22. Dezember 2024

Diplomarbeit belegt: Hunde ohne Leine freundlich, Leinenpflicht von 50% ignoriert

P1040415kleinVor über einem Jahr, https://martinballuch.com/?p=959, habe ich mich auf meinem Blog schon gegen den Leinenzwang für Hunde ausgesprochen. Ich begann mit dieser Beobachtung:

Viele Jahre lang kam ich mit einem Hund ins Büro und ein Kollege freundete sich mit ihm an. Die beiden gingen fast täglich zu Mittag spazieren. Irgendwann einmal sagte mein Kollege nebenbei zu mir, dass er es so anstrengend finde, dass mein Hund jeden anderen Hund, der ihnen auf der Straße begegnet, anknurrt und angreift. Mir blieb der Mund offenstehen. Mein Hund verhält sich doch vollkommen freundlich und ruhig jedem Hund gegenüber, entgegnete ich. Dann löste sich das Rätsel: Während mein Kollege mit dem Hund immer an der Leine ging, war er bei mir immer frei. Mit Leine führte jede Hundebegegnung zu wildem Zerren an der Leine, zu knurren, bellen und einem Angriff. Ohne Leine war derselbe Hund total freundlich und friedlich, beschnüffelte die anderen Hunde zur Begrüßung oder ignorierte sie gleich völlig.

Kurt Kotrschal berichtet in seiner neuen Kolumne in der Presse von einer Diplomarbeit zweier Studentinnen aus der Arbeitsgruppe Mensch-Tier-Beziehung an der Uni Wien. 600 Spaziergänge mit Hunden in Wien wurden beobachtet. Dabei, so berichtet Kotrschal, sei es nur ein einziges Mal zu einem Konflikt zwischen zwei Hunden gekommen, obwohl 50% der Hunde gesetzwidrig ohne Leine und ohne Beißkorb geführt worden sind. Es gab keinen Konflikt zwischen Mensch und Hund und die Menschen untereinander seien sich auch freundlich begegnet. Hundezonen sind toll und wichtig, schließt Kotrschal, aber sie können den leinenfreien Spaziergang nicht ersetzen. […] Leider sehen viele Gemeinden in Österreich und anderswo Hunde immer noch als Ärgernis, das man durch möglichst schikanöse gesetzliche Regeln, wie flächendeckende Leinen- und Maulkorbpflicht, zurückzudrängen trachtet.

100_2032kleinKotrschal geht in seiner Kolumne vom anthropozentrischen Standpunkt aus. Hunde seien pädagogisch sehr wertvoll für Menschen, sie würden Kindern Mitgefühl, Toleranz und soziale Verantwortung vermitteln. Darüber hinaus fördern Hunde in der Familie die körperliche und kognitive Entwicklung, ja nach einer neuen Studie im New Scientist haben Menschen, die mit Hunden zusammenleben, auch weniger Allergien.

In Sachen Hunde in der (menschlichen) Gesellschaft ist mein Zugang canidozentrisch. Nur, wenn es für die Hunde einen Vorteil hat, ist es ihnen zuzumuten. Lassen wir die Frage der langfristigen Hund-Mensch Beziehung einmal außen vor, dann ist es für die Hunde aus dem Tierheim – und alle meine Hunde stammen dorther – sicher besser, sie leben in der Gesellschaft, als im Abstellkammerl Hundezwinger. Und für einen Hund in der menschlichen Gesellschaft ist es meiner Erfahrung nach zweifellos sehr wichtig, ohne Leine Spazierengehen zu können. Mein Hund verhält sich völlig anders an der Leine, er gibt seine Autonomie sozusagen ab und mutiert zum Roboter. Er scheint mir dann abzuwarten, wann er endlich von der Leine gelassen wird, damit er damit beginnen kann, spazieren zu gehen und die Gegend zu erkunden.

Es freut mich, dass meine Proteste gegen den Leinen- und Maulkorbzwang nun auch akademische Kreise und die Presse erreicht haben!

Kotrschals Kolumne: http://diepresse.com/home/meinung/wisskommentar/1427927/Von-den-hundefeindlichen-Gemeinden-und-der-grossen-Stadt

7 Gedanken zu “Diplomarbeit belegt: Hunde ohne Leine freundlich, Leinenpflicht von 50% ignoriert

  1. @Martin Balluch, ich glaube du lebst in einer Traumwelt. 🙂

    http://www.krone.at/Tierecke/Hundetrainerin_wegen_Uebung_ohne_Leine_angezeigt-Wirbel_um_Freilauf-Story-358321

    Hier geht es auch um 100 €, obwohl Hundetrainer beim Training Hunde frei laufen lassen dürfen. Diese Frau hat allerdings berufen. Normal bringt das gar nichts. In Wien kostet es weniger, außer man wird öfter erwischt. Da wurden ja einmal einige alte Leute zu mehreren Tausend € verurteilt. Ich glaube man muss aber nicht zahlen, man kann sich einsperren lassen. Das ist ja eine Verwaltungsstrafe. Wäre interessant was passieren würde, ließen sich alle Hundehalter einsperren. 😉

  2. @gwyn: Ich kann dich gut verstehen. Ich habe ein ähnliches Problem.
    Grundsätzlich finde ich Martins Vorstellungen von einem gleichberechtigten Zusammenleben zwischen (in diesem Fall) Hund und Mensch wunderschön und richtig. Eine Welt in der alle (in diesem Fall) Hunde in einer möglichst autonomen Form frei laufen, spielen, schnuppern, soziale Kontakte pflegen, usw. können.
    Leider finde ich genau diese Vorstellung sehr beunruhigend, wenn ich an die Spaziergänge mit meinem Pflegehund denke. Er (ein sensibler Malteser) wurde schon mehrmals teils spielerisch, teils aggressiv inkl. Verletzungen von freilaufenden Hunden und Hündinnen angefallen. Diese Vorfälle haben Spuren in seiner Hundeseele hinterlassen und auch in meiner. Ich weiß, dass es falsch ist, aber ich selbst werde sobald ich einen freilaufenden Hund/Hündin auf uns zukommen sehe, nervös.
    Sobald ich ein ungutes Gefühl habe, leider kann ich es nicht rationaler erklären, bitte ich die jeweiligen Hundehalter_innen ganz lieb und nett, ob Sie denn den Hund/ die Hündin bitte anleinen könnten.
    Es ist unglaublich wie rücksichtlos einem dann begegnet wird. Die Antworten reichen von „Warum?“ bis „Hätten Sie ihren Hund auch frei gäbe es kein Problem“.
    Viele Hundehalter sind einfach nicht bereit „ihren“ Hund/Hündin, nach höflicher und netter Aufforderung kurz anzuleinen, ich finde dieses Verhalten einfach unmöglich, unsozial und rücksichtslos.

    Was soll das?
    Was soll mit Hunden mit schlechten Erfahrungen und Angst vor freilaufen Hunden passieren? Tierheim!?
    Warum wird auf einen Hund, der eben ein Problem hat einfach keine Rücksicht genommen? Ist er jetzt Ausschussware, weil aufgrund der Angriffe nun eben selbst nicht mehr freilaufen darf?
    Ab ins Tierheim?!
    Zudem hat der von mir spazieren geführt Hund eine Herzinsuffizienz, deshalb sind Aufregungen für ihn Gift. Hat er deswegen weniger Rechte?

    Auf jeden Fall kann ich dann auch Menschen verstehen die immer ausflippen, wenn man ihnen rät einen Hund aus dem Tierheim o.a. aufzunehmen. Denn gesetztenfalls diese erwischen tatsächlich einen Hund mit gewissen schlechten Erfahrungen, dürfen sie nicht mit der Rücksichtnahme andere Hundehalter rechnen.
    Also wieder zurück ins Heim, denn dieser Spießrutenlauf ist auf Dauer wohl weder Mensch noch Tier zuzumuten.

    Ich bin wirklich in einem Zwiespalt. Einerseits möchte ich für alle (in diesem Fall) Hunde/Hündinnen auf dieser Welt ein glückliches, freies und möglichst autonomes Leben. Andererseits sehe ich tagtäglich welche Schwierigkeiten entstehen.

    Gibt es eine Lösung?

    vegan l♥ve&peace, miss viwi
    Küsschen an Kuksi, der mir’s bitte nicht übel nehmen soll.

  3. @Rohkost Freund: Ich hoffe Du zahlst das auf keinen Fall. Eine anonyme Anzeige? Das ist doch lächerlich. Was ist der Beweis? Da steht ja nicht einmal Aussage gegen Aussage. Ich kann nur sagen, sowas sollte man auf keinen Fall bezahlen sondern bis in alle Instanzen bekämpfen. Und dafür braucht man keinen Anwalt / keine Anwältin.

  4. hallo zusammen, mein hund ist seit zwei jahren bei mir – ist 7 jahre alt und hat eine unklare vergangenheit. der hund beisst ungehemmt & ohne vorwarnung (kein knurren, warnenendes bellen, steif werden oder ähnliches) zu wenn ihm andere fremde hunde zu nahe kommen, im freilauf ebenso wie an der leine. leider aber können oder auch wollen die meisten hundehalter auf meine aufforderung hin ihre hunde nicht abrufen, sondern kommen dann mit tollen ratschlägen und belehrungen. weswegen mein hund bei möglichen zusammentreffen, unübersichtlichen stellen jetzt maulkorb und leine trägt. ich bin absolut dafür dass gut sozialisierte hunde frei laufen können. nur die ständigen belehrungen anderer hundehalter “das tut der nur wegen der leine” – “da is aber was schief gelaufen in ihrer erziehung” gehen mir extrem gegen den strich, ich geh nicht zum spass mit leine und maulkorb spazieren, wir machen halt das beste draus. es wäre schön wenn auf eine bitte hin einfach akzeptiert werden könnte: dieser konkrete hund braucht keinen kontakt mit fremden hunden. basta.

  5. Interessanter Ansatz und interessanter Artikel! Ich bin mit meinem Hund auch des öfteren – um nicht zu sagen ständig – illegal (also ohne Leine) unterwegs. Der Hund ist gutmütig, er ist alt, er trottet einfach neben einem her, wartet von selbst, bevor wir eine Straße überqueren, braucht keine Revierkämpfe mehr und muss auch sonst nichts beweisen. Er ist ohne Leine einfach entspannt und interessiert sich weder für andere Hunde, noch für Jogger, Radfahrer oder Passanten. Wenn er anderen, angeleinten und agileren Rüden begegnet, reagieren diese oft heftig. Vermutlich nicht, weil die anderen Hunde übermäßig aggressiv sind, sondern weil sie in ihrer Bewegungsfreiheit stärker eingeschränkt sind. Somit kann ich dem Protest gegen den Leinenzwang durchaus etwas abgewinnen!

  6. Auch Tiere haben eine Persönlichkeit und einen eigenen Charakter. Dazu kommen auch noch rassetypische Merkmale. Es gibt Hunde die man nicht “erziehen” kann und es gibt natürlich auch dumme und intelligente Hunde. Mein Hund ist z.B. ein intelligenter Spaßvogel. Er neckt andere Hunde gern, ist aber freundlich, macht auch Späße mit Menschen und ist eher unproblematisch. Ob Mensch, ob Hund, alle mögen ihn. An der Leine spinnt er aber auch wenn er zu einem anderen Hund nicht hin darf. Aber wenn etwas rennt, rennt er nach ohne zu schauen, ohne zu denken. Auf der Straße könnte ich mit ihm deshalb nicht ohne Leine gehen. Und ich glaube er empfindet die Leine nicht als schlimm. Mir kommt vor als würde er mich an der Leine führen (oder das so empfinden) und nicht umgekehrt. Er zeigt mir sehr deutlich wo er gehen will und erklärt mir non verbal, dass er keine Lust hat dorthin zu gehen wohin ich will. Dann bleibt er einfach stehen, schaut mich an und gibt erst nach wenn ich “seinen” Weg gehe. Sein Weg führt meistens nicht an Orte an denen er frei laufen kann. Was mich stört, weil ich die Leine als lästig empfinde.

  7. ?? Es gibt nichts Selbstverständlicheres, als daß ein Hund an der Leine seine Selbständigkeit aufgibt.
    Das kann jeder beobachten, der sich gut genug mit seinem Hund versteht, um sich auch mal das leinenlose Gehen zuzutrauen.
    Er fühlt sich an der Leine 1., mehr für Sie verantwortlich, und 2., hilfloser.
    Daher die Angriffe.
    Meine Mädchen hatten niemals Leine und werden auch niemals von Hunden angegriffen, die OHNE Leine daherkommen.
    Von Hunden an der Leine hingegen sehr häufig.
    Normal.
    Der nächste Punkt ist, das Hunde-Leinen-Führer sich schon vor jedem entgegenkommendem Hund fürchten, und der eigene Hund dann glaubt (und dafür braucht er sich nicht mal zu Ihnen umzudrehen), daß mit dem entgegenkommenden Hund etwas nicht in Ordnung sei, weil SIE JA ANGESPANNT SIND.
    Dennoch sind die Meisten zu unvertraut mit ihrem eigenen Hund, um ihn zuverlässig davon abzuhalten, auf die Straße zu laufen. Oder überhaupt einzuschätzen, wessen ihr Hund fähig ist, oder nicht.
    Daher müssten die GESCHULT werden in Verstehen und Erziehung, , damit leinenloses Gehen funktioniert.
    Bitte her damit. Wir sind offiziell total hinterwäldlerisch in unseren Erkenntnissen, dabei kann man das jeden Tag beobachten.
    Mir kommt das sinngemäß vor, als wenn wir langsam die Erkenntnis gewännen, daß es vielleicht doch nicht der Teufel ist, der den Frauen das Muttermal verpasst hat. Auf dem Stand sind wir jetzt.

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