Kampagnen gegen Tierversuche haben in Italien eine lange Tradition, die landesweit bekannteste Tierschutzorganisation heißt Lega Antivivisezione (LAV). Diese Liga gegen Tierversuche setzt sich mittlerweile für alle Tierschutzthemen ein. Doch unabhängig von Organisationen dieser Art, d.h. registrierten Vereinen insbesondere dieser Größe, gab es seit dem Jahr 2002 eine Grassroots-Kampagne gegen die Versuchstierzuchtanstalt Morini, in der jährlich 1100 Beagles für Tierversuche gezüchtet wurden. Diese klassisch konfrontative Kampagne, die auch eine breite Unterstützung der großen autonomen Szene in Italien genoss, wurde bald von repressiven Staatsmaßnahmen getroffen, die bis zu Demo-Untersagungen nicht nur vor der Zuchtstation selbst, sondern sogar in der nahegelegenen Stadt reichten. Ab 2006 musste die Kampagne daher abgebrochen werden. Doch Morini war auch durch behördliche Maßnahmen unter Druck, lief nur noch auf Sparflamme weiter und musste am 16. November 2011 Konkurs anmelden. 278 Beagles aus der Farm wurden statt an Tierversuchslabors an TierschützerInnen übergeben.
Die Tierschutzbewegung in Italien hatte sich schon 2010 ein neues Ziel gesucht: Green Hill bei Montichiari, wiederum eine Versuchstierzuchtstation mit 2500 Beaglehunden pro Jahr und einem Antrag auf Ausweitung der Zucht auf 5000 Beagles pro Jahr. Die Tierschutzbewegung begann erneut mit einer konfrontativen Kampagne und zahlreichen Demos und Besetzungsaktionen. Eine Kundgebung mit 2000 TeilnehmerInnen am Weltversuchstiertag 2010 zusammen mit einer lokalen Bürgerinitiative gegen die Vergrößerung der Zuchtstation konnte die Behörde zu einer Ablehnung des Antrags auf Ausweitung der Zucht bringen. Ein Sprecher dieser Kampagne hielt am Tierrechtskongress 2011 in Wien einen Vortrag. Er erwähnte dabei, dass bei dieser Kampagne in Italien grundsätzlich keine Vereine und Organisationen mitmachen dürfen, sondern nur Privatpersonen. Dadurch gäbe es wesentlich mehr Personen, die sich engagieren würden, weil man die Verantwortung nicht an einen offiziellen Verein abgeben könne. Eine interessante These!
Am 28. April 2012 marschierten wieder Tausende DemonstrantInnen zur Zuchtstation. Obwohl mit der Polizei vereinbart war, in einer gewissen Distanz zu Green Hill zu bleiben, gingen Hunderte DemonstrantInnen einfach weiter bis zum Zaun. Mehrere Dutzend AktivistInnen drangen dann in den Zuchtstationsbereich ein, befreiten 30 Hunde und händigten diese an die anderen DemonstrantInnen aus. Und das, obwohl zahlreiche PolizistInnen in voller Kampfmontur vor Ort waren. Die Medien berichteten in großer Aufmachung von dieser Aktion, selbst die bürgerlichen Zeitungen diffamierten die AktivistInnen nicht als radikal, sondern drückten ihre Sympathie aus. Die Bilder der Beagles machten offenbar den Unterschied aus! Hier ein paar Filmaufnahmen der Aktion:
http://video.corriere.it/blitz-canile-liberazione-beagle/69e39b50-9157-11e1-9c63-0823a340624b
12 AktivistInnen wurden verhaftet und 48 Stunden festgehalten. Dann kamen sie aber auf Geheiß eines Richters wieder frei, der dabei argumentierte, dass die Verhinderung des Verkaufs dieser Hunde an Tierversuchslabors ein Akt nobler Gesinnung sei.
Interessant, weil eine ganz ähnliche Aktion in der Anklage im Tierschutzprozess gegen mich eine zentrale Rolle spielte. Mitte der 1990er Jahre hatte ich an einer Demo von etwa 2000 Personen gegen die Versuchshundezuchtstation Consort Beagles in England teilgenommen. Dabei waren ebenfalls Beagles befreit worden, von denen einer letztendlich in meinen Armen gelandet war. Ich wurde dann einige Kilometer entfernt vom Demo-Ort mit diesem Beagle im Arm verhaftet – übrigens indem man mir einen Polizeihund nachgejagt hatte, der sich in mich verbiss und mich so aufhielt. Ich musste eine Nacht in einer Zelle verbringen, wurde aber später nie angeklagt.
Ich fürchte ich muss hier einmal mehr unumwunden öffentlich bekennen, dass mich die Befreiung von Tieren aus derartigen Situationen der Quälerei freut, ganz egal ob es sich bei dieser Befreiung um eine Straftat handelt oder nicht. Das Leben und das Wohlbefinden dieser Tiere, ganz im Sinne von §1 des österreichischen Tierschutzgesetzes, gehen vor, das Interesse der EigentümerInnen auf Profit ist dagegen nebensächlich. Dieses Foto eines der befreiten Beaglehunde sagt mehr als tausend Argumente – wer würde diesem Tier wünschen, in Tierversuchen zu Tode gequält zu werden?
War es in Amerika nicht verboten, Sklaven zu befreien? War es bei uns nicht verboten Fahnenflüchtige und Opfer des NS-Regimes zu verstecken? Gesetzesbrüche in diesen Belangen konnten teils mit dem Tod bestraft werden.
Die Wertemaßstäbe ändern sich. Heute finden wir die Gesetzeslage von damals widerlich und es ist uns völlig unbegreiflich wie sich gesetzestreue Bürger damals verhalten haben.
Einige (viele?) finden die Gesetzeslage von heute, den Tierschutz betreffend, widerlich und unbegreiflich. Da gehöre ich definitiv dazu. Mein Weg ist allerdings eher, Überzeugungsarbeit zu leisten, weil man heute zumindest für seine Gesinnung nicht belangt werden kann. Derzeit besteht leider die Gefahr, dass sich das wieder ändert und man als Terrorist gesehen wird, wenn man die Gesetzeslage als moralisch bedenklich betrachtet.
Ich wünsche mir, dass die demokratischen Kräfte gewinnen und dass uns die Widerlichkeit von Tierversuchlabors bald allen offensichtlich wird.