Außenstehende staunen oft, wenn ich ihnen erzähle, wie häufig der VGT zivilrechtlich geklagt wird. In Summe werden wir mit mehreren solcher Klagen oder zumindest ernsthaften Klagsdrohungen pro Jahr konfrontiert. Dabei ist eine Klagsdrohung nicht viel anders als eine Klage, weil die DroherInnen eine Forderung mit bereits geleisteten anwaltlichen Kosten verbinden. Nun, man könnte meinen wir seien selbst schuld, eine Klage würde doch nur bedrohlich sein, wenn man etwas falsch gemacht hat und demnach sozusagen diese Strafe verdient.
Doch so einfach ist das nicht. In der Praxis klagen große Institutionen oft kritische Individuen oder NGOs mit dem Ziel, diese einzuschüchtern, sodass sie sich ihre Kritik nicht mehr vorzubringen getrauen. Das funktioniert, weil diese Institutionen immer viel mehr finanzielle Ressourcen haben und mit Klagen regelmäßig ein großer Aufwand und ein Kostenrisiko verbunden sind. Selbst wenn man völlig im Recht ist, entscheiden im Mittel 1% der RichterInnen gegen einen, vielleicht weil sie persönliche Animositäten gegen Tierschutz hegen oder einfach am falschen Fuß aufgestanden sind. Oder Klagen sind zwar juristisch aber nicht moralisch berechtigt, und werden so als Repressionsmittel eingesetzt. Ein paar Beispiele:
Vor ca. 10 Jahren besetzten wir ein Labor im Krebsforschungszentrum in Wien, weil dort über 300 Ratten in einem Tierversuch gequält wurden, in dessen Verlauf sie mit verschiedenen Kaffeesorten abgefüllt und mit Krebs infiziert worden waren. Als wir die Umstände dieses Tierversuchs öffentlich machten, kam umgehend eine Klage auf Unterlassung. Jede unserer Aussagen zu diesem Tierversuch wurde bestritten und wir wurden aufgefordert, sie öffentlich zu widerrufen. Zum Glück hatten wir schriftliche Unterlagen des Tierexperimentators, um alles zu beweisen. Dennoch hatte der Mann uns geklagt – mit finanziellem Backup der Uni Wien, die letztlich unsere Rechtsanwaltskosten begleichen musste. Aber um die Wahrheit kann es dem Kläger nicht gegangen sein, musste er doch wissen, dass unsere Aussagen über seine Experimente richtig waren.
Ähnlich die 12-fache Klage der damaligen Tierschutzministerin Maria Rauch-Kallat gegen ein kritischen Flugblatt von uns, in dem wir ihre politischen „Sünden“ aufzählten. Sie wollte zu dieser Zeit das Verbot, wildgefangene Singvögel auszustellen, wieder aufheben. Sie verlor den Prozess in allen Punkten. Oder die Klage der Restaurantkette in Graz, gegen die wir protestiert hatten, weil sie Käfigeier verwendete. Und unzählige weitere Fälle. Einmal haben wir von einer Jagdgesellschaft berichtet, die zu junge Kinder auf die Treibjagd mitgenommen hatte, über unsere Köpfe hinweg auf Tiere schoss und einen Fasan von einem Kind töten ließ. Wir wurden prompt geklagt und obwohl wir zahlreiche ZeugInnen auffahren konnten, mussten wir schließlich € 9000 zahlen. Die Richterin war eben selbst Jägerin. Oder die Klage des Schlägerpolizisten gegen unseren Webbericht, die zwar juristisch gerechtfertigt aber moralisch indiskutabel war.
Im vorliegenden Fall brachte ich einen Tierversuch zur Anzeige, für den 24 Hühnern schweres Leid zugefügt worden war, um Methoden der Steigerung der Eierlegeleistung zu testen. Ich habe die Staatsanwaltschaft aufgefordert, die Verantwortlichen zu ermitteln, siehe https://martinballuch.com/anzeige-wegen-tierversuch-fuer-tierfabriken/. Die VetUni Wien will nun einen Widerruf von uns, dass dieser Tierversuch nicht von ihr durchgeführt worden ist. Die Vet Uni Wien veröffentlichte dazu ein Statement: Die Universitätsleitung stellt klar, dass der erwähnte Tierversuch zu keinem Zeitpunkt von der Veterinärmedizinischen Universität Wien bzw. von einem ihrer MitarbeiterInnen beantragt oder durchführt wurde. Die Veterinärmedizinische Universität Wien lehnt jede Verletzung des Tierschutzes und seiner gesetzlichen Grundlagen ab. Morgen Donnerstag gibt es dazu einen Gerichtstermin, auf den die VetUni besteht.
Es ist vollkommen unerheblich, von wem dieser Tierversuch durchgeführt worden ist, ich behaupte nicht, dass das die VetUni war. In meiner Anzeige habe ich lediglich einen Verdacht geäußert. Es geht um die grundsätzliche Frage, ob Tierversuche zur Steigerung der Profite in Tierfabriken legal sein können. Faktum ist, dass dieser Tierversuch in Österreich stattgefunden hat. Der VetUni ist es nun ein Anliegen, festzustellen, dass dieser Versuch nicht von ihr durchgeführt wurde. Bemerkenswert daran ist, dass die VetUni sich auf diese Weise und durch ihr Statement von diesem und ähnlichen Tierversuchen distanziert. Es wäre wesentlich konstruktiver, würde die VetUni diese Haltung öffentlich machen und betonen, dass sie solche Tierversuche ablehnt und ein Verbot wünscht. Stattdessen droht sie uns mit kostenintensiven Klagen. Tierversuche werden ständig mit ihrer Notwendigkeit zur Heilung menschlicher Krankheiten gerechtfertigt, aber die Mehrheit aller Tierversuche haben menschliche Krankheiten überhaupt nicht zum Thema! Gute 10% der Tierversuche in Österreich im Jahr 2014 dienten der Effizienzsteigerung der Nutztierindustrie, weitere fast 50% als Grundlagenforschung der Neugier der WissenschaftlerInnen, insbesondere in der Gentechnik aber auch der Verhaltensforschung, und viele weitere veterinärmedizinischen Anwendungen.
Ich fordere die VetUni Wien auf, öffentlich klarzustellen, welche Tierversuche sie für verwerflich hält und welche für gerechtfertigt. Die VetUni Wien sollte deutlich machen, welche Tierversuche sie selbst durchführt und welchen Zwecken diese dienen, und ob irgendeiner dieser Tierversuche die Gesundheit von Menschen zum Ziel hat. Ich habe ja mittlerweile weitere Tierversuche an 150 Puten und 100 Hühnern angezeigt, die mit der Schwarzkopfkrankheit infiziert worden waren, die für Menschen völlig ungefährlich ist und für die bereits effektive Medikamente existieren, siehe https://martinballuch.com/eine-weitere-anzeige-gegen-tierversuche-diesmal-an-puten/. Ich fordere die VetUni auf, öffentlich festzustellen, ob diese zweifellos tierquälerischen Tierversuche von ihr durchgeführt worden sind oder nicht. Es ist unredlich, sich hinter der Anonymität der Tierversuchspraxis, die in Österreich wie ein Staatsgeheimnis behandelt werden, zu verstecken und die Öffentlichkeit im Dunkeln zu lassen. Und es ist demokratiepolitisch äußerst problematisch, mit Klagsdrohungen zu reagieren, anstatt auf die berechtigten Anliegen mit rationalen Argumenten und völliger Transparenz einzugehen.