28. März 2024

Ist das Atom ein Perpetuum Mobile? – Abschied vom epistemologischen Anthropozentrismus

AtomLange hat man dieses Gespenst verfolgt und zu fangen versucht, das Perpetuum mobile, ein sich immer bewegendes und Arbeit leistendes, physikalisches System. Aber, ähnlich wie die Goldherstellung in der Alchemie, wurde ein Perpetuum mobile nie gefunden. Es widerspricht dem Naturgesetz der Energieerhaltung. Doch dreht sich im Wasserstoffatom nicht ein Elektron wie ein Perpetuum mobile ewig um ein Proton im Atomkern, ohne Energie zu verlieren?

Die Anziehung zwischen Elektron und Proton wird durch die elektrische Kraft bewirkt, wobei das Elektron negativ und das Proton gleich groß, aber positiv geladen ist. Eine Ladung, die sich im elektrischen Feld einer anderen bewegt, müsste aber sehr rasch selbst ein elektrisches Feld abstrahlen und Energie verlieren. Berechnet man das Szenario mathematisch im Rahmen der klassischen Elektrodynamik, so würde das Elektron innerhalb einer Sekunde in das Proton stürzen, egal wie schnell es anfangs war. Ein Atom dürfte also niemals stabil sein.

Doch ein Elektron ist kein kleines Kügelchen, das in einer Bahn um das Proton kreist. Ein Elektron ist ein Quantenwesen, mit seinen mathematisch exakt definierten aber völlig unanschaulichen Eigenschaften. Es ist nicht an einem Ort – durch 3 reelle Zahlen gegeben – sondern sein „Ort“ ist ein komplexwertiger (mit imaginärer Zahl i, siehe https://martinballuch.com/?p=3507) Operator, siehe https://martinballuch.com/?p=3499.

Die Energie des Elektrons (ebenfalls ein Operator) ist mathematisch exakt erhalten. Das ist ein Naturgesetz. Dieser Erhaltungssatz lässt sich mathematisch in einer Gleichung formulieren. Für das Wasserstoffatom, mit einem Proton im Atomkern, kann diese Gleichung einfach gelöst werden. Wir erhalten eine mathematische Darstellung des Quantenwesens Elektron im Wasserstoffatom und können uns ansehen, wie sein Ortsoperator aussieht.

Die Operatoren beobachtbarer physikalischer Eigenschaften der Quantenwesen haben eine besondere Eigenschaft: sie sind in ihrem imaginären Anteil symmetrisch, man nennt das Hermitsch. Jeder Operator lässt sich in eine unendliche Summe von Teilen zerlegen, in denen er Zahlenwerte annimmt, die man Eigenwerte nennt. Hermitsche Operatoren sind nun genau jene, bei denen diese Eigenwerte reell sind – ist das vielleicht der Grund, warum wir uns imaginäre Zahlen nicht anschaulich vorstellen können, weil sie während unserer Evolution keine merkbare Rolle spielten? Der Ortsoperator eines jeden Quantenteilchens spaltet sich also in eine i.A. unendliche Summe reeller Orte auf, an denen sich dieses Quantenwesen befinden könnte. Der Ortsoperator des Elektrons im Wasserstoffatom besteht aus einer Summe von Sphären um den Atomkern herum, die voneinander durch Bereiche getrennt sind, an denen das Elektron unter keinen Umständen sein kann. Abhängig von seiner Energie befindet sich das Elektron in einer dieser Sphären, hat es wenig Energie ist es näher am Atomkern, bei viel Energie ist es weiter weg, und ab einer gewissen Energiemenge verlässt es das Atom und dieses wird zum Ion. Da der Wechsel von einer Sphäre zur nächsten jeweils eine bestimmte Energiemenge benötigt, spricht man von Quanten: die Energie des Elektrons im Atomkern ist nur in bestimmten Zahlengrößen möglich, wie der Ort nur in bestimmten Sphären, und der Energiewechsel nur in Zahlensprüngen, wie der Ortswechsel in Distanzsprüngen zum Kern. Wasserstoff kann man deshalb im Weltraum mittels Teleskop identifizieren, weil Licht mit einer Wellenlänge von 21 cm einer gewissen Änderung des Energiezustands eines Elektrons im Wasserstoffatom entspricht. Dieses Licht stammt also von Wolken aus Wasserstoffgas.

Das Quantenwesen Elektron im Atomkern ist demnach kein Teilchen, das in einer gewissen Entfernung im Wasserstoffatom um den Atomkern rast. Es ist ein seltsames, aber mathematisch exakt definiertes Mischwesen, dessen Ort bei einer bestimmten Energie diffus in jeweils einer Sphäre um den Atomkern verteilt ist. Trotzdem es sich nicht bewegt, hat es einen Drehimpuls um den Atomkern. Dieser ist aber, wir ahnen es schon, wieder ein Operator und nicht eine (reelle) Zahl. Das Atom ist also kein Perpetuum mobile und die Quantenwelt scheint die einzige Möglichkeit zu sein, dem Paradoxon des Perpetuum mobile zu entgehen.

Die Quantenwelt und unser anschaulicher Mesokosmos sind tatsächlich grundverschieden. Hier gelten keine a priori von Kant mehr, und trotzdem können wir diese Welt verstehen und sehr genau berechnen. Die Quantenwelt hat mit Anthropozentrik nichts zu tun. Sie ist ein Beweis, dass wir uns auch epistemologisch vom Standpunkt des Menschen verabschieden können. Wir sind in der Lage, völlig unabhängig von unserem Mensch-Sein zu denken und zu handeln!

6 Gedanken zu “Ist das Atom ein Perpetuum Mobile? – Abschied vom epistemologischen Anthropozentrismus

  1. @Jakob:
    Spin-Flip! Das Proton im Kern hat eine Eigendrehung um sich selbst, das Elektron in der Hülle auch. Diese Drehrichtungen können parallel oder gegengerichtet sein, jeweils mit unterschiedlicher Gesamtenergie. Wechseln sie von entgegen gesetzt zu parallel, was spontan alle 11 Millionen Jahre pro Atom passiert, dann wird das 21 cm Licht ausgesandt. Aber: wie kann sich ein Punktteilchen um sich selbst drehen? Richtig, es geht wieder um Operatoren. Was ist der Spin eines Quantenwesens – Stoff für einen weiteren Blogeintrag.

  2. “weil Licht mit einer Wellenlänge von 21 cm genau der Energie eines typischen Elektrons im Wasserstoffatom entspricht.”
    Besser: genau der Energie entspricht, die bei einem Spin-Flip des Elektrons des Wasserstoffatoms freigesetzt wird.

  3. Ich hätte in Analogie zu Magnetismus und der beschleunigten Expansion des Universums eine Frage, die zwar nichts mit der Unschärferelation zu tun hat, aber doch die Wirklichkeit hinter der Wahrnehmung hinterfragt.
    Ein Ringmagnet, oder sonstiger Magnet, dessen “Feldlinien” dermaßen strukuriert sind, als dass sich immer dort Eisenpartikel befinden, wo bereits welche sind – ich meine dies, bezugnehmend auf die s.g. “dunkle Masse”, welche in meinem Gedankenexperiment entweder durch die Beschleunigung ansich zunimmt, oder aber durch eine aussenstehende “Massenkraft” (Kugelmagnet) – der Ereignishorizont, der das Universum beschleunigt.
    Hätte ich einen “Kugelmagnet”, in dessen Mittelpunkt ich Eisenspäne bringe, würde das von innen gesehene Bild(in Zeitlupe) in etwa dem entsprechen, was sich uns am “Nachthimmel” präsentiert -die Verklumpung der Eisenspäne bei gleichzeitiger Beschleunigung – so meine Vorstellung.
    Dies ist ein Darstellungsversuch in einem nur 3-dimensionalem Raum, und lässt ausser acht, das die Expansion des Raumes von innen her begonnen hat.
    Nun dazu meine 3 Fragen:
    Ist eine Massenzunahmen und damit einhergehende Gravitation (Filamentbildung) durch Beschleunigung möglich?
    oder/und durch “Feldlinien” einer
    denkbaren Masse “ausserhalb” des Ereignishorizonts(wo ist die Antimaterie)?
    oder ist die derzeitige nicht baryonische Masse bzb Energie besser belegt? Dank im Voraus!

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