Bei einer Nachbesprechung über den heurigen Tierrechtskongress saß auch ein Schweizer Tierrechtler mit uns am Tisch, der wegen seiner Teilnahme an der „Tierrechte Jetzt!“ – Aktion in Graz bei uns zu Besuch war. Als erwähnt wurde, dass einige Personen sich darüber beschwert hätten, dass Helmut Kaplan nicht vom Kongress ausgeschlossen worden sei, sagte er wie aus der Pistole geschossen, er sei auch dagegen, dass Rechtsradikale dort sprechen könnten. „Rechtsradikale?“, fragte ich erstaunt, „was hat das mit Kaplan zu tun?“. Na der sei doch rechtsradikal, antwortete der Schweizer, und auf meinen ungläubigen Blick hin ergänzte er „zumindest sehr rechts“.
Also ich mag nicht viel über Helmut Kaplan wissen, aber eines ist klar, er ist weder rechtsradikal noch sehr rechts oder überhaupt rechts. Wer seine Bücher gelesen hat, müsste das doch sofort erkennen. Aber das ist die Folge so populistischer Hetztiraden, wie sie seit einiger Zeit insbesondere aus Deutschland gegen Helmut Kaplan losgetreten werden. AktivistInnen, die selbst wenig über diese Dinge reflektieren, plappern das dann nach und schon ist es fast unmöglich, gegen diese billige Hetze gegenzusteuern. So schnell geht’s!
Ich habe zu Helmut Kaplan nicht das allerbeste Verhältnis. Als 2005 mein erstes Tierrechtsbuch erschien, erklärte er mir lapidar, dass er es nicht lesen werde, aber sich sicher sei, dass ein Blödsinn drinstünde. Seine platt-plakative Verwendung des Vergleichs von Nazi-KZs und Tierfabriken habe ich ebenso kritisiert, wie seine zumindest eine lange Zeit fast aversive Haltung zum Veganismus, insoferne dieser als Kritik am Vegetarismus geäußert wird. Nichtsdestotrotz hat es für mich oberste Priorität, für Kaplans Meinungsfreiheit und Menschenrechte einzutreten.
Helmut Kaplan kommt das unbestrittene Verdienst zu, Tierrechte und Vegetarismus als ein absoluter Pionier in Österreich bereits Mitte der 1980er Jahre erstmals öffentlich angesprochen zu haben. In dieser Sache, und in der Folge mit seinen zahlreichen Büchern, die sogar auf Japanisch übersetzt wurden, hat er sicherlich wesentlich mehr sowohl für Tier- als auch für Menschenrechte geleistet, als jene, die ihn jetzt ausgrenzen wollen. Für diese Tätigkeiten verdient er unseren Respekt und unsere Anerkennung.
Als Pionier war Kaplan ständig zahlreichen Angriffen ausgesetzt, die er ohne Zulegen einer harten Schale nicht hätte überstehen können. Seine laut vorgetragene Behauptung, aus der ethischen Berücksichtigung von allen Tieren logisch zwingend die Pflicht zum Vegetarismus ableiten zu können, brachte ihm Hohn und Spott ein. Mit dem Insistieren auf den Gleichheitsgrundsatz und der Forderung von Tierrechten wurde er lange Jahre zum Extremisten gestempelt. Vielleicht wird angesichts dieser Vergangenheit verständlicher, warum er dann gegenüber gewisser Kritik aus den eigenen Reihen immun wurde und scheinbar starrsinnig z.B. an seiner Überzeugung festhielt, dass Reformen für Tierhaltungsvorschriften abzulehnen seien, weil sie zu wenig weit gingen, umgekehrt aber Veganismus zu extrem wäre.
Der Hauptvorwurf gegen Kaplan ist seine Verwendung des sogenannten „KZ-Vergleichs“. Einmal sah ich ihn in einer deutschen Talkshow, in der er sicher 20 Mal wiederholte, dass Deutschland heute von Tier-KZs überzogen sei. Der Talkmaster und die Showgäste wurden zunehmend unruhig. Im öffentlichen Raum der Tätergesellschaft gebietet es die politische Sensibilität, mit Bezügen zum Dritten Reich besonders vorsichtig umzugehen. So sehr der Vergleich psychologisch nachvollziehbar und sogar historisch argumentierbar ist, so sehr ist er ein politischer Fehler. Doch kann man daraus zweifellos keine antisemitische Haltung ableiten. Kaplan hat jüdische Verwandtschaft. Außerhalb des deutschsprachigen Raums ist dieser Vergleich Gang und Gäbe, auch und gerade in Israel oder unter tierrechtsaffinen Überlebenden des Holokaust. Global gesehen steht Kaplan damit bei weitem nicht alleine da.
Vorgeworfen wird ihm auch seine Verteidigung von UL-Gläubigen gegen Angriffe und Ausgrenzungsversuche. Bei mir ruft das eher Bewunderung hervor. Kaplan ist sicher nicht religiös und argumentiert ethisch immer sachlich und rational, ohne jeden Bezug zu Spiritualität oder Esoterik. Dass er dennoch eine Glaubensgemeinschaft gegen Übergriffe einer verhetzten Meute schützt, rechne ich ihm hoch an. Das ist ein selbstloser Einsatz für Menschenrechte ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für ihn persönlich. Die AusgrenzerInnen könnten sich von dieser Zivilcourage eine Scheibe abschneiden.
Er hat einer Zeitschrift aus dem rechtsextremen Lager mit dem Namen „Der Fahnenträger“, die mittlerweile nicht mehr existiert, vor einigen Jahren ein Interview zu Tierrechten gegeben. Ich wusste davon nichts, überflog aber jetzt den Text auf seiner Webseite. Nirgends geht es dabei um rechtes Gedankengut oder gar dessen Förderung. Kaplan meint offenbar, dass es besser sei, die Seiten solcher Zeitschriften mit sinnvollen, rationalen und ethischen Argumenten zu füllen, als mit deren Propaganda. Wie sehr verhalf er den HerausgeberInnen aber im Gegenzug zu einer gewissen öffentlichen Legitimierung?
Meiner Einschätzung nach rechtfertigen die genannten Aspekte in keinster Weise die Angriffe und Ausgrenzungsforderungen, mit denen Kaplan konfrontiert wurde. Bei Vorträgen in Deutschland wurde er sogar mit physischer Gewalt an Auftritten gehindert und bedroht. Ich halte das vom Standpunkt der Menschenrechte für mehr als bedenklich, abgesehen davon ist es gegenüber diesem Vorkämpfer und Pionier der Tierrechte völlig respektlos und unreflektiert. Ich bin ihm gegenüber daher solidarisch und habe mich sehr gefreut, dass er unseren Kongress mit seinen Beiträgen bereichert hat!
Dass Kaplan selber nicht den rechtsextremen “Querfront”-Hintergrund der Zeitschrift zu erkennen imstande ist, wäre ja entschuldbar – der Mann kennt sich halt nicht so aus.
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Dass er aber anstatt eine Suchmaschine zu bedienen und die vorhandenen Informationen aus dem Internet nachzulesen diejenigen als Analphabeten beschimpft, die das Gedankengut des “Fahnenträgers” sehr wohl einordnen können, verdeutlicht einmal mehr seinen Umgang mit Kritik.
Hallo martin,
schön, dass du dich für kaplan so engagiert ins zeug wirfst.
dann kannst du sicher auch erklären, warum leute, die folgendes sagen bei dir so sehr willkommen sind:
-„Unter diesen Opfern gibt es bestimmt auch kaltherzige und unmoralische Menschen. Und diese Menschen haben den MORALISCHEN Anspruch, daß ihnen geholfen wird, verwirkt“ (Gemeint sind Opfer des Tsunamis http://www.tierrechte-kaplan.org/kompendium/a295.htm)
-„Mitgefühl mit der Bevölkerung? Sofern es sich um Menschen handelt, denen klar ist, was Stierkämpfe bedeuten, auch nicht: Wer vorsätzlich und sadistisch aus purem Übermut über andere unermessliches Leiden bringt, verdient kein Mitgefühl, wenn er selber einmal Opfer wird.“ (gemeint sind Opfer der islamistischen Bombensnschläge in Madrid http://vegan.de/foren/read.php?90,273865)
-Findest du auch, dass Menschen, die gegen ein Schächtverbot (und kein Schölachtverbot!) sind auswandern sollen?
-war es ein guter Zug der franz. TierschützerInnen Nazis in Boot zu holen, die ihnen dann ihre antifaschistischen AktivistInnen umbringen?
Alles Beispiele aus dem Brief der BAT, den du ja extra nirgends erwähnst;-)
Ein fast schon unterhaltender Schulterschluss, der hier plötzlich geübt wird! Seltsamerweise wird ein Martin Balluch im Streitfall Kaplan nämlich erst dann aktiv, wenn sein eigener Club in der Sache involviert ist. Balluch hätte wohl kaum mehrere Artikel binner weniger Tage zum Thema veröffentlicht, wenn Kaplan nicht Teil des letzten VGT-Kongress gewesen wäre. Balluch hätte geschwiegen, so wie er es auch schon bei früheren Attacken gegen Kaplan getan hat.
Lustig auch mitanzusehen, wie Balluchs Soli-Text mittlerweile sogar schon von anderen “Tierrechtlern” auf fast schon abartige Weise missbraucht wird: Marsili Cronberg, der ja mittlerweile selbst mit dem Rücken zur Wand steht, bedankt sich auf seiner FB-Seite für Balluchs couragierte Worte. Nicht etwa, weil er mit Kaplan verbunden wäre oder sich die letzten Jahre für Kaplan besonders interessiert hätte, sondern einzig in der Hoffnung, dass von all den warmen Worten im besten Fall auch noch für ihn etwas abfällt.
Was die Charaktereigenschaften so mancher Tierrechtler betrifft, lernt man halt immer noch was dazu.
Kommentar von Helmut Kaplan, den er mir per Email geschickt hat:
<<< Als 2005 mein erstes Tierrechtsbuch erschien, erklärte er mir lapidar, dass er es nicht lesen werde, aber sich sicher sei, dass ein Blödsinn drinstünde.
Das halte ich für ausgeschlossen! Das muß ein Mißverständnis sein! Obwohl ich das Buch nicht gelesen habe (weil ich mit dem Lesen generell immer weit hinten bin), bin ich überzeugt, daß der Inhalt sehr vernünftig ist – schon aufgrund des Titels: den faktischen Ähnlichkeiten zwischen Tieren und Menschen ethisch möglichst “kleinteilig” bzw. kontinuierlich Rechnung zu tragen allgemein und in bezug auf Bewußtsein im besonderen ist Basis jeglichen vernünftigen tierethischen Ansatzes. Außerdem stelle ich immer wieder fest, daß wir fast immer die gleiche Einschätzung haben. So konnte ich bei Deiner Diskussion mit Franzinelli jeden Halbsatz wörtlich “unterschreiben”.
<<< Vielleicht wird angesichts dieser Vergangenheit verständlicher, warum er dann gegenüber gewisser Kritik aus den eigenen Reihen immun wurde und scheinbar starrsinnig z.B. an seiner Überzeugung festhielt, dass Reformen für Tierhaltungsvorschriften abzulehnen seien
Das ist falsch: Ich vertrete, vermutlich schon in “Leichenschmaus”, vehement die These, daß Reform und Abschaffung nicht nur keine Gegensätze sind, sondern, daß sie, im Gegenteil, PARALLEL betrieben werden sollten.
<<< Er hat einer Zeitschrift aus dem rechtsextremen Lager mit dem Namen „Der Fahnenträger“, die mittlerweile nicht mehr existiert, vor einigen Jahren ein Interview zu Tierrechten gegeben. ( … ) Kaplan meint offenbar, dass es besser sei, die Seiten solcher Zeitschriften mit sinnvollen, rationalen und ethischen Argumenten zu füllen, als mit deren Propaganda.
Ich hatte keine Ahnung, daß es sich um eine rechte Zeitschrift handeln könnte! (Ich praktiziere keine gesinnungstechnische Interviewerüberprüfung; ich gab damals auch einer buddhistischen Zeitschrift ein Interview, obwohl ich mit Buddhismus nichts am Hut habe und davon nichts verstehe.) Aber auch eine nachträgliche Überprüfung des Mediums ließ mich an der Substanz der Kritik zweifeln. So wurden dort – ein Punkt unter vielen! – gleich reihenweise ausgesprochen linke Bücher (!), etwa eine Castro-Biographie, sowie Publikationen ausgesprochen linker Verlage (!) wohlwollend präsentiert. Ich habe das alles “überall”, z. B. auch auf Fellbeisser, mehrmals klargestellt, dann aber damit aufgehört, weil es sich bei den Kritikern offenkundig (zumindest) um Analphabeten handelt.
Es verblüfft mich auch immer wieder wie blind Menschen oft sind, wenn es darum geht zu erkennen, dass sie mit ihren eigenen Maßnahmen genau das tun, was sie angeblich bekämpfen. Diese Ausgrenzerei ist ein typisches Beispiel dafür.
Grundsätzlich sind alle Meinungen gleichwertig. Wenn wir jede unliebsame Kritik unterbinden, vermeiden wir in erster Linie auf unsere eigenen Denkfehler hingewiesen zu werden. Ich halte Tabus für ein großes Problem, das leicht Verblendung stützt.
Ich diskutiere lieber mit Leuten, die mir wohlüberlegt und gut argumentiert widersprechen als mit jenen, die mir unreflektiert zustimmen, bloß weil das Gesagte den erwarteten Werthaltungen entspricht. Jemandem abzusprechen, dass seine offensichtlichen Anliegen gedacht werden dürfen, ist die hilfloseste aller Reaktionen auf Ideen, die ich vielleicht ablehne.
Wenn es mir nicht gelingt überzeugend aufzuzeigen warum die von anderen geäußerten Meinungen aus meiner Sicht Irrtümer sind, dann gibt mir das kein Recht sie am Sprechen zu hindern, sondern ich muss mir über die Rechtfertigung meiner eigenen Position Gedanken machen.
Die Etablierung von Tabus verhindert jedenfalls einen konstruktiven Austausch und auch die Klärung vieler Missverständnisse. Darüber hinaus drängt sie Leute mit entsprechenden Sorgen ins gesellschaftliche Abseits. Wer andere in die Enge treibt, fördert auch die Entstehung von Gewalt weil bedrängte Menschen in ihrer Verzwiflung zu Gewalt greifen. Wir alle wählen weniger heikle Problemlösungsstrategien, so lange wir das Gefühl haben jenseits von Gewalt eine Chance auf Anerkennung unserer Anliegen zu haben.
Zum Abschluss noch etwas Lustiges zu dem Problem wie vage die Grenzen zwischen Toleranz und Intoleranz werden, wenn alle versuchen noch korrekter als die anderen zu sein ohne deren gute Absichten anzuerkennen. Zu welchen Reaktionen würde heutzutage Jesus’ Parabel vom “Guten Samariter” führen? (Doppelt böse ist natürlich das Ende weil Jesus damit ebenfalls entglorifiziert wird.):
http://www.youtube.com/watch?v=OIVB3DdRgqU
Als die PeTA -Kampagne “Holocaust on your Plate” in Deutschland verboten wurde, hat dies weithin zu Verwunderung über eine derart hysterische Reaktion und zum Vorwurf der Kriecherei geführt. Die Hysteriker haben ignoriert, dass auch Isaac Bashevis Singer, vor den Nazis aus Polen in die USA geflohen, bekannt hat: „Wo es um Tiere geht, wird jeder zum Nazi, für die Tiere ist jeden Tag Treblinka“.
Solche Arten von Unterwürfigkeit, zu denen auch dieses Verbot der PeTA -Kampagne gehört, sind der zuverlässigste Nährboden für tatsächliche rechtsextreme Umtriebe. Auch die jetzigen Anwürfe gegen Helmut Kaplan liefern Neonazis willkommenes Kampfmaterial.
Tragen seine Gegner so dichte Scheuklappen, dass sie nicht sehen, wie ihre Hetze genau das fördert, was sie vermeiden möchten? Dann sollten sie sich einmal mit Soziokybernetik befassen.
Wem es ernst ist mit Tierrechten und nicht destruktive parteipolitische Doktrin wichtiger ist, ist Helmut Kaplan zutiefst dankbar für sein bewundernswertes Engagement. Er verdient unsere uneingeschränkte Solidarität.