17. November 2024

Offener Brief von Elmar Völkl an die Richtervereinigung

In seinem Befangenheitsantrag zitierte mein Mitangeklagter Elmar Völkl viele Textstellen von Univ.-Prof. Petra Velten, in denen diese die Richterin kritisiert. Dazu sagte die die Richterin im Verfahren, die Richtervereinigung habe Velten sowieso wegen übler Nachrede angezeigt. Der Standard wandte sich dann an die Richtervereinigung und Vizepräsident Herrnhofer sprach die denkwürdigen Worte: „Wir sind nicht in der Türkei, wir sind nicht im Sudan, wir sind in Österreich. Da wird menschenrechtskonform verhandelt“. Dazu eine interessante Graphik:

Offensichtlich sind die Verletzungen der Meinungsfreiheit, wie sie vom Vizepräsident der Richtervereinigung ja selbst gegen Velten praktiziert werden, nicht nur „normal“ in Österreich, sondern hierzulande viel häufiger als in der Türkei. Wir sind diesbezüglich nicht in der Türkei. Leider. Weil die Meinungsfreiheit ist ein ganz wichtiges Rechtsgut in Menschenrechten und Verfassung.

Völkl schrieb daraufhin einen offen Brief an die Richtervereinigung, den ich unten anhänge. Interessant dabei: Völkl führt zahlreiche Beispiele an, in denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR Österreich verurteilt hat, weil seine RichterInnen nicht menschenrechtskonform gehandelt haben. Besser lässt sich diesem Angriff auf Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten nicht begegnen.

Vielleicht entsteht doch noch etwas Positives aus diesem verrückten Prozess. Vielleicht wacht man auf in Österreich und beginnt, das Justizsystem den Menschenrechte anzupassen. Zeit wird’s!

Hier der offene Brief von Elmar Völkl:

Sehr geehrte Damen und Herren der RichterInnenvereinigung Österreichs!
Sehr geehrter Herr Vizepräsident Manfred Herrnhofer!

Mein Name ist Elmar Völkl, ich bin der Fünftangeklagte im sog. “Tierschutzprozess” 41HV68/09d am LG Wr. Neustadt.

Maria STERKL zitiert Sie im STANDARD vom 07.02.2011 mit den Worten: „Wir sind nicht in der Türkei, wir sind nicht im Sudan, wir sind in Österreich. Da wird menschenrechtskonform verhandelt”.

Beim Lesen dieser Zeilen kamen mir unweigerlich einige Zweifel, wie und ob Sie tatsächlich jemals ein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen haben:

Ich bin ja nur juristischer Laie, ohne je einen Kurs in Staatsrecht besucht zu haben, dennoch scheint mir der (menschen)rechtliche Graben zwischen dem sudanesischen Präsidialregime und der türkischen parlamentarischen Demokratie ein ungleich größerer zu sein, als zwischen der türkischen parlamentarischen Demokratie und der österreichischen parlamentarischen Demokratie. Man hofft, dass Sie “es nicht so meinen” wie Sie es sagen und dass ihre praktizierenden RichteramtskollegInnen etwas differenzierter Recht sprechen.

Was aber aus dem Munde eines Juristen noch viel schwerer wiegt, ist die vorgreifende Beweiswürdigung eines laufenden Verfahrens, wenn Sie zum Beispiel behaupten, in Österreich werde “menschenrechtskonform” verhandelt; Das ist aber leider falsch:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Österreich immer wieder dafür verurteilt, dass österreichische Gerichte die Grundsätze des fairen Verfahrens nicht beachtet haben, dass sie also NICHT MENSCHENRECHTSKONFORM verhandelt haben. Eine kurze Recherche im Rechtsinformationssystem bestätigt dies – es finden sich 117 Entscheidungen zum fairen Verfahren gegen die Republik Österreich und das ist nur eine Auswahl. Im folgenden ein paar zufällig herausgegriffene Entscheidungen des EGMR, denen zufolge österreichische Strafgerichte den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt haben: I.uH. gegen Österreich – Anklageüberschreitung (EGMR 20.04.2006 Bsw 42780/98, veröffentlicht im Newsletter Menschenrechte, im Folgenden NL, 2006, 95); Osinger gegen Österreich (EGMR 24.03.2005 Bsw 54645/00); Lanz gegen Österreich – Verletzung der Waffengleichheit u.a (EGMR 31.01.2002 Bsw 24430/94, NL 2002,19); Fischer gegen Österreich – Verletzung des Prinzips der Waffengleichheit (EGMR 17.1.2002, Bsw. 33382/96 NL 2002, 16); Beer gegen Österreich – Verletzung der Waffengleichheit (EGMR 06.02.2001 Bsw 30428/96); Asan Rushiti gegen Österreich – Verletzung des Prinzips der Öffentlichkeit (EGMR 21. März 2000, NL 00/2/4).

Ich gehe davon aus, dass einem Vizepräsident der Richtervereinigung diese notorischen Tatsachen bekannt sein dürften. Daraus lässt sich doch wohl schließen, dass zumindest in diesen Fällen nicht menschenrechtskonform verhandelt wird. Ich denke nicht, dass es Aufgabe der Richtervereinigung sein sollte, RichterInnen deren Verfahrensführung sowohl von der Öffentlichkeit als auch von anerkannten Fachleuten kritisiert wird, einen Persilschein der Menschenrechtskonformität auszustellen. Vielmehr sollte die Kritik für die Richterschaft Anlass sein, ihr Verhalten zu hinterfragen.

Vor allem die vorgreifende – ja geradezu prophetische – Beurteilung, dass auch ein LAUFENDES Verfahren “menschenrechtskonform” ablaufe, verwundert aus dem Munde eines Juristen.

Weiters wird in diesem Artikel ihre Meinung wiedergegeben, dass sich die Richterin “ja nicht wehren kann”, denn: “Würde Arleth selbst rechtlich gegen Velten vorgehen, wäre das ein Befangenheitsgrund.”.

In diesem Zusammenhand möchte ich Sie ersuchen den von mir am 04.02.2011 in der Hauptverhandlung 41HV68/09d gestellten Befangenheitsantrag gegen die Einzelrichterin Sonja ARLETH durchzulesen. Insbesondere möchte ich Ihnen den Punkt Nummer 67 ans Herz legen. Wenn Sie als Vizepräsident der Meinung sind, dass eine Richterin bereits befangen ist, wenn sie Strafanzeige gegen eine nicht-verfahrensbeteiligte Person stellt, dann ist sie sicherlich umso befangener, wenn Sie Strafanzeige gegen “ihre” Angeklagten stellt; Im Folgenden der entsprechende Auszug meines Befangenheitsantrags:


67.
Die Einzelrichterin bringt offensichtlich verfahrensirrelevante Sachverhalte in die HV ein, in denen sie aber selbst ein „Opfer“ im juristischen Sinne ist:

i) Graffiti auf der Gerichtstoilette „ARLETH hat sich kaufen lassen“
ii) Vermutungen über vermeintlich wahrgenommenen „Faschismus“-Ruf von vermutlich Angeklagtem Jan K. oder Angeklagtem Kevin K. gegen die Richterin
iii) persönliche Demoerfahrungen der Richterin mit MenschenrechtsdemonstrantInnen, die auf einer ordnungsgemäß angemeldeten Kundgebung das polizeilich nicht untersagte Trommeln entgegen der privaten Aufforderungen der Richterin nicht einstellen wollten.
iv) Medienberichte über Äußerungen von Angeklagten in denen die Richterin bezichtigt wird „in ihrem Wahn“ die Angeklagten mittels einer Google-Suche (nach den Begriffen: „OGPI ALF“) in Zusammenhang mit der A.L.F. zu bringen.

Einige dieser Sachverhalte wurden in Form einer richterlichen Sachverhaltsdarstellung am 18.05.2010 bei der örtlichen Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht (ON1865a und ON1882). Die Richterin wähnt sich somit als Opfer von Attacken aus dem „Sympathisantenkreis der Angeklagten“; Sie hätte somit ein unabhängiges und faires Urteil gegen Personen zu richten, welche – gemäß ihrer Überzeugung – für Angriffe gegen ihre Person verantwortlich seien.

Ich danke Ihnen für Ihren Hinweis, dass auch Sie der Meinung sind, Frau Arleth sei befangen! Sicherlich ein ausgezeichnetes Argument im Rechtsmittel gegen den von Arleth abgewiesenen Befangenheitsantrag!

Zu guter Letzt, würde ich mich auch freuen, wenn Sie oder Ihre VertreterInnen den einen oder anderen Verhandlungstag besuchen würden. So könnten Sie sich ein eigenes Bild der Arbeit so manch Ihrer Mitglieder machen, ohne der österreichischen Justiz pauschal – aber fälschlicherweise – “Menschenrechtskonformität” unterstellen zu müssen!

MfG,

–  elmar völkl  –

10 Gedanken zu “Offener Brief von Elmar Völkl an die Richtervereinigung

  1. Bitte veröffentlichen Sie auch eine eventuelle Antwort von Mag. Herrnhofer hier, Herr Univ.Prof. Siller.

    Ganz offen: mir ist es peinlich, wenn ein Mensch, der in der österreichischen Öffentlichkeit steht, so einen “Rülpser” (“wir sind ja nicht in der Türkei” – Sager) loslässt.

  2. DER STANDARD, Printausgabe, 11.2.2011

    Kommentare der Anderen: Andreas Scheil, Klaus Schwaighofer, Andreas Venier – die drei Autoren lehren Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Innsbruck

    Strafbare Justizkritik?

    Die Anzeige der Richtervereinigung gegen die Strafrechtsprofessorin Petra Velten wegen ihrer kritischen Äußerungen über den Tierschützerprozess verstößt gegen fundamentale Grundrechte.

    http://derstandard.at/1297216057678/Kommentar-der-Anderen-Strafbare-Justizkritik

  3. Hier mein Schreiben an Herrn Herrnhofer:

    ——– Original-Nachricht ——–
    Betreff: Anzeige wegen Kritik
    Datum: Tue, 08 Feb 2011 13:14:58 +0100
    Von: Max Siller
    Organisation: University of Innsbruck, Austria
    An: Mag. Manfred Herrnhofer
    CC: Petra Velten , “Mag. Charlotte Schillhammer” , Richard Hagelauer , Karlheinz Töchterle

    Sehr geehrter Herr Mag. Manfred Herrnhofer,

    ich entnehme der Meldung

    http://derstandard.at/1296696529254/Tierschuetzer-Prozess-Anzeige-gegen-Velten-weil-Ruf-der-Justiz-in-Gefahr#forumstart

    dass Sie die auf Augenschein beruhende Kritik von Univ.-Prof.in Dr.in Petra Velten (Universität Linz) an der Führung des TierschützerInnen-Prozesses in Wiener Neustadt als “üble Nachrede” oder gar “Verleumdung” zu werten gewillt sind. Die Aussagen brächten, so werden Sie zitiert, „den guten Ruf der Unparteilichkeit der Rechtssprechung in Gefahr” und „beschädigten die Glaubwürdigkeit der Justiz“.

    Ich weiß nicht, ob Sie diesen Prozess verfolgt haben oder, was ich eher annehmen muss, Ihre Äußerungen in Unkenntnis der Tatsachen gemacht haben, Ihre (Re-)Aktion also sozusagen als ein „kollegialer Reflex“ zu werten ist. Ich verfolge diesen Prozess seit Anbeginn und muss als Mitglied der Zivilgesellschaft gestehen, dass diese Prozessführung ein Ärgernis für ein halbwegs zivilisiertes Justizwesen darstellt. Von einer seriösen „Richtervereinigung“ hätte ich mir eher erwartet, dass man sich mit der Aktionsart einer Kollegin mit derartigen Defiziten, die entsprechend in die Negativschlagzeilen der Medien geraten ist, ernstlich auseinandersetzt und in aller Klarheit distanziert. Denn wer hier „den guten Ruf der Unparteilichkeit der Rechtssprechung in Gefahr [bringt]“und „die Glaubwürdigkeit der Justiz [beschädigt]“, ist allen, die dieses skandalöse “prozessoide” Happening verfolgen, nur allzu deutlich geworden. Mit der Arroganz der richterlichen Robe öffentliche Kritik zum Schweigen bringen zu wollen und „haltet den Dieb!“ zu schreien, macht die peinliche Angelegenheit – national und global – nur noch schlimmer.

    Auf Ihre in diesem Zusammenhang gemachte, m. E. stammtisch-rassistischer „Gesprächskultur“ adäquate, aber eines Richters unwürdige Äußerung “Wir sind nicht in der Türkei, wir sind nicht im Sudan, wir sind in Österreich”, einzugehen, verbietet das universitäre Niveau.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Ao. Univ.-Prof. Dr. Max Siller, Innsbruck

    PS: Dieses Schreiben ergeht zur Kenntnis an Kollegin Petra Velten sowie an die Rektoren der Universitäten Linz (o.Univ.Prof. DI Dr. Richard Hagelauer) und Innsbruck (o.Univ.Prof. Dr. Karlheinz Töchterle) [und viel andere]

  4. Was will Frau Mag. Arleth ?
    Meine Vermutung :
    1.)
    Den Prozess lang, laang, laaaang hinausziehen.
    2.)
    Die Angeklagten verurteilen.
    Ad 1.) :
    Damit trifft sie mehrere Fliegen mit einer Klappe:
    a.) Die Angeklagten werden finanziell völlig ruiniert.
    b.) Die Angeklagten können langfristig kein normales Leben führen
    – weder beruflich, noch familiär, noch sozial, noch politisch !
    c.) Sie schleimt sich bei der (schwarzen) Jagdgesellschaft ein.
    – Das kann der Karriere dienlich sein !
    d.) Sie profiliert sich in der Richterschaft
    – ob positiv, sei allerdings dahingestellt !!!
    Ad 2.)
    Warum Schuldspruch ?
    Weil SIE es so will !
    Und aus !!!
    Kann ihr eh keiner was dreinreden !
    MUSS ALLMACHT GEIL SEIN !!!

  5. Jetzt wäre seitens der Türkei eine Anklage gegen den Hrn. Herrnhofer wegen übler Nachrede und Verleumdung fällig. Vor einem “ordentlichen” türkischen Gericht – im Sinne der Gerechtigkeit.

    Wer die Protokolle der zweiten Spitzeline noch nicht kennt:
    http://tierschutzprozess.at/protokoll-von-spitzel-vp-481/#comments
    oder gleich
    http://www.tierrechtsradios.at//files/Tierschutzprozess-Bericht-von-zweitem-Polizeispitzel.pdf

    “Keine Information der VP zu strafbaren Handlungen”: Das unterstreicht natürlich wieder einmal das konspirative Verhalten der Kriminellen Organisation …

    Anscheinend dürfte “militant” zur Zeit ein beliebter Begriff der staatlichen Repressionalisten für engagierte Umwelt- und Tierschutzaktivisten sein.

    Ein interessanter und zugleich erschreckender Beitrag über den weltweiten Trend, Umwelt- und Tierschutzaktivisten wie Terroristen zu behandeln:
    ARTE – Rebellen im Namen der Erde
    http://videos.arte.tv/de/videos/rebellen_im_namen_der_erde-3685944.html

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