19. März 2024

Profil Tierversuchsartikel: dritter offener Brief

Mir wurde mitgeteilt, dass Menschen, die an Profil kritische Leserbriefe wegen des Artikels zu Tierversuchen schreiben und dabei Bezug auf meine offenen Briefe nehmen, die folgende Antwort erhalten:

eine Anmerkung zu Ihrem Schreiben, vielleicht gibt sie ja Anlass, Ihre Position zu überdenken bzw. zu hinterfragen, für welche Agenda Sie hier eingespannt werden
> sollen: Ich habe Herrn Balluch geantwortet, und zwar bereits zwei Mal. Allerdings hat er nicht mehr geantwortet, ich hab ich nie wieder was von ihm gehört. Die
> Behauptung, wir würden auf seine Schreiben nicht reagieren oder eine sachliche Debatte verweigern, ist also schlicht unwahr.

Typische Tierindustrie-Polemik: Martin Balluch zieht als “Guru” im Hintergrund alle Fäden, spannt unwissende Menschen (üblicherweise: hysterische junge Frauen und senile alte Damen) in seine dunkle Agenda ein und missbraucht zu seinem persönlichen Vorteil. Welcher das sein könnte, bleibt natürlich offen. Dass sich ein Politmagazin wie Profil auf solche Verschwörungstheorien einlässt, ist bedenklich.

Zurück zur Faktenlage. Ich habe beide offenen Briefe, die ich hier auf meinem Blog veröffentlicht habe, geschrieben, bevor ich auch nur eine Antwort von Profil gelesen habe. Mittlerweile sind 2 Antworten eingetroffen. Die erste war lediglich eine Ankündigung für zweitere, und diese habe ich heute gelesen und sofort eine Antwort verfasst. Leider hat mir der Profilredakteur noch nicht gesagt, ob ich sein Email auch veröffentlichen darf. Typischer Weise in derartiger Korrespondenz bleibt die Gegenseite lieber anonym und möchte nicht zitiert werden. Soviel zur Bereitschaft, diese Thematik wirklich zu diskutieren, statt nur Propaganda zu verbreiten. Mein Angebot für eine öffentliche Podiumsdiskussion bleibt aufrecht. Sehr aufschlussreich in diesem Zusammenhang: ich bin jederzeit bereit, mit beliebigen Diskussionsgegner_innen, gerne auch Universitätsprofessor_innen, zu sämtlichen Tierschutzthematiken öffentlich zu diskutieren, sei es Tierversuche, die Gatterjagd, Jagd allgemein oder auch Veganismus oder die Nutztierindustrie. Es ist mir aber unmöglich, Personen zu finden, die die Gegenseite in einer Diskussion mit mir zu vertreten wagen. Dabei sei ich doch so extremistisch und radikal, während die Gegenseite so vernünftig und rational wäre. Schmecks. Das Gegenteil ist der Fall, sonst würde man sich ja trauen, mit mir zu diskutieren.

Hier meine Antwort an Profil:
Sehr geehrter Herr XXX,

vielen Dank für Ihre Antwort. Sie sind allerdings nur sehr selektiv auf meine Punkte eingegangen, insbesondere auf jene aus meinem ersten Email nicht.

Wundern Sie sich wirklich darüber, dass ich dem Profil gezielte Einseitigkeit vorwerfe, wenn es Zu JEDEM TIERSCHUZTHEMA immer nur der Ansicht der Tierindustrie und dem Status Quo das Wort redet, wenn es Tierschutz überhaupt als Thema für würdig erachtet? Also Ihre Forderungen für Alternativen zu Tierversuchen in Ehren, aber das ist wortwörtlich genau das, was die Pharmaindustrie und die Tierversuchsvertetung der Universitäten immer sagen. EIN REINES FEIGENBLATT!! Genauso, wie die ewigen, langweiligen Beteuerungen von wegen es gäbe ja eine Ethikkommission und man würde die 3 R Strategie verfolgen. Ausnahmslos jeder Mensch, der von Tierversuchen auch nur die geringste Ahnung hat, weiß, dass das nur einfältige Propaganda ist. Die “Ethikkommissionen” sind genausoviel wert, wie eine aus Vertreter_innen von Ölfirmen zusammengesetzte “Ethikkommission” zur Frage der Ethik neuer Bohrungen, es sitzen ja nur Tierexperimentator_innen darin. Und die 3 R in Ehren, aber erstens nimmt im diametralen Widerspruch dazu die Anzahl der Tierversuche seit 1999 ständig zu und zweitens braucht man sich nur die lächerlichen Lippenbekenntnisse zu den 3 R in den veröffentlichten nichttechnischen Projektzusammenfassungen ansehen, und man weiß, was für einen Stellenwert das in Wahrheit bei Tierversuchen hat. Nämlich genau gar keinen.

Ein kritisches Politmagazin befasst sich mit Tierversuchen und kaut die Industriepropaganda wieder. Würden Sie da als Außenstehender nicht auch fragen, ob der Umstand, dass dieses Magazin Raiffeisen gehört, einem Firmenverband, dem ein sehr großes Interesse an der Totalnutzung von Tieren ohne jeden Widerspruch und ohne jedes öffentliche Bewusstsein dazu nachgesagt wird, dabei eine Rolle spielt? Wenn Sie nur 1 Sekunde recherchieren, merken Sie, dass es KEINE JUDIKATUR zum Tierversuchsgesetz gibt. Es gibt also keine Verurteilungen. Seit Jahrzehnten! Riecht das nicht faul? Müsste da nicht ein kritischer Journalist sofort darauf anspringen? Stattdessen Industriepropaganda? Bitte erzählen Sie mir keine Märchen. Dieser Artikel hat nichts, aber schon gar nichts, mit kritischem Journalismus zu tun.

Ein ehemaliger Chefredakteur der Presse hat mir persönlich gesagt, er würde sofort kritisch über Pelzfarmen berichten, statt mehrseitige farbige Pelzmodewerbung zu drucken, wenn wir von Tierschutzseite mehr bezahlen, als die Pelzindustrie. Aha. Nicht überraschend, oder? Kritischer Journalismus? Soll das wirklich der Status der Medienlandschaft heutzutage sein? Auch Sie müssen doch eigentlich wissen, dass diese unsere Gesellschaft eine immer größere Auftrennung in Arm und Reich erlebt, dass das Geld immer mehr bestimmt, was politisch geschieht, und dass die kommerziellen Medien immer abhängiger werden und daher immer weniger kritisch. Statt diese Offensichtlichkeit zu leugnen, müssen wir uns fragen, was wir dagegen tun können.

Die Liste meiner kritischen Fragen war lang. Die Missstände bei Tierversuchen in Österreich sind zahlreich. Keine Kontrollen, keine gesetzlich vorgeschriebenen Kommissionen, Blankogenehmigungen, keine Verurteilungen, keine Transparenz, ein zerstörter Kriterienkatalog zur Schaden-Nutzen Abwägung. Alles kein Thema bei Profil. Die Haltung der Versuchstiere orientiert sich an den Vorgaben der 1970er Jahre. Damals gab es keinen Tierschutz. Kein Thema. Tierversuche für Veterinärmedizin und für die effizientere Ausbeutung von Nutztieren. Kein Thema. Stattdessen die ewig wiedergekäute Propaganda. Gähn. Erzählen Sie mir bitte keinen Unsinn, kritische Ansätze gäbe es genug. Wenn man wollte. Und wenn man dürfte. Beides ist offenbar nicht gegeben.

Mein Angebot zu einer öffentlichen Diskussion bleibt aufrecht. Dort können Sie dann ja erklären, warum diese von mir genannten Themen so unwichtig sind, dass Sie sie nicht erwähnt haben. Und stattdessen dasselbe schreiben, was in jedem Propagandaflugblatt der Pharmalobby steht.

Mit freundlichen Grüßen,

Martin Balluch

PS: Stimmen Sie einer Veröffentlichung Ihrer Antwort auf meinem Blog zu? Oder sind Sie der Meinung, solche Diskussionen sollten geheim bleiben? Hauptsache die Tierversuchspropaganda wird verbreitet!

Übrigens enthält auch die neueste Ausgabe des Science Magazins, eines der international wichtigsten naturwissenschaftlichen Magazine, einen kritischen Artikel zu Tierversuchen. Es wird wiederholt, dass über 90 % der im Tierversuch erfolgreichen Medikamente in klinischen Tests an Menschen versagen. Und dann wird gefragt, ob daran die katastrophalen Bedingungen, unter denen Versuchstiere gehalten werden, verantwortlich sein können. Tenor: “If we want animals to tell us about stuff that’s going to happen to people, we need to treat them more like people.” Problem: darunter würde aber die Reproduzierbarkeit bisher erhaltener Resultate leiden. Tatsache, das ist das Hauptargument gegen die Verbesserung der Haltung von Versuchstieren, dass Tiere, die sich wohler fühlen, ein stärkeres Immunsystem haben und daher ganz anders auf Vergiftungen oder Krankheiten reagieren! Science dazu: Die Käfige sind um das 100.000fache kleiner als der normale Lebensraum derselben Tierart. Die Haltung würde die Tiere krank machen, bevor sie einem Versuch unterzogen werden. Übrigens sind die Haltungsbedignungen von Versuchstieren in Österreich von der EU vorgegeben. Aus eben diesen Standardisierungsgründen. DAS wäre doch ein tolles Thema für einen kritischen Tierversuchsartikel. Das Profil könnte sich am Science ein Beispiel nehmen!

Ein Gedanke zu “Profil Tierversuchsartikel: dritter offener Brief

  1. offenes mail an Profil:
    Es wäre wirklich sehr wünschenswert, wenn hier eine offene Diskussion zustande käme. Als Laie kann man sich zur Notwendigkeit von Tierversuchen schwer direkt eine Meinung bilden. So lange also keinE ExpertIn Herrn Balluch und den von ihm zitierten wissenschaftlichen Medien diesbezüglich widerspricht, gehe ich davon aus, dass Herrn Balluch’s Standpunkt Hand und Fuß hat.
    Etwas anderes ist es, wenn man sich die in Österreich praktizierte Kontrolle bzw. Nicht-Kontrolle von Tierversuchen ansieht. Da kann man auch als Laie sehen, dass wirkliche Kontrolle vom Gesetzgeber nicht erwünscht ist.
    Wenn Profil eine offene Diskussion scheut, muss es sich gefallen lassen, als nicht objektiv bezeichnet zu werden, und man kann sich die Frage stellen, wie objektiv dann auch andere Themen von Profil behandelt werden.

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