28. März 2024

„Militante Tierschützer sind rechtlich gut geschult und begehen selten strafrechtliche Delikte“

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Eine Broschüre der Landwirtschaftskammer NÖ, finanziert vom EU-Landwirtschaftsfonds, der nö Landesregierung und dem Landwirtschaftsministerium

Dieser Satz erinnert an eine Aussendung des steirischen Amtes für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung, https://martinballuch.com/?p=1482, doch diesmal stammt er von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Es bleibt die Frage – was macht diese TierschützerInnen denn zu „Militanten“ und einer Bedrohung für die Verfassung, wenn sie gar keine strafrechtlichen Delikte begehen? Ist es bereits militant, wenn man Verwaltungsübertretungen wie Falschparken in Kauf nimmt oder zivilrechtliche Klagen provoziert? Liest man den letzten Verfassungsschutzbericht, dann könnte man zu dieser Meinung gelangen, werden dort doch in einem Kapitel „Militante Tierrechtsgruppen“ 89 Verwaltungsübertretungen angeführt, siehe Wenn dem Verfassungsschutz die Tierschutzstraftaten ausgehen.

Doch obiges Zitat stammt aus einer vom Landwirtschaftsfonds der EU, vom Land NÖ und vom Landwirtschaftsministerium finanzierten Broschüre der Landwirtschaftskammer Niederösterreich mit dem Titel „Unbefugtes Eindringen fremder Personen in Stallgebäude“. Das drohende Problem ist am Anfang rasch umrissen: Immer wieder dringen vermeintliche [sic!] Tierschützer gezielt in Ställe ein, beunruhigen die Tiere und fotografieren im Stall. Die Fotos sind in der Regel mit GPS-Daten versehen und damit einem Betrieb zuordenbar und werden anonym bei der Veterinärbehörde zur Anzeige gebracht. Leider, so der Duktus der Aussendung weiter, sind diese „militanten Tierschützer“ aber so gut geschult, dass sie keine strafrechtlichen Delikte begehen und deshalb ist ihnen so schwer beizukommen. Man kann also diese Aktionen weder in den Augen der Öffentlichkeit noch der der Exekutive kriminalisieren, was offenbar den FunktionärInnen der Landwirtschaftskammer sehr leid tut. Dennoch liegt der Aussendung ein Formular bei, mit dem man einfach durch Ausfüllen bei Eintritt obigen Vorfalls gleich eine Strafanzeige bei Staatsanwaltschaft und Polizeidienststelle durchführen kann – wegen Verdachts auf Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Diebstahl, übler Nachrede, Kreditschädigung, Einbruch oder Verleumdung, Ausgewähltes bitte ankreuzen. Das Ganze ist noch mit dem Foto eines maskierten Mannes garniert, der ein Brecheisen dabei hat und sehr bedrohlich wirkt. Ein Brecheisen?

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Dieses Foto in der Broschüre der Landwirtschaftskammer stellt einen “militanten Tierschützer” dar, der “rechtlich gut geschult” ist und “selten strafrechtliche Delikte” begeht

In einem Absatz geht es um die Frage, ob man Personen, die gerade den Stall fotografieren, angreifen bzw. festhalten darf. Auch hier schleicht sich ein Tonfall des Bedauerns ein: Eine Anhaltung ist nur bei Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung und wenn die Anhaltung auf die gelindeste Weise möglich ist, zulässig. Wenn diese „militanten Tierschützer“ doch nur Straftaten begehen würden! Dessen ungeachtet hat der Betreiber einer Schweinefabrik in Pürstendorf, Burgenland, am 25. Juli 1997 einer fotografierenden Tierschützerin ohne Warnung in den Oberschenkel geschossen und kam mit der Behauptung davon, er habe sie für eine ungarische Schweinediebin gehalten.

Am ehesten, so scheinen die AutorInnen zu meinen, könnte man den „militanten Tierschützern“ noch durch den Vorwurf der Verleumdung beikommen: Wer einen  Anderen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung verdächtigt, ist, wenn er weiß, dass die Verdächtigung falsch ist, unter gewissen Voraussetzungen mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren zu bestrafen. Sollte der Tierschützer aber den Staatsanwalt überzeugen, dass er nicht wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, läge keine Verleumdung vor.

Die beste Empfehlung der Landwirtschaftskammer zuletzt ist nicht, eine tierfreundliche Tierhaltung sicher zu stellen, sondern aufzurüsten: In jedem Bezirk besteht die Möglichkeit, über die Bezirksleitstelle […] mit einem Experten der Kriminalprävention Kontakt aufzunehmen und sich über Sicherungsmöglichkeiten für den eigenen Betrieb zu informieren. Also doch wieder „Kriminalprävention“ – gegen TierschützerInnen, die keine Straftaten begehen!

7 Gedanken zu “„Militante Tierschützer sind rechtlich gut geschult und begehen selten strafrechtliche Delikte“

  1. Der Mafiaparagraph hat nicht das gewünschte Ergebnis gebracht, jetzt wird zur Selbsthilfe gegriffen. So reagieren nur Leute die etwas zu verbergen haben.

  2. Über das Foito hab ich mich zerkugelt! So schauen also Männer aus, die rechtlich gut geschult sind und selten strafrechtliche Delikte begehen!! 🙂

  3. “Dessen ungeachtet hat der Betreiber einer Schweinefabrik in Pürstendorf, Burgenland, am 25. Juli 1997 einer fotografierenden Tierschützerin ohne Warnung in den Oberschenkel geschossen und kam mit der Behauptung davon, er habe sie für eine ungarische Schweinediebin gehalten.”

    Was zur Hölle?!

  4. Ist halt wie immer – sobald wirtschaftliche Interessen berührt werden, ist die Panik groß und der Staat ein williger Helfer. Traurig.

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