Es gab meines Wissens 4 Regionen in Österreich, in denen Partisanenverbände, d.h. bewaffnete Gruppierungen, die aus den Wäldern der Berge heraus operierten, gegen das Dritte Reich agiert haben. Da sind einmal die Partisan_innen in den Karawanken in Südkärnten unter Tito, zweifellos die Bekanntesten, die auch bis über die Drau in das Gebiet der Saualpe vorgestoßen sind. Daneben gab es die Partisan_innen bei mir im Hochschwab in der Obersteiermark, die hauptsächlich in der Region vom Schoberpass und St. Michael bis nach Leoben, Eisenerz und Kapfenberg aktiv waren. Dann wären noch die Gruppen in den Ausseer Bergen und in den Ötztaler Alpen zu nennen. Aber nur die ersten beiden haben selbst aktiv Anschläge gegen die Militärmaschinerie der Nazis verübt, die letzteren beiden blieben defensiv, nahmen Deserteure auf und versteckten sich in den Bergen, und verteidigten sich mit Waffengewalt ohne aber selbst Anschläge zu verüben.
Die Partisanengruppe im Hochschwab rekrutierte sich zunächst aus kommunistischen Aktivist_innen, die schon im Austrofaschismus einer Verfolgung ausgesetzt waren. Nachdem 1939 bis 1942 einige Sabotageaktionen in den Stahlwerken der Gegend durchgeführt worden waren, nahm der Verfolgungsdruck durch die Gestapo – mit zahlreichen Todesurteilen und Überstellungen in Konzentrationslager – derart zu, dass ab 1942 die ersten von ihnen in den Untergrund gingen, allerdings zunächst noch in den Städten der Region. Im Frühjahr 1943 beschlossen dann zwei der Verfolgten den Kontakt zu den Südkärntner Partisanengruppen zu suchen, um dort Erfahrungen zu sammeln. Im Sommer 1943 kehrten sie zurück und begannen mit dem Aufbau einer eigenen Partisanenorganisation. Überall in den Bergen wurden Bunker angelegt, sowie Waffen- und Nahrungsdepots. Dynamit und Maschinenpistolen wurden aus Hallen der Wehrmacht entwendet, in denen beschlagnahmte Bestände der Roten Armee gelagert waren. Im April 1944 schließlich begannen die offensiven Operationen.
Als erste Aktion wurde ein bekannter Nazi, der Oberförster in Leoben war, überfallen und seiner Waffen und Nahrungsreserven beraubt. Dann ging man zu Bombenanschlägen auf Militärzüge und die Geleise über. Dabei wurde auch nach gut einem Dutzend Aktionen nie ein Mensch verletzt. Die Nazis waren nicht so zimperlich. Bei einer Großaktion im Juli 1944 am Thalerkogel im Hochschwab traf eine SS-Patrouille auf einen der Partisanenstützpunkte am Achentörl und schoss letztlich 3 von ihnen tot. Der Rest konnte aber entkommen und ließ sich deswegen von weiteren Anschlägen nicht abbringen. Kaum 1 Monat später trafen SS-Verbände auf der Kühbachalm am Zeiritzkampel auf eine der Partisanengruppen. Letztere konnte das Überraschungsmoment nutzen, 2 SS-Männer in Notwehr erschießen und geschlossen unverletzt entkommen.
Im August 1944 wurde dann vielen der Partisanen der Boden unter den Füßen zu heiß und einige gingen als “U-Boote” in Wohnungen von Sympathisant_innen in den Städten der Region. Zwei dieser Männer stöberte die Gestapo dort allerdings auf. Alle Partisanen hatten immer geladene Pistolen bei sich, um eine Festnahme zu verhindern und lieber zu sterben, als in Gefangenschaft zu geraten. Das deshalb, weil sie sonst mit der Folter zu rechnen hatten und womöglich ihre Kolleg_innen in den Bergen verraten hätten. In beiden Fällen schossen daher die von der Razzia überraschten Partisanen jeweils einen Gestapobeamten tot, bevor sie selbst erschossen wurden. Die etwa 80 Köpfe starken Partisanenverbände im Hochschwab hatten daher bis dato 5 Tote zu beklagen. Die Verfolgungsbehörden setzten 10.000 Reichsmark Belohnung für Hinweise aus, die zur Festnahme einer der als “Banditen” bezeichneten Partisanen geführt hätte. Es ist der Bevölkerung hoch anzurechnen, dass sich niemand für eine Denunziation bereit fand, obwohl 100e Personen in das Netzwerk an Unterstützer_innen – vor allem zur Nahrungsbeschaffung aber auch als Unterschlupf – eingebunden waren.
Gegen Jahresende schließlich teilten sich die Partisanen in kleinere Gruppen auf und bezogen ihre Überwinterungsbunker. Einer davon war jener am Kollmannstock, den ich nun besucht habe. Das Bild oben zeigt den Eingang in diese vielleicht 10 m tiefe Höhle, in der man im zentralen Bereich gerade noch stehen kann. Die Höhle hatten die Partisanen mit Holz verschalt und häuslich eingerichtet. Sie liegt auf 1200 m hoch über dem Tal, sehr versteckt in einem wunderschönen alten Wald. So sieht der Blick aus der Höhle aus:
Alles ging gut, bis der Förster in der Seeau, vermutlich aus diesem alten Forsthaus (rechts), eine Spur im Schnee entdeckte. Es ist der 30. November 1944. Natürlich mussten die Partisanen immer wieder ins Tal, um sich mit Nahrung zu versorgen. Da ja tiefer Schnee lag, mussten bei der Rückkehr die Spuren verwischt werden. Dabei dürfte, so erzählt man sich, ein Fußtritt übersehen worden sein. Und diesen fand der Förster, um dann anhand der Wischspuren zu erkennen, wo sich die Partisanen befanden. Die Förster und Jäger waren praktisch alle überzeugte Nazis und die größten Feinde der Partisanen, die sich wiederum aus der Arbeiter-, Handwerker- und Bauernschaft rekrutierten.
Am 1. Dezember 1944 erschienen die SS-Gendarmen zusammen mit dem Förster um 8 Uhr früh unterhalb der Höhle. Einer der Wächter hatte sie sofort entdeckt. Doch die Höhle war zu diesem Zeitpunkt bereits eingekreist, auch oberhalb befanden sich schon die Verfolger. Die SS setzte zudem Bluthunde ein. Dann fiel der erste Schuss.
Die Partisanen konnten zwar am Höhleneingang sehr gut in Deckung liegen, aber sie waren durch die Querschläger der von der SS in die Höhle geschossenen Patronen bedroht. Klar war auch, dass sie sich nicht ewig würden halten können. Und so war man sich bald einig, einen gemeinsamen Ausbruchsversuch aus der Einkreisung zu wagen. Da wurde einer von ihnen getroffen, und zwar so schwer, dass an ein Davonlaufen nicht mehr zu denken war. Schweren Herzens mussten ihn seine Freunde zurück lassen. Er ist ein Bauernsohn aus Tragöss im Hochschwab gewesen, gerade 30 Jahre alt. Als die Nazis in die Höhle eindrangen, wurde er kaltblütig aus nächster Nähe erschossen. Sein Bild zusammen mit einer Inschrift findet sich heute in der Höhle: Heinrich Kohnhauser “Heina”, geb. am 5. 11. 1914, Bauernsohn aus Tragöß-Unterort, wurde hier als Österreichischer Freiheitskämpfer in einem Feuergefecht der Partisanengruppe Leoben-Donawitz gegen faschistische Kräfte am 1. Dezember 1944 schwer verwundet und im wehrlosen Zustand von einem SS-Gendarm durch einen Genickschuss ermordet. Der Mörder floh bei Kriegsende in den amerikanischen Besatzungs-Sektor und blieb unauffindbar.
Die anderen begannen auf die SS zu schießen und sprangen dann zeitgleich den tiefverschneiten Wald hinunter. Doch die Nazis schossen zurück und trafen einen der Partisanen mit einem Dum-Dum Geschoß im Oberschenkel, der ein faustgroßes Ausschussloch aufwies. Dennoch flüchtete der Mann weiter. Einige der Partisanen hielten die SS mit gezielten Schüssen auf Distanz, während der Verletzte zusammen mit dem Rest der Gruppe tatsächlich entkommen konnte. Unfassbar, denke ich mir, während ich am Höhlenrand stehe und in den Wald hinunter blicke (rechts).
Ich sitze still in der Höhle und lasse ihre Vergangenheit auf mich wirken. Wieviel Angst mussten diese Männer hier ausgestanden haben. Und dieser Blick an die Höhlendecke war der letzte jenes Mannes, der hier starb. Die alten Bäume vor dem Höhleneingang müssen das alles miterlebt haben! Und die Wände scheinen mir immer noch die Spuren der Patronen der SS zu tragen, es gibt richtige Einschusslöcher. 75 Jahre ist das nun her! Was für eine lange Zeit, und dennoch kurz im geschichtlichen Rahmen. Meine Mutter ist bereits 1951 hier im Tal gewesen. Ihr Eindruck ist, dass sich kaum etwas verändert hat. Selbst Forststraßen gibt es hier gar keine.
Was für eine mutige Entscheidung das gewesen ist, aus dem warmen Haus in die Berge zu wechseln, um den bewaffneten Kampf gegen Hitler auch in die Heimatregion zu tragen! Ungeheuerlich selbstlos erscheint mir das heute. Erstaunlich, dass man von dieser Partisanentätigkeit so wenig hört und so wenig lesen kann. Ich kenne nur 3 Bücher über diesen Partisanenverband und ich habe sie alle.
Der obersteirische Widerstandskämpfer Richard Zach schmuggelte im Frühling 1942 diese Worte aus seiner Todeszelle in Gestapohaft, kurz bevor er ermordet wurde:
Warum ich dennoch mich erhob
Ich lebte gut in meiner Welt,
entbehrte weder Brot noch Geld,
war nicht verrückt vor Liebesschmerz,
trug keinen stillen Gram im Herz,
vergrub mich kaum in Wahngedanken,
litt auch an keiner Sucht zu zanken,
erträumte nie ein Herrschertum,
in Eitelkeit und lautem Ruhm,
empfing für meine Arbeit Lob;-
Warum ich dennoch mich erhob?
Weil ich auf allen Lorbeer pfeife,
wenn Sklaven sich in Qualen winden.
Weil ich es einfach nicht begreife,
dass jene sich zu Tode schinden,
nur um den reichen Tagedieben,
reich durch den Schweiß von tausend Armen,
zur Frohn getrieben ohn’ Erbarmen,
noch mehr Genüsse zuzuschieben!
Weil mich ein jedes Lied erwürgt,
wenn es nur solche Töne singt,
von denen die Zensur verbürgt,
dass keiner heil nach Wahrheit klingt.
Weil mir ein jeder Bissen Brot
in meiner Kehle stecken bleibt,
wenn überall die Willkür droht,
und schamlos die Gesetze schreibt.
Denn eher leb’ ich ohne Brot,
als ohne Recht auf freies Wort!
Und lieber schinde ich mich tot,
als Trug zu fressen fort und fort!
Ich mochte Mensch sein unter gleichen,
dem niemand seine Rechte strich,
in Hirn und Herz das Freiheitszeichen!
Darum, darum erhob ich mich!
Ich kann nicht anders, als Parallelen zu unserem Kampf für Tierrechte heute zu ziehen. Freilich sind wir nicht mit Folter und Tod bedroht und freilich kann man nicht den Staat heute mit dem Dritten Reich vergleichen. Und dennoch unterschreibe ich in diesem Gedicht jedes Wort, wenn mich wer fragt, warum ich das gute Leben als Akademiker und Universitätsprofessor für das eines verfolgten und finanziell vernichteten Tierschutzaktivisten aufgegeben habe.
Zum Ort der Schießerei mit der SS am Achnertörl: https://martinballuch.com/die-partisanen-im-hochschwab/
Danke an jene Person, die meinen ersten Artikel zu den Partisanen im Hochschwab gelesen und mir dann konkrete Infos zu dieser Höhle gegeben hat, sodass ich sie nun finden konnte.
Ein sehr interessanter Text ueber die oesterreichischen Widerstandskaempfer. Wir hatten in Polen auch viele Partisanen: Ihr Schicksal war um so tragischer, dass sie gleich nach dem gewonnenen Krieg von den Sowjets gejagt und getoetet wurden. Ich empfehle Ihnen einen Dokumentarfilm, in dem das Schicksal oesterreichischer und polnischer Widerstandskaempfer ein gemeinsames tragisches Ende fand. Sein Titel lautet “Die Helden von Stein”. Gruesse aus Danzig.