17. November 2024

Die letzten 3 Prozesstage – Paradebeispiel eines §278a-Verfahrens

Manchmal höre ich von konservativer Seite, dass ein Verfahren wie der Tierschutzprozess in einem Rechtsstaat ein völlig normaler Vorgang sei. Es werde eben geprüft, ob §278a auf uns TierschützerInnen anwendbar ist. Wenn nicht, werde es sowieso zu einem Freispruch kommen.

Naja, gegen diese naive Sicht lässt sich einwenden, dass die Angeklagten durch einen Monsterprozess dieser Art ja völlig ruiniert werden, da sie ja drei Mal die Woche im Gerichtssaal sitzen müssen und ihre Verteidigungskosten von € 4000 pro AnwältIn und Tag auch bei einem Freispruch nicht rückerstattet bekommen.

Aber selbst wenn man diesen Aspekt ignoriert, möchte ich die Person kennenlernen, die die Inhalte dieses Prozesses für relevant und wichtig erachtet. Nehmen wir die letzten drei Prozesstage. Sie sind, jeder für sich, wirklich Paradebeispiele, um was es in einem §278a-Verfahren dieser Art geht. Entweder um (Bagatell-)Delikte ohne Hinweis auf die TäterInnen, oder um legale Protestaktivitäten.

49. Prozesstag

Die Besitzerin eines Pelzgeschäftes in Wien erzählt, es habe vor 4 Jahren eine Serie von Anschlägen gegen sie gegeben, weshalb sie jetzt in Psychotherapie ist. Zu Sylvester 2004 sei eine Feuerwerksrakete in ihrer Gartenhecke gelandet. Zu einem anderen Zeitpunkt habe eine Matratze auf dem Gehsteig in ihrer Nähe gebrannt. Mehrmals habe es Kratzer an ihrer Tür gegeben. Und einmal habe sie abzusperren vergessen. Daneben hat einmal vor 8 Jahren tatsächlich jemand ein Fenster ihres Geschäfts eingeschlagen, einmal wurde ein „O“ auf ihre Scheibe gemalt und einmal warf wer eine Stinkbombe. Ihr Schaden: € 0. Eine Woche nach der Stinkbombe hatte sich der Geruch verzogen, das „O“ ist heute noch auf der Scheibe und das eingeschlagene Fenster zahlte die Versicherung. Für diese Taten gab es nicht den geringsten Hinweis auf die TäterInnen. Mit den Angeklagten hat das nichts zu tun. Warum sitze ich dann in diesem Gerichtssaal und muss mir das anhören?

50. Prozesstag

Den ganzen Tag über werden eine Frau und ein Punschstandbetreiber zu einem Vorfall einvernommen vor 4 Jahren einvernommen. Die Frau war aus einer Kleider Bauer Filiale gekommen und hatte einen dort Flugblätter verteilenden Mann und eine Tierschützerin fotografiert, die heute angeklagt ist. Die Tierschützerin filmte daraufhin die Frau, was die wiederum erboste und dazu bewegte, zu versuchen, der Tierschützerin die Kamera zu entreißen. Also rief die Tierschützerin die Polizei, worauf die Frau wegging. Da rief die Tierschützerin ihren Rechtsbeistand. Der empfahl ihr, der Frau zu folgen und der Polizei jeweils zu sagen, wo sie ist. Zuletzt kam die Polizei und niemand wurde angezeigt. Bis drei Jahre später die SOKO diesen Fall aus dem Archiv zauberte, die Frau und den Punschstandbetreiber einvernahm und dieser „dramatische“ Vorfall seinen Weg in den Strafantrag fand. Und so mussten wir uns den ganzen lieben langen Tag diesen lächerlichen Schwachsinn anhören, ohne dass irgendjemand wusste, warum!

51. Prozesstag

Eine unbekannte Person hatte eine Stinkbombe in das Büro eines Jagdverbandes geworfen. Eine Woche später hatte sich der Geruch verzogen. Zwei Jahre später wird der Vorfall in diesem Gerichtsverfahren breitgetreten, ohne dass es auch nur den geringsten Hinweis auf TäterInnen gibt. Dafür wird der Geschäftsführer des Jagdverbandes im Zeugenstand einvernommen. Er erzählt, dass er mit mir vor 12 Jahren auf einem Diskussionspodium saß und mich so radikal empfunden hat, dass er gegangen ist. Dann war ich vor fast 3 Jahren als Journalist auf einer Jägertagung, von der ich eine live-Radiosendung auf Radio Orange durchführte. Er hat mich auf der Tagung „erkannt“, obwohl ich sowieso unter meinem Namen mit einem Presseausweis angemeldet war. Ja, und sonst hat er mich noch ab und zu auf Demonstrationen gegen die Jagd gesehen. Darüber wurde den gesamten Tag verhandelt, weil meine Präsenz auf der Jägertagung ein Beitrag zu einer kriminellen Organisation gewesen sein soll. Hat Balluch zu irgendwem irgendwas gesagt, war er als Jäger verkleidet, hat er die Tagung gestört usw.

Was für ein unfassbarer Zeit- und Geldverlust, was für eine absolute Lächerlichkeit! Das, liebe PolitikerInnen, ist die Konsequenz dieses §278a. Es kann niemanden geben, der solche Prozesstage für sinnvoll hält. Also ändert bitte rasch diesen Paragraphen, sonst sitzen wir in einem Jahr noch immer da und vergeuden unsere Zeit mit diesem unnötigen Schwachsinn!

2 Gedanken zu “Die letzten 3 Prozesstage – Paradebeispiel eines §278a-Verfahrens

  1. Dahinter steckt offensichtlich auch Methode: Nachdem es scheinbar keinerlei ernsthaften Beweise vorzubringen gibt, werden die angeklagten Tierschützer eben mit sinnlosen Zeugenaussagen den ganzen lieben Tag lang von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten und obendrein werden sie noch finanziell ruiniert. Eine Zermürbungs- und Vernichtungstaktik wie aus dem Lehrbuch der DDR-Stasi. Aber soweit scheinen wir in Österreich ohnehin nicht mehr entfernt zu sein …

  2. Ich wundere mich immer, dass so wenige Kommentare schreiben, weil zweifellos viele mitlesen, und wenn ich dann selber etwas schreiben möchte, fällt mir nichts ein, weil ich einfach nur fassungslos bin. Also ganz einfach: Kopf hoch, nich unterkriegen lassen!

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