22. Dezember 2024

Die ersten Polizeiverhöre nach Selbstanzeigen wegen Nötigung haben begonnen!

Das Berufungsurteil des Wiener Oberlandesgerichts zum Tierschutzprozess hat eine neue Rechtsansicht kreiert: die Ankündigung einer legalen Kampagne gegen eine Firma wegen deren Pelzverkaufs, bestehend aus vielen Demos, Flugblattverteilen, Plakaten, kreativem Theater und Medienberichten, stelle eine schwere Nötigung dar und müsse mit 5 Jahren Haft bestraft werden. Zwar ist dieses Gericht das höchste Berufungsgericht in dieser Sache, doch gleich eine ganze Reihe von Aspekten geben Hoffnung, dass sich diese Rechtsansicht nicht zur gängigen Judikatur in Österreich auswachsen wird. Dazu gehört, dass
•    im erstinstanzlichen Prozess die essenziellen Fakten zur Frage, ob eine derartige Kampagne als Mittel zum Zweck der Beendigung des Pelzhandels überhaupt sittenwidrig ist, nicht erhoben wurden
•    Tierschutz mittlerweile als Staatsziel in der Bundesverfassung angeführt wird
•    2 der 3 Richterinnen im OLG-Senat befangen waren und eine sehr fundierte Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags läuft, da ein Erkenntnis des EGMR keinen Zweifel lässt, dass Richterinnen, die in der Sache bereits entschieden haben – hier ging es um die Ablehnung der Berufung gegen das U-Hafturteil –, befangen sind
•    die für dieses Urteil zuständige Senatspräsidentin mittlerweile in Pension gegangen ist

In einer historischen Welle von Solidarität haben sich weit über 3000 Personen selbst wegen schwerer Nötigung angezeigt, nachdem sie an verschiedene pelzführende Geschäfte Kampagnenankündigungen geschickt hatten. Nun wurden bereits mindestens 5 dieser Personen zum Polizeiverhör gebeten. Manche sind nicht erschienen, manche haben die Aussage verweigert. Hier werden die wesentlichen Ausschnitte aus dem Vernehmungsprotokoll eines Selbstanzeigers wiedergegeben. Die Niederschrift wurde dabei, wie üblich, nach eigenen Formulierungen des einvernehmenden Polizisten vorgenommen, der Fragen stellte und die Antworten in eigenen Worten zusammenfasste.

Zunächst wurde gefragt, wie die Selbstanzeige zustande kam. Dabei interessiert sich die Polizei für RädelsführerInnen und AnstifterInnen.

SelbstanzeigeVerhörA1

Bei der nächsten Frage ging es darum, ob und wie die Ankündigung der Kampagne an die entsprechende Firma geschickt wurde und wie die Firmen reagiert haben:

SelbstanzeigeVerhörA2

Dann wollte die Polizei wissen, ob entsprechende Kampagnenhandlungen auch tatsächlich gesetzt worden sind. Der Selbstanzeiger war in diesem Fall persönlich aktiv und hat sich an legalen und friedlichen Informationskundgebungen vor pelzführenden Firmen beteiligt:

SelbstanzeigeVerhörA3SelbstanzeigeVerhörA3a

Fragen dazu waren, wie diese Demos abgelaufen sind, wie die PassantInnen reagiert haben und wie das von den betroffenen Firmen aufgenommen wurde:

SelbstanzeigeVerhörA4

Dann eine bemerkenswerte Frage: Ob der Selbstanzeiger je Stinkbomben geworfen oder Sachschäden begangen habe, bzw. ob ihn andere dazu anstiften wollten oder er von anderen wisse, die das tun würden.

SelbstanzeigeVerhörA5SelbstanzeigeVerhörB1

Zuletzt fragte die Polizei, ob der Selbstanzeiger sich bewusst sei, eine schwere Nötigung begangen zu haben, und wenn nicht, wieso er sich dann anzeige, wo es doch eine Straftat wäre, absichtlich falsche Anzeigen zu machen, um so den Ermittlungsbehörden einen Aufwand zu verursachen. Dazu der Selbstanzeiger:

SelbstanzeigeVerhörB2SelbstanzeigeVerhörB2A

Wir dürfen gespannt sein, wie viele der über 3000 Personen tatsächlich polizeilich einvernommen werden und ob das Ergebnis dieser Einvernahmen wirklich zu Anklagen führen wird. Betrachtet man das vorliegende Protokoll, so scheint das sehr unwahrscheinlich. Selbst Polizei und Staatsanwaltschaft muss der Vorwurf einer schweren Nötigung aufgrund legaler Kampagnen immer lächerlicher erscheinen. Dennoch wird von rechtsanwaltlicher Seite empfohlen, bei Einvernahmen durch die Polizei in dieser Sache vom Recht zu schweigen Gebrauch zu machen und höflich aber bestimmt keine einzige Frage zu beantworten.

Ein Gedanke zu “Die ersten Polizeiverhöre nach Selbstanzeigen wegen Nötigung haben begonnen!

  1. “Zuletzt fragte die Polizei, ob der Selbstanzeiger sich bewusst sei, eine schwere Nötigung begangen zu haben, und wenn nicht, wieso er sich dann anzeige, wo es doch eine Straftat wäre, absichtlich falsche Anzeigen zu machen, um so den Ermittlungsbehörden einen Aufwand zu verursachen.”

    Ich habe in meinem Leben schon so viele Protest-Mails geschrieben, Petitionen unterzeichnet, usw. und zwar nicht nur für Tierschutz, dass ich gar nicht mehr weiß was ich alles geschrieben habe. Bisher hat sich niemand beschwert und ich bin der Ansicht, dass es nicht rechtswidrig sein kann, sich an solchen Aktionen zu beteiligen, oder diese zu organisieren. Sonst wäre es ja auch Pflicht der Polizei gewesen, einzuschreiten. Hat sie aber nicht.

    Wie sich heraus gestellt hat, sind sich aber sogar die Juristen nicht darüber einig, ob man das darf, was die 3000 Leute getan haben, oder nicht. Wie soll also ich als Laie es wissen? Einen Anwalt fragen hilft auch nicht, wenn ein Gesetz so mehrdeutig ist, dass man es nach Belieben auslegen kann und jeder Jurist es anders beurteilt.

    Aus diesem Grund ist es richtig, sich selbst im Zweifelsfalle anzuzeigen. Denn sollte man irren, kann man nur auf diese Weise erfahren, ob man es in Zukunft unterlassen sollte, solche Aktionen zu unterstützen. Eigentlich wäre es Aufgabe der Regierung dieses Gesetz zu überprüfen, da es offensichtlich ein Pfusch-Gesetz ist, wie so viele andere auch.

    Ich bin schon neugierig was in meiner – nun sicher existierenden Akte – stehen wird. Habe ich in der Vergangenheit aufgrund meiner Petitionen und sonstigen Aktionen Gesetze gebrochen oder nicht? Sollte das der Fall sein, wäre zu hinterfragen inwieweit der Gesetzgeber Schuld trägt, indem er sich unfähig zeigt, sich allgemein verständlich auszudrücken und auch, inwieweit er moralisch einwandfreie Gesetze verabschiedet. Aber auch inwieweit er die Menschenrechte akzeptiert.

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