22. Dezember 2024

Fehlende „Essentials“ in der Tierschutzcausa

Ich habe in meinem vorigen Beitrag bereits den englischen Anwalt Michael Mansfield begeistert zitiert. Auf Seite 225 von „Memoirs of a radical lawyer“ beschreibt er die offenbar gängige Ansicht von „natural justice“ und einem fairen Verfahren, die sich in den folgenden notwendigen Bedingungen äußere:

  1. Zugang zu (zur Not kostenloser) Rechtsvertretung
  2. Klare und präzise Darlegung der Vorwürfe
  3. Unabhängige und unparteiische juristische Prüfung der Vorwürfe (z.B. in U-Haft)
  4. Zugang zu allen Ermittlungsergebnissen
  5. Ein fairer Prozess vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal auf der Basis objektiver Evidenz
  6. Annahme von Unschuld, bis die Anklage eine über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Schuld bewiesen hat

Dieses System biete die bestmögliche Garantie, dass keine unschuldigen Menschen verurteilt werden. Auf keines dieser 6 „Essentials“ könne man verzichten.

Soweit Michael Mansfield. Was ergibt sich, wenn dieser Test auf die Tierschutzcausa angewandt wird?

Ad 1. Zugang zu (zur Not kostenloser) Rechtsvertretung
Wie ich beim Eindringen der WEGA-Beamten in der Nacht meiner Hausdurchsuchung meinen Anwalt anrufen wollte, wurde ich von maskierten Personen geschlagen und meines Handys beraubt. Später auf der Polizeistation, nach etwa 40 Stunden, konnte ich erstmals mit meinem Anwalt sprechen. Nach der U-Haft wollte mein Anwalt € 30.000. Im Verfahren kostet ein Anwalt pro Tag € 4.000. In Österreich bekommt man auch bei Freispruch kein Geld davon zurück. Und selbst wenn man bedürftig ist, zahlt der Staat dem Anwalt die ersten 11 Gerichtstage nicht und verlangt zuletzt von den Bedürftigen € 1.200 pro Person. Dennoch, mit ein bissel Toleranz kann man Essential 1 für erfüllt erachten.

Ad 2. Klare und präzise Darlegung der Vorwürfe
Also darüber kann ich nur lachen. Die SOKO hat sich schon von Anfang an bemüht, die Sache möglichst nebulos darzustellen, um eine ungreifbare Verdachtswolke zu bilden. Bis heute – nach 4 Jahren Ermittlungen und im 9. Monat Prozess – kenne ich die Vorwürfe gegen mich nicht.

Ad 3. Unabhängige und unparteiische juristische Prüfung der Vorwürfe bei U-Haft
Das kann auch nur ein Scherz sein. Die SOKO hat nachweislich die U-Richterin falsch informiert. Es gab nie eine echte Haftverhandlung, nie konnte ich einem unabhängigen Haftgericht meine Argumente präsentieren, warum kein Verdacht besteht.

Ad 4. Zugang zu allen Ermittlungsergebnissen
Lachhaft! Ein Gericht hat die SOKO bereits im Februar 2009 scharf verurteilt und angewiesen, uns endlich Akteneinsicht zu geben. Zuletzt wurde die SOKO am 14. Oktober 2010 verurteilt, weil sie dieser Aufforderung durch das Gericht nie nachgekommen ist. Erst vor 2 Wochen habe ich überhaupt erfahren, dass mein Büro technisch überwacht worden war. Von praktisch allen Ermittlungsmaßnahmen (und viele kenne ich sicher gar nicht) wurden uns nie die Ergebnisse bekannt gegeben.

Ad 5. Ein fairer Prozess vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal auf der Basis objektiver Evidenz
Ebenfalls lachhaft. Siehe www.tierschutzprozess.at.

Ad 6. Annahme von Unschuld, bis die Anklage eine über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Schuld bewiesen hat
Beim Schuldspruch sind wir noch nicht, aber soviel steht jetzt schon fest: Die Anklage versucht gar nicht, irgendetwas zu beweisen. Vielmehr werden einfach nur Pseudovorwürfe in den Raum gestellt, die legale Handlungen betreffen, mit denen ich aber mir unbekannte Personen ideell und indirekt unterstützt haben soll. Z.B. hätte ich bei Animal Liberation Workshops Kriminelle rekrutiert oder auf Tierrechtskongressen Kriminelle sprechen lassen. Ohne konkrete Auskunft, mit welcher Aussage ich wen rekrutiert habe und welcher Kriminelle wann was gesagt habe, kann man sich gegen diese Art der Vorwürfe nicht verteidigen.

Zusammengefasst muss man also konstatieren: von den 6 Essentials für ein faires Verfahren, die von einem internationalen Experten aufgestellt wurden, erfüllt das Verfahren gegen die TierschützerInnen nur 1, und das nicht wirklich überzeugend. In der Tierschutzcausa wurden also 5 von 6 Essentials für ein menschenrechtskonformes und faires Verfahren nicht erfüllt!!!

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