28. März 2024

Selbstanzeigenaktion mit Düringer und 1700 UnterzeichnerInnen – dennoch Kritik an uns

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Pressekonferenz zur Selbstanzeige, sitzend von links nach rechts: Johannes Glück und Dieter Hörmann (Zwa Voitrottln), Roland Düringer, Katharina Rueprecht

Die Selbstanzeigenaktion war viel erfolgreicher als erwartet. Durch die Pressekonferenz mit Roland Düringer, den Zwa Voitrottln und Katharina Rueprecht gestern in Wien wurde die Aktion noch weiter verbreitet und medial diskutiert. Kommenden Mittwoch den 24. Juli 2013 werde ich die Selbstanzeigen der Wr. Neustädter Staatsanwaltschaft übergeben. Vielleicht geht es sich bis dahin noch aus, die 2000-UnterzeichnerInnen-Marke zu erreichen. Immerhin kann man mittlerweile sogar auch auf englisch, französisch, italienisch und slowenisch die Selbstanzeige lesen, vgt.at/selbstanzeige.

Die Medienberichterstattung war fast durchgehend kritisch gegenüber dem OLG-Urteil und seiner neuen Lesart von schwerer Nötigung. Doch nur fast:

  • Irene Brickner im Standard: Im Unterschied zur Anklageschrift beim ersten, großen Prozess sind die Argumente diesmal präzise gefasst: Kein Rundumschlag gegen unliebsame Aktivisten, sondern durchdachtere juristische Erwägungen, etwa was den Nötigungsvorwurf angeht. Das Prozess-Remake könnte das Image des Skandalprozesses durchaus hinter sich lassen.

Argumente präzise gefasst? Durchdachte juristische Erwägungen? Reden wir vom selben Urteil? Dieses Urteil ist derart unpräzise und undurchdacht, wie das Gebrabbel von 1-Jährigen. Tatsächlich wird es von praktisch allen juristisch gebildeten GesprächspartnerInnen, die ich um eine Einschätzung bat, jeweils verschieden beurteilt.

  • Auch Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International, wird im Standard zitiert: [Patzelt] findet an den Oberlandesgerichts-Argumenten “nichts Tendenziöses”. Wer Forderungen wie den Komplettausstieg aus dem Pelzhandel aufstelle, die die aktuelle Rechtslage überschreiten, müsse sich klar sein, dass er gegen Gesetze verstoße.

Der Pelzhandel ist erlaubt, sonst müsste man nicht sein Ende fordern. Und immer, wenn man etwas fordert, was zwar unethisch aber noch erlaubt ist, muss man „sich klar sein“, dass man „gegen Gesetze verstoße“? Darf man nichts mehr fordern? Fordert Amnesty International nicht z.B. die Abschaffung der Todesstrafe in Ländern, in denen sie noch existiert, also eine Forderung, „die die aktuelle Rechtslage überschreitet“?

Wenn man diese Aussagen von vernünftigen Personen hört, kommt man nicht umhin anzunehmen, dass hier irgendwo ein Missverständnis vorliegen muss. Es kann schlicht nicht sein, dass Brickner und Patzelt – die beide schon persönlich Dinge gefordert und ihre Forderungen mit Protesten untermauert haben – es ernsthaft für richtig halten, Menschen wegen legalen Kampagnen für 5 Jahre ins Gefängnis zu stecken.

Vielleicht ist folgende falsche Annahme der Schlüssel, eine Annahme, die in vielen Online-Foren zu lesen ist. Es sei, steht dort z.B., Nötigung von jemandem etwas zu fordern, und dann diesen jemand laufend zu belästigen, bis er der Forderung nachkommt. Der Vergleich zum vorliegenden Tierschutzprozess 2.0 hinkt aber insofern, als dass es nicht um Belästigung geht. Nirgends im ganzen OLG-Urteil steht, dass es sich um eine Nötigung handelt, weil die Demos der TierschützerInnen die Geschäftsführung oder sonst irgendwen belästigen, behindern und ständig auf die Nerven gehen. Tatsächlich hat auch Erstrichterin Sonja Arleth das mit keinem Wort in ihrem Urteil behauptet. Es geht um keine solchen direkten Auswirkungen der Proteste. Es geht ausschließlich um indirekte Auswirkungen der Proteste, nämlich um den Einfluss auf die Kaufentscheidung der KundInnen durch das Verbreiten von Information. Insbesondere in der Anklage wegen Nötigung gegen Fürnkranz wird das deutlich: es gab keine Demos, also können sie auch niemanden belästigt haben, und es wurde nie gesagt, welche Form diese Kampagne annehmen wird und ob die Demos jemanden belästigen würden. Es geht um die freie Kaufentscheidung der KundInnen, die von der Firma über die wahre Herkunft der Pelzkleidungsstücke im Dunkeln gelassen werden, und die von den TierschützerInnen wahrheitsgemäß darüber informiert werden und dann eine Kaufentscheidung auf Basis ihres Gewissens fällen. Und das kann keine Nötigung sein!

Auch Brickner und Patzelt können das nicht für eine Nötigung halten. Dann hätte Bürgerrechtler Martin Luther King in all seinen Kampagnen genötigt, weil die zielten immer darauf ab, den mit Rassentrennung operierenden Buslinien, Mensen, Restaurants usf. durch Entzug der KundInnen Umsatzeinbußen zu verschaffen. Dann wäre auch die derzeitige Kampagne von Greenpeace gegen Shell eine Nötigung, weil alle BürgerInnen durch Aktionen, Demos und Webseitenberichte dazu gebracht werden sollen, dort kein Benzin mehr zu kaufen. Dann wären alle Tierschutz-Kampagnen u.a. der Vier Pfoten gegen den Handel mit Käfigeiern, Gänsestopfleber, Lebendhummer usw. eine Nötigung gewesen.

Ich hoffe es gelingt in einer ruhigen Minute Brickner und Patzelt auf diesen offensichtlichen Interpretationsfehler des „präzise verfassten“ und „juristisch durchdachten“ OLG-Urteils aufmerksam zu machen.

5 Gedanken zu “Selbstanzeigenaktion mit Düringer und 1700 UnterzeichnerInnen – dennoch Kritik an uns

  1. Es gibt eine Video, das bei dieser Pressekonferenz entstanden ist, und in dem Roland Düringer alle Menschen dazu nötigt, die Selbstanzeige auch zu unterschreiben:

    Das Video: http://youtu.be/DJSnfcLI5NU

    Die Selbstanzeige (in diesem Moment mit 1928 UnterzeichnerInnen): vgt.at/selbstanzeige

  2. wikipedia schreibt: http://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%B6tigung_%28%C3%96sterreich%29

    Nötigung: “Die Tat ist jedoch nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Diese Ausnahme von der Strafbarkeit bildet einen Rechtfertigungsgrund und dient dazu, Drohungen von der Strafbarkeit auszunehmen, die von der Rechtsordnung als nicht verwerflich anzusehen sind.”

    Erstens ist die Ankündigung einer legalen Kampagne keine Drohung, sondern eben eine Ankündigung. Eine Kampagne die legal ist, also gesetzeskonform, kann daher in diesem Sinn nicht verwerflich sein. Zweitens ist es nicht gegen die “guten Sitten” gegen Produkte zu sein die in Österreich gar nicht hergestellt werden dürfen. Sonst wäre es ja auch gegen “die guten Sitten” wenn die Regierung solche Farmen verbietet – was sie tut. Wenn jemand Produkte verkauft von denen er weiß dass ihre Herstellung nicht den “guten Sitten” entspricht und wenn diese Produkte noch dazu durch Gifte so stark belastet sind, dass sie die Gesundheit von Menschen gefährden, kann eine legale Aktion gegen den Verkauf solcher Produkte nicht gegen die “guten Sitten” verstoßen. Diese Aktionen könnte man auch ohne Vorankündigung legal durchführen und dann wären sie sowieso keine “Nötigung”. Also wie können sie plötzlich zur Nötigung werden, nur weil sie angekündigt werden? Für den Geschäftsmann ändert sich dadurch ja nichts. Ob jemand bei ihm kauft oder nicht, ob jemand die Produkte bei ihm kaufen möchte oder nicht, die er anbietet, ist sein Geschäftsrisiko. Niemand verlangt von ihm etwas zu tun, was gegen “die guten Sitten” verstößt – im Gegenteil.

  3. 2011 hat 4 Pfoten Kleiderbauer verklagt. Und zwar nicht weil er Pelz verkauft hat, sondern weil er giftigen Pelz verkauft hat,

    “In einer als Blaufuchs gekennzeichnete Pelzprobe der Firma Kleider Bauer fanden sich Rückstände von gesundheitsgefährdenden Färbemittel. Bei dieser Probe sticht der sehr hohe Wert für Phenylendiamin-Isomere ins Auge, der sowohl den EcoAid-Richtwert als auch den Industriestandard massiv überschreitet.”

    Der Artikel auf http://www.quax.at/news/91064_gift_in_pelziger_kinderbekleidung ist sehr aufschlussreich.

    Die Pelzindustrie hat dem widersprochen, aber 4Pfoten hat erneut testen lassen und bewiesen dass die Behauptungen stimmen.

    http://marktcheck.greenpeace.at/uploads/media/gift_im_pelz_Vier_Pfoten.pdf

    Also selbst wenn jemandem die Tiere egal sind, sollte er wenigstens an seine Kinder und an seine eigene Gesundheit denken.

    Eigentlich ist es fahrlässig von der Regierung, Pelze nicht komplett zu verbieten – und zwar schon allein aus Gründen der Gesundheit der Menschen. 25% der Österreicher leiden unter Allergien und es werden immer mehr. Da sollte man als Politiker schon darauf schaun dass es nicht noch viel mehr werden. Das kostet die Krankenkassen sehr viel Geld. Tierschutz ist auch Menschenschutz, denn diese, durch Tierleid enstandenen Produkte sind immer auch Gift für den Menschen. Die Umwelt wird belastet, das Gift gelangt in die Nahrung, Antibiotika wirken bei Menschen deshalb auch nicht mehr und zusätzlich behandelt man auch noch Produkte wie Pelze mit Giften die Allergien und andere Schädigungen verursachen.

  4. Im Forum zu Brickners Artikel

    http://tinyurl.com/n279asy

    kommen gegen ihre plötzliche “Bekehrung” kritische Beiträge kaum mehr durch. Diese Frau hat viel Vertrauen verspielt! Man kann nur vermuten, dass der Inseraten-Manager ihres Brotgebers ein ernstes Wort mit ihr gesprochen hat. Man braucht wohl solche auch von der ÖVP. ))<:

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