Am Höhepunkt unserer Kampagne gegen Wildtiere im Zirkus demonstrierten wir oft vor Zirkusvorstellungen, um die Öffentlichkeit zu informieren. Schon im nächsten Jahr sollten wir erfolgreich sein und das – damals weltweit erste solche – Verbot erreichen. Die ZirkusbetreiberInnen reagierten mit Gewalt. Beim Auftritt des Zirkus Belly Wien im September 2001 in Bad Ischl im oberösterreichischen Salzkammergut eskalierte es. Zahlreiche Angestellte des Zirkus und der Zirkusdirektor Roman Zinnecker griffen uns friedliche AktivistInnen vor dem Zirkus voller Brutalität an. Unserem Anwalt wurde die Nase gebrochen, viele andere erhielten Faustschläge ins Gesicht. Einem Aktivisten, der den Angriff filmte, wurde die Kamera entrissen und völlig zertrümmert. Als die Polizei, die wir vorher schriftlich gebeten hatten, vor Ort zu bleiben, endlich auf unseren Notruf hin kam, war alles vorbei.
Wir erstatteten Anzeige und bezeugten die Gewalt, doch hatten wir wenig Hoffnung auf eine Reaktion der Behörden. Als ich dann nach Hause gehen wollte, kam ein 10 jähriger Bursche auf mich zu, gab mir ein Videoband und sagte, er habe als Passant aus sicherer Distanz alles gefilmt. Ohne seinen Namen zu nennen verschwand er wieder, bevor ich mich richtig bedanken konnte. In unserem Büro schaute ich den Film an und tatsächlich, der ganze Angriff war zu sehen. An einer Stelle fielen 5 Zirkusangestellte über mich her, 3 davon Frauen, und schlugen von allen Seiten auf mich ein. Ich duckte mich zusammen und versuchte mein Gesicht zu schützen. Ein Mann holte aus und hieb mir mit der Faust gezählte 12 Mal auf meinen Kopf. Danach hatte ich einen Bluterguss unter dem Auge.
Wir gaben den Film den Medien und er wurde veröffentlicht. Vielleicht war auch das ein kleiner Baustein, um letztlich das Wildtierverbot keine 6 Monate später zu erreichen. Und wir überreichten das Videoband der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren gegen meine AngreiferInnen wurde prompt eingestellt. Daraufhin erstattete ich Strafantrag, d.h. ich ließ die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf mein Kostenrisiko durchführen. Damals war so etwas noch möglich, heute wäre das keine Option. Ich wurde als Zeuge zu einem Prozess ans Bezirksgericht Bad Ischl geladen, ein ländlicher Ort voller Singvogelfänger, die nicht gut auf TierschützerInnen zu sprechen sind. Der Richter ließ das Videoband vorführen. Unmittelbar vor dem Angriff auf mich war nur noch Rauschen zu sehen. Entweder jemand hatte die entscheidende Stelle auf dem Band gelöscht oder es war beschädigt worden. Zum Glück hatte ich ein Reserveband dabei, auf dem der Angriff auf mich deutlich zu sehen war, jeder Einzelne der 12 Schläge. Der Richter verurteilte den Täter zu € 80 bedingte Geldstrafe und € 150 Schmerzengeld, die ich letztlich nie erhielt, weil laut Behörde keine Adresse dieses Mannes bekannt sei.
Vielleicht mag es manche überraschen, aber mir tat der Täter unendlich leid, als ich ihn so auf der Anklagebank sitzen sah. Zu diesem Zeitpunkt war das Wildtierverbot im Zirkus bereits beschlossen, der Zirkus Belly-Wien musste seine Elefanten und die anderen Wildtiere abgeben. Das Unternehmen ging in Konkurs, möglicherweise wurde es später wieder aus der Taufe gehoben. Politisch hatten wir also gewonnen. Sicher, dieser Mann war in einer völlig inakzeptablen Weise gewalttätig geworden – und wurde von einem sehr einseitigen Richter viel besser behandelt als ich, das Opfer. Aber für ihn war diese Zirkuswelt alles, und Wildtiere ein selbstverständlicher, jahrzehntelang unhinterfragter Bestandteil. Und da kamen wir, Außenstehende, die ihm zahlende Gäste kosteten, die seine Existenz gefährdeten. Da rastete er aus, vielleicht dachte er dabei auch an seine Familie. Nein, ich wollte nicht, dass dieser Mensch bestraft wird. Das Wildtierverbot war Strafe genug.
So seltsam sich das anhören mag, aber letztlich war ich froh über die lächerliche Strafe. Und ich versuchte gar nicht, mein Schmerzengeld einzutreiben. Ich hatte einfach Mitleid mit diesem Mann. Er schien mir hilflos und schwach. Meine Spiegelneuronen erlauben mir nicht, auf so jemanden hinzuschlagen, selbst wenn das nur juristisch gemeint ist und rechtlich gesehen der Norm entsprochen hätte.
JournalistInnen fragen mich manchmal, ob ich meine politischen GegnerInnen, die TiernutzerInnen und TierquälerInnen, hasse. Nein, das tue ich nicht. Natürlich versuche ich sie zu stoppen, und in diesem Sinn bekämpfe ich sie auch, aber sie tun mir als Person leid. Wenn ich etwas hasse, dann das System, das ihnen ihr Verhalten erlaubt oder sogar nahelegt oder fast schon aufzwingt, wenn man bedenkt, mit welchen Vorstellungen sie aufgewachsen sind. Ich wünsche niemandem einen persönlichen Schaden, auch dem politischen Gegner nicht. Und schon gar nicht, wenn er den politischen Konflikt bereits verloren hat.
Ich mag Sie.
Natürlich liegt es in erster Linie am System, wenn es Tierquälerei zulässt, aber das entlässt noch niemanden von seiner/ihrer Eigenverantwortung.
Nicht jeder schmutziger Job bekommt automatisch eine Existenzberechtigung, wenn einige sich selbst oder ihre Familie davon ernähren dürfen.
Waffen- und Drogenhändler, Folterer, Bordellbesitzer, Mafiabosse das sind alle Berufe von denen mehrere und gut leben können.
Ich persönlich setzte den Beruf eines Zirkusbesitzers, der, unter anderem, von dem täglichen Martyrium der wilden Tiere lebt, gleich zu allen diesen Berufen.
Dabei macht man den ganzen Schmiss mit Strafanzeigen, Prozesse und Anwälten (in diesem Fall sogar schwerverletzten Anwälten) nicht um sein ungeteiltes Mitleid auszusprechen.
Man sollte vorher ganz klar definiert haben, welche sind seine Feinde und welche sind die Opfer, für die man Mitleid empfindet und kämpft.
Wenn man die Möglichkeit bekommt (einmalig im vorliegenden Fall) seinen Feind zu vernichten, dass er unter der Brücke am besten schläft und bettelt um zu überleben, dann hat die Sache gelohnt und sollte man sich im Namen der Tiere freuen.
Wenn Tierquäler verstanden werden sollten, weil sie mit den “falschen Vorstellungen aufgewachsen sind“, dann halte ich es auch für eine falsche Vorstellung zu glauben, dass dieser Fehler durch Mitleid zu korrigieren ist.
Für einen Tierrechtler, geht es nicht darum, Psychopaten zu verstehen oder zu bemitleiden, sondern sie zu stoppen; dafür zu sorgen, dass sie keine Tiere mehr quälen oder töten.
By any means necessary.
Es kann natürlich sein, dass man immer noch nach der alten christlichen Vorsätzen handeln, und seinen Nächsten nicht gefährden will.
Dazu kommt es aber nur wenn man ein gewaltsames Attentat überlebt hat, Tatsache, die unser Zirkusdirektor bestimmt nicht gewollt hätte.
Eine täterfreundliche Diskussion über die Milieutheorie des Verbrechens oder gar über den freien Willen kann man immer noch führen, aber nachdem alle Tiere und Menschen gerettet wurden.
Die Dringlichkeit des Leidens erlaubt es nicht, sich heute damit zu beschäftigen, statt zu handeln.
Amor
Ich habe mir die Diskussion auf http://www.puls4.com/video/pro-und-contra/play/2741898 jetzt angesehen. Was manche Teilnehmer sagen zeigt deutlich wie emotionsgeladen die Diskussion zum Thema Fleischkonsum abläuft. Genau das lässt auch erkennen, dass es den meisten Leuten nicht wirklich egal ist, wenn sie Tiere essen, oder wie diese Tiere gehalten werden. Da kommen die verschiedensten Argumente die nichts aussagen. Andererseits drückt sich so mancher darum herum zuzugeben, dass Massentierhaltung immer grausam ist. Oder es wird darüber sogar ganz unverschämt gelogen. Mir kommt es vor, als würden da Ausreden für sich selbst erfunden, warum man selbst Fleisch unbedingt essen will und warum man auch dazu berechtigt ist. Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet, war diese Diskussion sehr interessant.
Tatsächlich ist es so, dass unsere industriell hergestellte Ernährung an sich zum Teil reines Gift ist. Das wird sich erst auf kommende Generationen so richtig auswirken. Das fängt beim Weizen an, der durch Züchtung für viele Menschen schon unverträglich ist und geht bis zum Fleisch von Tieren die mit Antibiotika, aber auch mit Jod (was sich auch extrem auf viele Menschen bereits auswirkt) regelrecht gefüttert werden.
Mitleid kommt schon deshalb keines auf, weil die meisten Menschen ja nur das schön verpackte Fleisch im Supermarkt sehen.
Fleisch ist ein Genussmittel – das geben sogar Köche zu die Fleisch gerne kochen und essen. Eigentlich stinkt es und es schmeckt nach gar nichts. Die Würzung macht es aus und der Geruch, der beim Braten entsteht. Würden die Menschen das fertig gekochte Fleisch nicht riechen können, würden viele leicht darauf verzichten können.
Ich respektiere diese Haltung dieses “starken Opfers”, allerdings sehe ich die Verbrecher und
die Taten der Verbrecher anders als er. Diese brutalen egoistischen Menschen, oft auch völlig einfach in ihren Denkmustern, haben Schuld auf sich geladen. Sie behandeln Tiere schlecht und unterjochen sie, quälen sie mehr oder weniger, das heisst, sie haben kein bisschen Mitgefühl und Respekt vor ihnen. Ich finde nicht, dass solche Menschen dann Respekt und Liebe von mir verdient haben.
Mitleid ist wirklich unteilbar. Wenn sich meine Arbeitskollegen auf den 2kg-Block Leberkäse stürzen als gäbe es kein Morgen, dann bin ich der Einzige, der Mitleid hat. Niemand im Raum teilt das mit mir.
Sind die beschriebenen Videoaufnahmen noch irgendwo einsehbar?
DAS ist wahre Größe! Hut ab!