mit zweierlei Maß bei der Darstellung von Tatsachen
  • Grund 100: Da die Richterin selbst über ihre Befangenheit entscheidet, wird sie im Falle ihrer Befangenheit paradoxerweise zwingend sich selbst für unbefangen erklären müssen.

Und genau das tat die Richterin nach 1 Stunde Bedenkzeit. Sie erklärte sich für nicht befangen. Und der Prozess rollt ungebremst weiter.

5 Gedanken zu “Der Befangenheitsantrag

  1. Etwas verstehe ich hier auch nicht. Normalerweise kann man nicht rückwirkend angeklagt werden. Wenn ein Gesetz nicht existiert hat, als eine Tat angeblich begangen wurde, kann man es nicht rückwirkend als Klagsgrund verwenden. Vor 14 Jahren gab es diesen Paragraphen nicht. Deshalb kann meiner Meinung nach (das ist jetzt nur meine persönliche Logik, weil ich von Jura nichts verstehe) dieses Delikt nur einzeln angeklagt werden. Also gemäß den damals geltenden Gesetzen.

    Ich habe das Gefühl, dass es hier um die EU geht, denn sonst würde man nicht finnische und deutsche, angebliche Delikte ins Spiel bringen. Ich glaube nicht, dass es nur die österr. Behörden sind, die da ihr Süppchen kochen. Hier war ja auch ein kleines Beispiel aus Deutschland zu lesen und das erscheint mir, als trage es dieselbe Handschrift. Sind wir wieder einmal so weit? Hat wieder ein Anschluss stattgefunden?

  2. Noch einmal: Das ZIEL ist, dass Staatsanwalt Handler von der Strafverfolgung nach § 278 Strafgesetzbuch ZURÜCKTRITT! Wenn der Staatsanwalt dazu nicht in der Lage ist, sind die übergeordneten Stellen, also der Oberstaatsanwalt bzw. beim OGH der Generalprokurator gefordert. Letztverantwortlich bleibt die Justizministerin, die erklären muss (der österreichischen und internationalen Öffentlichkeit) warum ein Verfahren gegen Tierschützer wie ein Verfahren gegen Terroristen der Al Quaida gerechtfertigt ist. Weitere Fragen: WARUM hat die Unterschlagung von Ermittlungsergebnissen keine strafrechtlichen Konsequenzen? WARUM hat Amtsmissbrauch in diesem Verfahren keine Konsequenzen? WARUM wird Sachbeschädigung, wenn es sich um Sachen der Tierschützer handelt, nicht strafrechtlich verfolgt. WARUM darf eine Richterin über einen Befangenheitsantrag gegen ihre Person selbst entscheiden (Selbstjustiz?) WARUM verfolgt die Richtervereinigung eine Wissenschafterin strafrechtlich und zivilrechtlich (Verleumdung, Üble Nachrede), nur weil die Strafrechtlerin in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift ihre Meinung über die Prozessführung der Richterin geäußert hat?

  3. “In jedem einzelnen Fall muss der Richter danach trachten, der inneren Stimme der Zu- oder der Abneigung kein Gehör zu schenken. Ansonsten ist er befangen.” ( http://www.richtervereinigung.at/justiz-aktuell/hintergruende/hintergr5a.htm)
    …100 Befangenheitsgründe dennoch abgelehnt, aber dafür gibt es eine Aneige wegen ” Verleumdung” ? Und noch der Versuch die Türkei abzuwertenm doch dort wissen die Menschen wenigstens, dass nach ” Alah s Gesetze” abgehandelt wird.
    Frank

  4. Wie offenkundig ungleich muss die Behandlung von Prozessteilnehmern noch werden um die Befangenheit der die Verhandlung führenden Richterin durch die Richterin selbst bestätigt zu bekommen? Unendlich?

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